Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.ober bei näherer Betrachtung sehr zusammen. ES ist nämlich äußerst fraglich, Hat England und Norddeutschland infolgedessen vom kommerziellen Stand¬ ober bei näherer Betrachtung sehr zusammen. ES ist nämlich äußerst fraglich, Hat England und Norddeutschland infolgedessen vom kommerziellen Stand¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104715"/> <p xml:id="ID_1348" prev="#ID_1347"> ober bei näherer Betrachtung sehr zusammen. ES ist nämlich äußerst fraglich,<lb/> ol> die durch den Kanal bewirkte Verkürzung des Wegs ^für die Schiffe nörd¬<lb/> licher Länder wie England, Deutschland und Skandinavien eine entsprechende,<lb/> ja ob sie überhaupt eine Zeitersparnis) mit sich bringt; denn hier vertauscht man<lb/> ein für die Schifffahrt verhältnißmäßig günstiges Gewässer, das atlantische Meer<lb/> mit bei weitem schwierigeren Meeren, dem mittelländischen und dem rothen, und<lb/> Sachkundige stellen es sogar ganz entschieden in Abrede, daß Segelschiffe, von Eng¬<lb/> land, Nordfrankreich und Deutschland Nach Indien bestimmt, sich von dem Zustande¬<lb/> kommen des lessepSschen Projects irgend eine Zeitersparniß versprechen dürfen.<lb/> Somit fiele in Betreff der Segelschifffahrt nur den Häfen des Mittelmeers und<lb/> des schwarzen — Marseille, Genua, Trieft, Konstantinopel und Odessa— ein Vor¬<lb/> teil zu. Die atlantischen Hafenplätze hätten nur für ihre Dampfschiffe Zeit¬<lb/> ersparniß zu erwarten. Dem damit verbundenen immerhin erheblichen Gewinn<lb/> steht aber wieder die Kostspieligkeit der Steinkohlen an den Küsten des rothen<lb/> Meeres entgegen. Im Jahre 1831 kosteten diese auf der Strecke von Suez<lb/> bis Ad«n dreimal mehr als auf der Strecke von Plymouth bis Alerandrien,<lb/> und so dürfte sich der Gewinn, der den nordeuropäischen Ländern mit dem<lb/> Suezkanal in Aussicht gestellt wurde, in der nüchternen Wirklichkeit auf einen<lb/> sehr geringen Betrag reduciren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1349" next="#ID_1350"> Hat England und Norddeutschland infolgedessen vom kommerziellen Stand¬<lb/> punkte kein Interesse dabei, daß die Idee des Herrn von Lesseps ins Leben tritt, so<lb/> muß ersteres aus politischen Rücksichten sich sogar mit aller Macht gegen das<lb/> Project wehren. Wie das kleine Nicaragua durch eine sein Gebiet durchschnei-<lb/> dende Wasserverbindung zwischen dem atlantischen und dem stillen Ocean<lb/> das wichtigste Land Amerikas werden müßte, so würde Aegypten durch den<lb/> Suezkanal eines der bedeutendsten Länder der alten Welt werden. Wie jetzt<lb/> Alerandrien von Europäern der benachbarten Küsten und Inseln schwärmt und<lb/> von Jahr zu Jahr mehr eine italienische Physiognomie annimmt, so würde<lb/> dann in wenigen Decennien das ganze Nilgebiet bis weit über Kairo hinauf<lb/> von Italienern und Franzosen überschwemmt und besiedelt sein. Der Schwer¬<lb/> punkt des türkischen Reichs würde dadurch vom Norden nach Süden, von<lb/> Konstantinopel nach Kairo verrückt werden, und diese Verrückung deS Schwer¬<lb/> punkts müßte sehr bald zur Losreißung Aegyptens von der Herrschaft der<lb/> Pforte führen. Ein Fürsichbestehen Aegyptens alö eignes Reich unter einem<lb/> mohammedanischen Fürsten wäre in diesem Falle, wo die Europäer sich in sol¬<lb/> cher Ausdehnung ausgebreitet hätten, nicht wol denkbar. Welcher Europäer<lb/> unterwürfe sich, wenn er nicht müßte, der Willkür und dem Jntrignenfpiel eines<lb/> orientalischen Hofes? Und würden die neuen Ansiedler bel dem Bewußtsein,<lb/> die eigentliche Macht des Landes zu bilden, eS sich gefallen lassen, ^aß die<lb/> Hilfsquellen deS Landes nach der Laune und zum alleinigen Vortheil des Pa-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0514]
