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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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begonnen, und schon -I8ö4 befuhr man sie von Alerandrien bis Kcifr Seyat am
Nil. Das Verdienst dabei war jedoch nicht sehr groß; denn einestheils ist das
Terrain äußerst günstig, und anderntheils waren eS die bei dem Unternehmen
vorzüglich interessirten Engländer, welche den Bau durchsetzten und beschleunigte".
Der Pascha nahm nnr insofern ein lebhaftes Interesse an der Sache, als ihm
die Bahn beträchtlichen Gewinn an Geld verhieß. Als der Krieg zwischen
Rußland und der Pforte ausbrach, stellte auch Aegypten sein Contingent dazu.
Man halte anfangs -die Absicht, auch die Kopten, welche man in die Regimen¬
ter eingereiht, unter dem Halbmond kämpfen zu lassen, stand indeß zuletzt da¬
von ab und verwendete sie als Arbeiter am Damm der Eisenbahn. Die ägyp¬
tischen Hilfstruppen bestanden in -15,000 Mann Fußvolk, denen später ein gut
berittenes, aber ziemlich unpraktisch und geschmacklos equipirtes Kürassierregimenr
nach der Krim folgte. Die Hilfsflotte war I I Kriegsschiffe stark, die in der
kurzen Zeit von zwei Wochen ausgerüstet wurden. Es ist damals in den
Zeitungen viel von dem vortrefflichen Aussehen dieser ägyptischen Soldaten zu
lesen gewesen. Unparteiische Augenzeugen urtheilten anders und nannten Be¬
kleidung und Bewaffnung überaus mangelhaft, während die Verprovianlirung
fast noch kläglicher als die der Türken in Balallawa gewesen sein soll. Geschlagen
aber haben sie sich gut. Geduld, Gehorsam und Arbeit -- auch Blutarbeit --
ohne Murren, diese Eigenschaften der alten Aegypter sind auch die der heutigen.
Sie verrichten Heldenthaten, wenn es befohlen wird, verhungern ohne Klage,
wenn es nicht anders geht. Eigner Trieb zu Arbeit und Kampf ist wenig
dabei. Sie hauen sich die Zeigefinger ab, um das Gewehr nicht losdrücken zu
können, reißen sich das rechte Auge aus, um nicht zielen zu können und so
der Aushebung zu entgehen. Sie weinen wie die Kinder, wenn der Dvrfrichter
(Schech el belev) sie als Recruten abliefert. Aber wenn dem harten Schicksal
nicht mehr zu entfliehen ist, ergeben sie sich in Allahs Willen, und wenn ihnen
auf dem Schlachlfelve der Tod ruft, suchen sie im Fallen mit dem Kopfe die
Richtung nach Mekka und rühren sich nimmer.

Abbas Pascha war eben dabei, dem ohnehin beschränkten Handel neue
Fesseln anzulegen, als ihn in der Nacht vom -12. auf den -13. Juli -1864 in
seinem Palaste zu Benda am Nil der Tod ereilte. Es hieß, ein Schlagfluß
habe ihn getroffen, und so berichteten uns damals auch die Zeitungen. Es
wirb aber der Schlagfluß gewesen sein, welcher in der russischen Kaiserfamilie
ein Zeit lang erblich zu sein schien. Seine Diener fanden ihn am Morgen
todt auf dem Divan. Verschiedene werthvolle Gegenstände waren aus dem
Zimmer entwendet, zwei seiner Mamelucken entflohen. Seine Leiche wurde in
aller Stille nach Kairo geschafft und dort in der Familiengruft beigesetzt. Er
war i3 Jahre alt geworden. Das Urtheil, welches die Geschichte über ihn
fällen wird, lautet nicht günstig. Schon bei seinem Regierungsantritt war se",


begonnen, und schon -I8ö4 befuhr man sie von Alerandrien bis Kcifr Seyat am
Nil. Das Verdienst dabei war jedoch nicht sehr groß; denn einestheils ist das
Terrain äußerst günstig, und anderntheils waren eS die bei dem Unternehmen
vorzüglich interessirten Engländer, welche den Bau durchsetzten und beschleunigte».
Der Pascha nahm nnr insofern ein lebhaftes Interesse an der Sache, als ihm
die Bahn beträchtlichen Gewinn an Geld verhieß. Als der Krieg zwischen
Rußland und der Pforte ausbrach, stellte auch Aegypten sein Contingent dazu.
Man halte anfangs -die Absicht, auch die Kopten, welche man in die Regimen¬
ter eingereiht, unter dem Halbmond kämpfen zu lassen, stand indeß zuletzt da¬
von ab und verwendete sie als Arbeiter am Damm der Eisenbahn. Die ägyp¬
tischen Hilfstruppen bestanden in -15,000 Mann Fußvolk, denen später ein gut
berittenes, aber ziemlich unpraktisch und geschmacklos equipirtes Kürassierregimenr
nach der Krim folgte. Die Hilfsflotte war I I Kriegsschiffe stark, die in der
kurzen Zeit von zwei Wochen ausgerüstet wurden. Es ist damals in den
Zeitungen viel von dem vortrefflichen Aussehen dieser ägyptischen Soldaten zu
lesen gewesen. Unparteiische Augenzeugen urtheilten anders und nannten Be¬
kleidung und Bewaffnung überaus mangelhaft, während die Verprovianlirung
fast noch kläglicher als die der Türken in Balallawa gewesen sein soll. Geschlagen
aber haben sie sich gut. Geduld, Gehorsam und Arbeit — auch Blutarbeit —
ohne Murren, diese Eigenschaften der alten Aegypter sind auch die der heutigen.
Sie verrichten Heldenthaten, wenn es befohlen wird, verhungern ohne Klage,
wenn es nicht anders geht. Eigner Trieb zu Arbeit und Kampf ist wenig
dabei. Sie hauen sich die Zeigefinger ab, um das Gewehr nicht losdrücken zu
können, reißen sich das rechte Auge aus, um nicht zielen zu können und so
der Aushebung zu entgehen. Sie weinen wie die Kinder, wenn der Dvrfrichter
(Schech el belev) sie als Recruten abliefert. Aber wenn dem harten Schicksal
nicht mehr zu entfliehen ist, ergeben sie sich in Allahs Willen, und wenn ihnen
auf dem Schlachlfelve der Tod ruft, suchen sie im Fallen mit dem Kopfe die
Richtung nach Mekka und rühren sich nimmer.

Abbas Pascha war eben dabei, dem ohnehin beschränkten Handel neue
Fesseln anzulegen, als ihn in der Nacht vom -12. auf den -13. Juli -1864 in
seinem Palaste zu Benda am Nil der Tod ereilte. Es hieß, ein Schlagfluß
habe ihn getroffen, und so berichteten uns damals auch die Zeitungen. Es
wirb aber der Schlagfluß gewesen sein, welcher in der russischen Kaiserfamilie
ein Zeit lang erblich zu sein schien. Seine Diener fanden ihn am Morgen
todt auf dem Divan. Verschiedene werthvolle Gegenstände waren aus dem
Zimmer entwendet, zwei seiner Mamelucken entflohen. Seine Leiche wurde in
aller Stille nach Kairo geschafft und dort in der Familiengruft beigesetzt. Er
war i3 Jahre alt geworden. Das Urtheil, welches die Geschichte über ihn
fällen wird, lautet nicht günstig. Schon bei seinem Regierungsantritt war se„,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/520>, abgerufen am 24.08.2024.