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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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gewähren dem Tageslicht grade nur so viel Einlaß, als man braucht. Runde,
ovale und viereckige Tische mit Uhren, Porzellansiguren, Tabaksbüchsen, hin
und wieder auch mit einem aufgeschlagenen Roman, geben den Räumen etwas
sehr Wohnliches, und wenn die eigenthümlichen Filzkappen der Damen nicht
daran erinnerten, nie könnte es einem einfallen, man sei in einem Kloster.

Kaum sind die Gäste über die Schwelle getreten, so empfängt sie eine Laien¬
schwester mit einem großen Präsentirteller und bietet ihnen eingemachtes Obst
und Wasser in geschliffenem Krystall zur Erquickung an. Diese Sitte ist in
den rumänischen Ländern ganz allgemein; die Güte der Confitüren, die man
in einem Hause genießt, dient daher gleichsam als Barometer der Tüchtigkeit
der Hausfrau, und in keinem Lande ist die Mannigfaltigkeit der dargereichten
Süßigkeiten größer; sogar Blumen werden in Zucker gekocht, und Bericht¬
erstatter hat selbst mit Vergnügen Rosen, Veilchen, Nenuphar und Linden¬
blüten gegessen. Die Laienschwester macht die Runde mit ihrem Plateau und
verbeugt sich tief, indem sie ihre Erfrischungen anbietet. Darauf wird tür¬
kischer Kasse gereicht, die Gäste rauchen ihre Pfeifen oder Cigarren an und
lassen sich häuslich nieder, bis das Nachtmahl ausgetragen wird. Dieses er¬
scheint nicht etwa auf irdenen Schalen, sondern auf feinem Porzellan, mit
obligater Begleitung von silbernen Gabeln und Messern, und von den Wur¬
zeln, mit 'denen sich in alten Zeiten die Anachoreten den Magen verdorben
haben sollen, sind nur die civilisirten Nachkommen in Gestalt von Spargeln
und Artischocken zu sehen. Die ungebundenste Fröhlichkeit herrscht in dem
Kreise, nur für die Herren ist gedeckt, die Nonnen stehen und sitzen umher,
bedienen ihre Gäste scherzend, wenn die Laienschwestern grade abwesend sind,
und bekommen auch wol hier und da ein Stückchen Kuchen, einen Hühner¬
flügel oder ein Glas Wein. Für die Nacht wird man auf eine dem Ganzen
entsprechende Weise untergebracht und zieht endlich wieder ab mit dem Ge¬
danken: es ist doch ein herrliches, fröhliches Leben in so einem moldauischen
Frauenkloster!

Gibt man sich aber die Mühe, etwas tiefer einzudringen in die excep¬
tionelle Existenz dieser Frauen, so stößt man auf Bilder, deren tiefer, tiefer
Schatten alle Lichteffecte des oben geschilderten fröhlichen Lebens verdunkelt.
Wenn man von den Nonnen spricht, so darf man sie vor allen Dingen nicht
sammt und sonders über einen Leisten schlagen. Sie zerfallen in drei leicht
zu unterscheidende Kategorien. Zu der ersten sind, ohne Unterschied des
Standes, in welchem sie geboren, alle diejenigen zu rechnen, die aus innerem
Drang "und Beruf den Schleier genommen. Ihre Zahl mag klein sein,
und verschwindet in der That bei einem flüchtigen Besuch unter 6 bis 800
Nonnen der größeren Klöster, aber eine solche Kategorie eristirt dennoch, wir
kennen persönlich achtungswerthe Frauen, die dazu gehören und, ohne Miß-


gewähren dem Tageslicht grade nur so viel Einlaß, als man braucht. Runde,
ovale und viereckige Tische mit Uhren, Porzellansiguren, Tabaksbüchsen, hin
und wieder auch mit einem aufgeschlagenen Roman, geben den Räumen etwas
sehr Wohnliches, und wenn die eigenthümlichen Filzkappen der Damen nicht
daran erinnerten, nie könnte es einem einfallen, man sei in einem Kloster.

Kaum sind die Gäste über die Schwelle getreten, so empfängt sie eine Laien¬
schwester mit einem großen Präsentirteller und bietet ihnen eingemachtes Obst
und Wasser in geschliffenem Krystall zur Erquickung an. Diese Sitte ist in
den rumänischen Ländern ganz allgemein; die Güte der Confitüren, die man
in einem Hause genießt, dient daher gleichsam als Barometer der Tüchtigkeit
der Hausfrau, und in keinem Lande ist die Mannigfaltigkeit der dargereichten
Süßigkeiten größer; sogar Blumen werden in Zucker gekocht, und Bericht¬
erstatter hat selbst mit Vergnügen Rosen, Veilchen, Nenuphar und Linden¬
blüten gegessen. Die Laienschwester macht die Runde mit ihrem Plateau und
verbeugt sich tief, indem sie ihre Erfrischungen anbietet. Darauf wird tür¬
kischer Kasse gereicht, die Gäste rauchen ihre Pfeifen oder Cigarren an und
lassen sich häuslich nieder, bis das Nachtmahl ausgetragen wird. Dieses er¬
scheint nicht etwa auf irdenen Schalen, sondern auf feinem Porzellan, mit
obligater Begleitung von silbernen Gabeln und Messern, und von den Wur¬
zeln, mit 'denen sich in alten Zeiten die Anachoreten den Magen verdorben
haben sollen, sind nur die civilisirten Nachkommen in Gestalt von Spargeln
und Artischocken zu sehen. Die ungebundenste Fröhlichkeit herrscht in dem
Kreise, nur für die Herren ist gedeckt, die Nonnen stehen und sitzen umher,
bedienen ihre Gäste scherzend, wenn die Laienschwestern grade abwesend sind,
und bekommen auch wol hier und da ein Stückchen Kuchen, einen Hühner¬
flügel oder ein Glas Wein. Für die Nacht wird man auf eine dem Ganzen
entsprechende Weise untergebracht und zieht endlich wieder ab mit dem Ge¬
danken: es ist doch ein herrliches, fröhliches Leben in so einem moldauischen
Frauenkloster!

Gibt man sich aber die Mühe, etwas tiefer einzudringen in die excep¬
tionelle Existenz dieser Frauen, so stößt man auf Bilder, deren tiefer, tiefer
Schatten alle Lichteffecte des oben geschilderten fröhlichen Lebens verdunkelt.
Wenn man von den Nonnen spricht, so darf man sie vor allen Dingen nicht
sammt und sonders über einen Leisten schlagen. Sie zerfallen in drei leicht
zu unterscheidende Kategorien. Zu der ersten sind, ohne Unterschied des
Standes, in welchem sie geboren, alle diejenigen zu rechnen, die aus innerem
Drang «und Beruf den Schleier genommen. Ihre Zahl mag klein sein,
und verschwindet in der That bei einem flüchtigen Besuch unter 6 bis 800
Nonnen der größeren Klöster, aber eine solche Kategorie eristirt dennoch, wir
kennen persönlich achtungswerthe Frauen, die dazu gehören und, ohne Miß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/82>, abgerufen am 03.07.2024.