ober bei näherer Betrachtung sehr zusammen. ES ist nämlich äußerst fraglich,
ol> die durch den Kanal bewirkte Verkürzung des Wegs ^für die Schiffe nörd¬
licher Länder wie England, Deutschland und Skandinavien eine entsprechende,
ja ob sie überhaupt eine Zeitersparnis) mit sich bringt; denn hier vertauscht man
ein für die Schifffahrt verhältnißmäßig günstiges Gewässer, das atlantische Meer
mit bei weitem schwierigeren Meeren, dem mittelländischen und dem rothen, und
Sachkundige stellen es sogar ganz entschieden in Abrede, daß Segelschiffe, von Eng¬
land, Nordfrankreich und Deutschland Nach Indien bestimmt, sich von dem Zustande¬
kommen des lessepSschen Projects irgend eine Zeitersparniß versprechen dürfen.
Somit fiele in Betreff der Segelschifffahrt nur den Häfen des Mittelmeers und
des schwarzen — Marseille, Genua, Trieft, Konstantinopel und Odessa— ein Vor¬
teil zu. Die atlantischen Hafenplätze hätten nur für ihre Dampfschiffe Zeit¬
ersparniß zu erwarten. Dem damit verbundenen immerhin erheblichen Gewinn
steht aber wieder die Kostspieligkeit der Steinkohlen an den Küsten des rothen
Meeres entgegen. Im Jahre 1831 kosteten diese auf der Strecke von Suez
bis Ad«n dreimal mehr als auf der Strecke von Plymouth bis Alerandrien,
und so dürfte sich der Gewinn, der den nordeuropäischen Ländern mit dem
Suezkanal in Aussicht gestellt wurde, in der nüchternen Wirklichkeit auf einen
sehr geringen Betrag reduciren.
Hat England und Norddeutschland infolgedessen vom kommerziellen Stand¬
punkte kein Interesse dabei, daß die Idee des Herrn von Lesseps ins Leben tritt, so
muß ersteres aus politischen Rücksichten sich sogar mit aller Macht gegen das
Project wehren. Wie das kleine Nicaragua durch eine sein Gebiet durchschnei-
dende Wasserverbindung zwischen dem atlantischen und dem stillen Ocean
das wichtigste Land Amerikas werden müßte, so würde Aegypten durch den
Suezkanal eines der bedeutendsten Länder der alten Welt werden. Wie jetzt
Alerandrien von Europäern der benachbarten Küsten und Inseln schwärmt und
von Jahr zu Jahr mehr eine italienische Physiognomie annimmt, so würde
dann in wenigen Decennien das ganze Nilgebiet bis weit über Kairo hinauf
von Italienern und Franzosen überschwemmt und besiedelt sein. Der Schwer¬
punkt des türkischen Reichs würde dadurch vom Norden nach Süden, von
Konstantinopel nach Kairo verrückt werden, und diese Verrückung deS Schwer¬
punkts müßte sehr bald zur Losreißung Aegyptens von der Herrschaft der
Pforte führen. Ein Fürsichbestehen Aegyptens alö eignes Reich unter einem
mohammedanischen Fürsten wäre in diesem Falle, wo die Europäer sich in sol¬
cher Ausdehnung ausgebreitet hätten, nicht wol denkbar. Welcher Europäer
unterwürfe sich, wenn er nicht müßte, der Willkür und dem Jntrignenfpiel eines
orientalischen Hofes? Und würden die neuen Ansiedler bel dem Bewußtsein,
die eigentliche Macht des Landes zu bilden, eS sich gefallen lassen, ^aß die
Hilfsquellen deS Landes nach der Laune und zum alleinigen Vortheil des Pa-
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