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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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fuß unterhalb deS in den Staatsobligationen zugesicherten Zinses gesunken ist.
Die erste Operation involvirt eine bedenkliche Uebervvrtheilung der Gläubiger
zu Gunsten des Staates, da sie statt des Kaufpreises nur den Nominalwerth,
zuweilen auch mit einem Ausschlag darüber erhalten würden, falls sie die
Auszahlung vorzögen, während sich sehr vieles für, nichts gegen die letztere
sagen läßt. Der Staat gewinnt dabei entweder die Differenz der nunmehr
ersparten Zinsen, wobei selbst ein größer gewordener Betrag der öffentlichen
Schuld wenig ausmacht, da man wol annehmen darf, daß im regelmäßigen
Verlaufe der Dinge an die Tilgung derselben nicht gedacht werden kann, es
daher auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht ankommt. Die ganze
Zinsreduction ist meistens eine äußerst verwickelte Combination von Zahlen
und Verhältnissen und nur mit Hilfe der großen Bankiers durchzuführen,
welche die Fäden des Börsenverkehrs besitzen, in deren Händen daher auch
regelmäßig ansehnliche Gewinne zurückbleiben.

Angesichts der großen Vortheile, welche Rothschild und Genossen aus
den Staatsanleihen und sonstigen Geldgeschäften mit den Regierungen ziehen,
ist die Frage nicht müßig, ob dieselben ihres Beistandes nicht besser entbehren
und den Gewinn selbst einstreichen könnten, ein Verfahren, daS bekanntlich in
neuester Zeit mehre Male mit Erfolg von der östreichischen wie von der fran¬
zösischen Regierung eingeschlagen worden ist, als sie sich sür ihre Anleihen un¬
mittelbar an daS große Puvlicum wandten. Ungeachtet dieses Erfolgs möchten
wir jedoch kaum für rathsam halten, daß daS System der directen Anleihen
ein regelmäßiges Hilfsmittel der hohen Finanz werde; denn was eine
Negierung etwa an Kosten und Zinsen erspart, verliert das Land nach der
andern Seite hin und zwar in sehr bedenklicher Weise. Man muß, um diesen
Nachtheil ganz zu würdigen, sich über den Unterschied der Quellen, woher in
dem einen oder dem ändern Falle das Geld fließt, klar werden. DaS Geld,
welches die Bankiers dem Staate verschaffen, war schon vorher zu seinem
größten Theile zu Finanzoperationen dieser Art bestimmt, und der Rest ist
meist mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit herbeizubringen, ohne daß in der
Regel der eigentliche Handelsverkehr dadurch unmittelbar beeinträchtigt wird;
daS Geld dagegen, welches aus vielen taufenden von Zeichnungen aus der
Mitte des Volkes heraus den Staatskassen als Darlehn zufließt, wird ebenso
vielen Thätigkeiten entzogen, aus denen das Wohl der Einzelnen wie das des
Staates beruht. Was die Negierung erhält, das muß auf den Gebieten deS
Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues entbehrt werden und somit nachher
zu Stockungen aller Art führen, und wenn auch ein Theil dieses Geldes wieder
in Gestalt von Staatsobligationen in den Verkehr zurückkehrt, so sind doch
diese als Umsatzmittel nicht gleich brauchbar, befördern vielleicht gar Bestre¬
bungen, welche der allgemeinen Wohlfahrt sehr leicht schädlich werden können.


fuß unterhalb deS in den Staatsobligationen zugesicherten Zinses gesunken ist.
Die erste Operation involvirt eine bedenkliche Uebervvrtheilung der Gläubiger
zu Gunsten des Staates, da sie statt des Kaufpreises nur den Nominalwerth,
zuweilen auch mit einem Ausschlag darüber erhalten würden, falls sie die
Auszahlung vorzögen, während sich sehr vieles für, nichts gegen die letztere
sagen läßt. Der Staat gewinnt dabei entweder die Differenz der nunmehr
ersparten Zinsen, wobei selbst ein größer gewordener Betrag der öffentlichen
Schuld wenig ausmacht, da man wol annehmen darf, daß im regelmäßigen
Verlaufe der Dinge an die Tilgung derselben nicht gedacht werden kann, es
daher auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht ankommt. Die ganze
Zinsreduction ist meistens eine äußerst verwickelte Combination von Zahlen
und Verhältnissen und nur mit Hilfe der großen Bankiers durchzuführen,
welche die Fäden des Börsenverkehrs besitzen, in deren Händen daher auch
regelmäßig ansehnliche Gewinne zurückbleiben.

Angesichts der großen Vortheile, welche Rothschild und Genossen aus
den Staatsanleihen und sonstigen Geldgeschäften mit den Regierungen ziehen,
ist die Frage nicht müßig, ob dieselben ihres Beistandes nicht besser entbehren
und den Gewinn selbst einstreichen könnten, ein Verfahren, daS bekanntlich in
neuester Zeit mehre Male mit Erfolg von der östreichischen wie von der fran¬
zösischen Regierung eingeschlagen worden ist, als sie sich sür ihre Anleihen un¬
mittelbar an daS große Puvlicum wandten. Ungeachtet dieses Erfolgs möchten
wir jedoch kaum für rathsam halten, daß daS System der directen Anleihen
ein regelmäßiges Hilfsmittel der hohen Finanz werde; denn was eine
Negierung etwa an Kosten und Zinsen erspart, verliert das Land nach der
andern Seite hin und zwar in sehr bedenklicher Weise. Man muß, um diesen
Nachtheil ganz zu würdigen, sich über den Unterschied der Quellen, woher in
dem einen oder dem ändern Falle das Geld fließt, klar werden. DaS Geld,
welches die Bankiers dem Staate verschaffen, war schon vorher zu seinem
größten Theile zu Finanzoperationen dieser Art bestimmt, und der Rest ist
meist mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit herbeizubringen, ohne daß in der
Regel der eigentliche Handelsverkehr dadurch unmittelbar beeinträchtigt wird;
daS Geld dagegen, welches aus vielen taufenden von Zeichnungen aus der
Mitte des Volkes heraus den Staatskassen als Darlehn zufließt, wird ebenso
vielen Thätigkeiten entzogen, aus denen das Wohl der Einzelnen wie das des
Staates beruht. Was die Negierung erhält, das muß auf den Gebieten deS
Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues entbehrt werden und somit nachher
zu Stockungen aller Art führen, und wenn auch ein Theil dieses Geldes wieder
in Gestalt von Staatsobligationen in den Verkehr zurückkehrt, so sind doch
diese als Umsatzmittel nicht gleich brauchbar, befördern vielleicht gar Bestre¬
bungen, welche der allgemeinen Wohlfahrt sehr leicht schädlich werden können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/94>, abgerufen am 12.12.2024.