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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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zur niedrigsten Magd; nothdürftig bekleidet muß sie im strengsten Winter hin¬
aus, um Holz und Wasser zu holen; die ekelhaftesten Neinigungsoperationen
sind ihr Geschäft -- sie soll christliche Demuth lernen. Und sie lernt in der
That auf diese Weise christliche Demuth, bis sie zur Jungfrau heranwächst --
aber was in ihrem Innern vorgeht, das ist gewiß nicht christlich. Fangen erst
die Gedanken an klar zu werden, lernt sie erst ihre Lage beurtheilen, so sammelt
sich ein Gift in ihrem Herzen, das fortgährt in ihr bis an das Grab. Sie
flucht den Eltern, die ihr das Leben gegeben; nichts ist ihr heilig; denn daS
Heiligste hat sie betrogen -- die Mutterliebe. Hinaus aus dem Kloster kann
sie nicht mehr -- das ganze Streben geht also darauf hin, den Stand der
Laienschwester loszuwerden und den Schleier zu erhalten, um selbst die Herrin
zu spielen statt zu gehorchen. Sie wird eingekleidet. Vater und Mutter woh¬
nen gerührt der heiligen Handlung bei, kaufen ihr einen Bauplatz, lassen die
sogenannte Zelle, ein Häuschen von 3--4 Zimmern bauen und einrichten, und
setzen der jungen Nonne einen Jahrgehalt aus. Nun beginnt ein neues Leben.
Sie geräth in den Kreis anderer Nonnen, die ebensowenig Vocation haben
als sie selbst, und ein zügelloses Rennen und Treiben nach Entschädigung
für das überstandene Elend vertritt die Stelle der Kasteiungen und Gebete.

Man darf den Blick nicht mit Abscheu von diesem Bilde wenden, wie es
so mancher thut; die geheimen Greuel, die unter dem Deckmantel der profa-
nirten Religion verübt, die Orgien entfesselter Sinnlichkeit, die hier gefeiert
werden, sind freilich ekelerregend, aber die Eltern tragen mehr die Schuld als
die Sünderinnen selbst. So leben diese Nonnen das weltlichste, wüsteste Leben,
bis das Alter ihr Blut zu ruhigerem Kreislauf zwingt. Dann tritt die Leere
des Herzens ein, jene unendliche Leere, die auch eine rohere Natur bei dem
Rückblick auf ein nichtswürdig vertrödeltes Leben fühlen muß. Alles, was das
Alter beglückt, fehlt ihnen; keine Familie erheitert den Abend ihres Lebens, der
Trost der Religion reicht nicht aus, wenn man seit früher Jugend auch nur gezwun¬
gen die äußeren Gebräuche mitgemacht hat. Grämlich wankt die Greisin am
Stäbe umher, sieht mit Neid und Mißgunst auf die Jugend, die noch mit Lust
und Eifer sündigen kann, und stirbt endlich unbetrauert und unbeweint!

Da ist nun am Ende wenig übrig geblieben von dem fröhlichen Leben,
das dem fremden Gaste in den Frauenklöstern entgegentritt. Wir haben uns
von dem Gegenstand nicht trennen können und ihn vielleicht etwas zu weit-
läufig ausgesponnen; er gehört aber zu denjenigen, die grade zur Zeit der
Reorganisation der Fürstenthümer allgemein bekannt werden müssen. Möchten
diese Blätter Leuten in die Hände fallen, die ein Wort mitzusprechen hal'en!

Die rumänische Geistlichkeit hat in den letzten 16-20 Jahren bedeu¬
tende Fortschritte gemacht. Von der früheren traditionellen Rohheit und Un¬
wissenheit findet man nur unter den Dorfpopen noch zahlreiche Beispiele --


zur niedrigsten Magd; nothdürftig bekleidet muß sie im strengsten Winter hin¬
aus, um Holz und Wasser zu holen; die ekelhaftesten Neinigungsoperationen
sind ihr Geschäft — sie soll christliche Demuth lernen. Und sie lernt in der
That auf diese Weise christliche Demuth, bis sie zur Jungfrau heranwächst —
aber was in ihrem Innern vorgeht, das ist gewiß nicht christlich. Fangen erst
die Gedanken an klar zu werden, lernt sie erst ihre Lage beurtheilen, so sammelt
sich ein Gift in ihrem Herzen, das fortgährt in ihr bis an das Grab. Sie
flucht den Eltern, die ihr das Leben gegeben; nichts ist ihr heilig; denn daS
Heiligste hat sie betrogen — die Mutterliebe. Hinaus aus dem Kloster kann
sie nicht mehr — das ganze Streben geht also darauf hin, den Stand der
Laienschwester loszuwerden und den Schleier zu erhalten, um selbst die Herrin
zu spielen statt zu gehorchen. Sie wird eingekleidet. Vater und Mutter woh¬
nen gerührt der heiligen Handlung bei, kaufen ihr einen Bauplatz, lassen die
sogenannte Zelle, ein Häuschen von 3—4 Zimmern bauen und einrichten, und
setzen der jungen Nonne einen Jahrgehalt aus. Nun beginnt ein neues Leben.
Sie geräth in den Kreis anderer Nonnen, die ebensowenig Vocation haben
als sie selbst, und ein zügelloses Rennen und Treiben nach Entschädigung
für das überstandene Elend vertritt die Stelle der Kasteiungen und Gebete.

Man darf den Blick nicht mit Abscheu von diesem Bilde wenden, wie es
so mancher thut; die geheimen Greuel, die unter dem Deckmantel der profa-
nirten Religion verübt, die Orgien entfesselter Sinnlichkeit, die hier gefeiert
werden, sind freilich ekelerregend, aber die Eltern tragen mehr die Schuld als
die Sünderinnen selbst. So leben diese Nonnen das weltlichste, wüsteste Leben,
bis das Alter ihr Blut zu ruhigerem Kreislauf zwingt. Dann tritt die Leere
des Herzens ein, jene unendliche Leere, die auch eine rohere Natur bei dem
Rückblick auf ein nichtswürdig vertrödeltes Leben fühlen muß. Alles, was das
Alter beglückt, fehlt ihnen; keine Familie erheitert den Abend ihres Lebens, der
Trost der Religion reicht nicht aus, wenn man seit früher Jugend auch nur gezwun¬
gen die äußeren Gebräuche mitgemacht hat. Grämlich wankt die Greisin am
Stäbe umher, sieht mit Neid und Mißgunst auf die Jugend, die noch mit Lust
und Eifer sündigen kann, und stirbt endlich unbetrauert und unbeweint!

Da ist nun am Ende wenig übrig geblieben von dem fröhlichen Leben,
das dem fremden Gaste in den Frauenklöstern entgegentritt. Wir haben uns
von dem Gegenstand nicht trennen können und ihn vielleicht etwas zu weit-
läufig ausgesponnen; er gehört aber zu denjenigen, die grade zur Zeit der
Reorganisation der Fürstenthümer allgemein bekannt werden müssen. Möchten
diese Blätter Leuten in die Hände fallen, die ein Wort mitzusprechen hal'en!

Die rumänische Geistlichkeit hat in den letzten 16-20 Jahren bedeu¬
tende Fortschritte gemacht. Von der früheren traditionellen Rohheit und Un¬
wissenheit findet man nur unter den Dorfpopen noch zahlreiche Beispiele —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/84>, abgerufen am 22.07.2024.