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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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jeden Tag zwischen' Alerandrien und. Kairo hin und her, einen Tarbusch auf
dem Kopfe, eine Kuffia darüber, eine Kurbatsche in der Hand, im Uebrigen
Gentleman. Nächstes Jahr wollte er nach Persien, dann, wenn wir recht
berichtet wurden, nach Indien, dann endlich heim auf sei" Katheder. Sehr
praktisch! Fast zu praktisch -- aber ob es dem Herrn schmecken wir"?

Die Deutschen sind in Aegypten überhaupt nicht zahl"eich. Die meisten
wohnen in Alerandrien, wo ein Theil derselben, worunter viele Schweizer und
einige deutschsprechende Ungarn, sich des Abends in einem ziemlich elegant ein¬
gerichteten Clubhause zusammenfindet. In Kairo mögen circa hundert Personen
sein, deren Sprache im täglichen Verkehr und im Hause die deutsche ist, wäh¬
rend sie nebenher noch italienisch und in der Regel auch ein wenig arabisch
reden. Auch sie haben einen Club, wo sie die augSburger Allgemeine lesen und
nach vaterländischer Weise gebrautes Bier dazu trinken, und dessen Versamm-
lungslocal mit östreichischen, preußischen und schweizerischen Fahnen recht anmu¬
thig herausgeputzt ist. Stärker sind die Franzosen vertreten, von denen mehre
dem Vicekönig nahe stehen. Während unsre Landsleute großenteils Hand¬
werker oder kleine Handelsleute sind und sich in bescheidnerer Weise empor¬
zuhelfen suchen, haben die Franzosen, von ihrem Generalconsul mit Eifer pro-
tegirt, als Großhändler oft einträgliche Lieferungen in den Händen, und
nehmen fast alle guten Stellen, so weit sie an Fremde vergeben werden, bei
Fabriken, Bauten und sonstigen öffentlichen Unternehmungen ein, nicht eben zum
Nutzen des Landes, wie der halb unbrauchbare Mahmudiekanal, die im zweiten
Abschnitte erwähnte Nilschleuße und manche andere nach dem Plan und unter
der Leitung französischer Ingenieure entstandene Arbeit zur Genüge beweisen,
und wie in neuester Zeit namentlich die mit so großen Kosten vorbereitete und
so kläglich abgelaufene Erpedition gezeigt hat, welche der Graf Escayrac de
Lauture zur Entdeckung der Nilquellen unternehmen sollte.

Bei einem Empfang der Consuln in Kairo, wo von den vielen vergeblichen
Versuchen, jene Quellen zu entdecken, die Rede gewesen, hatte Said Pascha
den Entschluß gefaßt, seine Regierung durch Auffindung derselben zu bezeichnen.
Männer der Wissenschaft, aus allen Nationen gewählt, sollten unter Bedeckung
von einigen hundert ägyptischen Soldaten nach dieser Richtung aufbrechen und
in liberalster Weise die erforderlichen Mittel dazu angewiesen werden. Wem die
Leitung der wissenschaftlichen Arbeiten zu übertragen sei, wußte man zunächst
nicht. Der französische Generalconsul indeß schaffte Rath. Es lebte in Kairo
der Graf Escayrac, der, früher Marincbeamler, sich in den letzten Jahren in
Syrien und Aegypten aufgehalten, eine kleine Reise nach dem Sudan gemacht,
und ein Buch darüber veröffentlicht hatte, an dem das, was er Andern nach¬
geschrieben, das Beste war. Das war der rechte Mann, schon weil er Fran¬
zose war, wie der Generalconsul und wie der Herr von Lessepö, der damals


jeden Tag zwischen' Alerandrien und. Kairo hin und her, einen Tarbusch auf
dem Kopfe, eine Kuffia darüber, eine Kurbatsche in der Hand, im Uebrigen
Gentleman. Nächstes Jahr wollte er nach Persien, dann, wenn wir recht
berichtet wurden, nach Indien, dann endlich heim auf sei» Katheder. Sehr
praktisch! Fast zu praktisch — aber ob es dem Herrn schmecken wir»?

Die Deutschen sind in Aegypten überhaupt nicht zahl»eich. Die meisten
wohnen in Alerandrien, wo ein Theil derselben, worunter viele Schweizer und
einige deutschsprechende Ungarn, sich des Abends in einem ziemlich elegant ein¬
gerichteten Clubhause zusammenfindet. In Kairo mögen circa hundert Personen
sein, deren Sprache im täglichen Verkehr und im Hause die deutsche ist, wäh¬
rend sie nebenher noch italienisch und in der Regel auch ein wenig arabisch
reden. Auch sie haben einen Club, wo sie die augSburger Allgemeine lesen und
nach vaterländischer Weise gebrautes Bier dazu trinken, und dessen Versamm-
lungslocal mit östreichischen, preußischen und schweizerischen Fahnen recht anmu¬
thig herausgeputzt ist. Stärker sind die Franzosen vertreten, von denen mehre
dem Vicekönig nahe stehen. Während unsre Landsleute großenteils Hand¬
werker oder kleine Handelsleute sind und sich in bescheidnerer Weise empor¬
zuhelfen suchen, haben die Franzosen, von ihrem Generalconsul mit Eifer pro-
tegirt, als Großhändler oft einträgliche Lieferungen in den Händen, und
nehmen fast alle guten Stellen, so weit sie an Fremde vergeben werden, bei
Fabriken, Bauten und sonstigen öffentlichen Unternehmungen ein, nicht eben zum
Nutzen des Landes, wie der halb unbrauchbare Mahmudiekanal, die im zweiten
Abschnitte erwähnte Nilschleuße und manche andere nach dem Plan und unter
der Leitung französischer Ingenieure entstandene Arbeit zur Genüge beweisen,
und wie in neuester Zeit namentlich die mit so großen Kosten vorbereitete und
so kläglich abgelaufene Erpedition gezeigt hat, welche der Graf Escayrac de
Lauture zur Entdeckung der Nilquellen unternehmen sollte.

Bei einem Empfang der Consuln in Kairo, wo von den vielen vergeblichen
Versuchen, jene Quellen zu entdecken, die Rede gewesen, hatte Said Pascha
den Entschluß gefaßt, seine Regierung durch Auffindung derselben zu bezeichnen.
Männer der Wissenschaft, aus allen Nationen gewählt, sollten unter Bedeckung
von einigen hundert ägyptischen Soldaten nach dieser Richtung aufbrechen und
in liberalster Weise die erforderlichen Mittel dazu angewiesen werden. Wem die
Leitung der wissenschaftlichen Arbeiten zu übertragen sei, wußte man zunächst
nicht. Der französische Generalconsul indeß schaffte Rath. Es lebte in Kairo
der Graf Escayrac, der, früher Marincbeamler, sich in den letzten Jahren in
Syrien und Aegypten aufgehalten, eine kleine Reise nach dem Sudan gemacht,
und ein Buch darüber veröffentlicht hatte, an dem das, was er Andern nach¬
geschrieben, das Beste war. Das war der rechte Mann, schon weil er Fran¬
zose war, wie der Generalconsul und wie der Herr von Lessepö, der damals


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/511>, abgerufen am 02.10.2024.