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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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meiste Ordnung in dieser Beziehung soll noch im Bereiche des östreichischen
"ut deS preußischen Generalconsulats herrschen, Behörden, deren Norstände
unter den achtbaren fränkischen Einwohnern Kairos als durchaus ehrenwerth
bezeichnet wurden. Doch wird auch hier Manches der Rüge entgehen müssen,
was anderwärts nicht unbestraft und ungeordnet bliebe. Auch die Engländer
werden gelobt, namentlich von den Arabern. Endlich ist es, wenn das fran¬
zösische Generalconsulat Leute sich hinter sein Wappen verstecken läßt, welche
nicht dahin gehören, sicher weniger der Gedanke alt einen directen Gewinn,
der die Fittiche ausbreiten läßt, als das Bestreben, den französischen Einfluß
zu erweitern oder zu zeigen, ein Bestreben, welches sich auch sonst an den
Küsten Nordafrikas, z. B. erst neucrvingö in Tunis sehr merklich kundgab.

Sehr groß scheint in Aegypten die Classe derer zu sein, die sich dem harm¬
loseren Handwerke deS BummelnS gewidmet haben, welches zwar auch hier zu Lande
keinen goldenen Boden, oft nicht einmal einen heilen Hosendoden hat, aber doch
seinen Mann zu nähren scheint. Wovon, weiß Gott. Aber die europäischen Knei¬
pen und Kaffeehäuser sind voll von Gesellen, die in den Tag hinein zu leben
scheinen. Selten hält ein Gasthofskellner, obwol der Lohn bei freier Station
dreißig, ja vierzig östreichische Thäler monatlich beträgt, länger in seiner
Stelle aus, als bis er so viel verdient hat, daß er ein paar Wochen spazie¬
ren gehen kann. Auch von den Handwerkern schienen viele bei n alten mehr
KaffeehauSgast als Arbeiter zu sein, und alle schachern und ziäkeln nebenbei,
wozu ihnen die ägyptische Gewerbefreiheit volle Erlaubnis; gibt.

Häusig kommen dem Reisenden endlich Leute in den Weg, die wir einfach
als wunderliche Kauz"? bezeichnen wollen. Wir nennen von denen, vie uns
zu Gesicht kamen, nur einen östreichischen Baron, der sich hierher begeben,
um Mohammedaner zu werden, einen Juristen aus Mecklenburg, der sich
hier plötzlich in einen Mediciner verwandelte und nun vom Zähneausziehen
lebt, einen Kellner, der, seines Zeichens Seifensieder, von Hof nach Kon-
stantinopel wanderte, dort Hausknecht in einem Hotel wurde, dann alö
Bedienter von Amerikanern eine Reise nach Jerusalem und von dort die
sogenannte "lange Tour" nach Kairo machte, bei welcher (im vorigen Ja¬
nuar) die Gesellschaft von Beduinen angefallen und geplündert, auch zum
Theil verwundet wurde, endlich den Oberschaffner der Eisenbahn, der, vor
einigen Jahren als Privatdocent an einer deutschen Universität habilitirt,
daS Bedürfniß empfand, seine orientalischen Studien durch Erlernung des
Türkischen und Arabischen an Ort und Stelle zu erweitern und, ohne hin¬
reichende Mittel dazu, den Ausweg ergriff, sich seinen Unterhalt durch die
eine oder die andere Stellung im praktischen Leben zu verdienen. Durch
welcherlei Beschäftigung er seinen Zweck mit dem Türkischen erreicht, ist uns
nicht mehr erinnerlich. In Aegypten, wo er bereits zwei Jahre war, fuhr er


meiste Ordnung in dieser Beziehung soll noch im Bereiche des östreichischen
»ut deS preußischen Generalconsulats herrschen, Behörden, deren Norstände
unter den achtbaren fränkischen Einwohnern Kairos als durchaus ehrenwerth
bezeichnet wurden. Doch wird auch hier Manches der Rüge entgehen müssen,
was anderwärts nicht unbestraft und ungeordnet bliebe. Auch die Engländer
werden gelobt, namentlich von den Arabern. Endlich ist es, wenn das fran¬
zösische Generalconsulat Leute sich hinter sein Wappen verstecken läßt, welche
nicht dahin gehören, sicher weniger der Gedanke alt einen directen Gewinn,
der die Fittiche ausbreiten läßt, als das Bestreben, den französischen Einfluß
zu erweitern oder zu zeigen, ein Bestreben, welches sich auch sonst an den
Küsten Nordafrikas, z. B. erst neucrvingö in Tunis sehr merklich kundgab.

Sehr groß scheint in Aegypten die Classe derer zu sein, die sich dem harm¬
loseren Handwerke deS BummelnS gewidmet haben, welches zwar auch hier zu Lande
keinen goldenen Boden, oft nicht einmal einen heilen Hosendoden hat, aber doch
seinen Mann zu nähren scheint. Wovon, weiß Gott. Aber die europäischen Knei¬
pen und Kaffeehäuser sind voll von Gesellen, die in den Tag hinein zu leben
scheinen. Selten hält ein Gasthofskellner, obwol der Lohn bei freier Station
dreißig, ja vierzig östreichische Thäler monatlich beträgt, länger in seiner
Stelle aus, als bis er so viel verdient hat, daß er ein paar Wochen spazie¬
ren gehen kann. Auch von den Handwerkern schienen viele bei n alten mehr
KaffeehauSgast als Arbeiter zu sein, und alle schachern und ziäkeln nebenbei,
wozu ihnen die ägyptische Gewerbefreiheit volle Erlaubnis; gibt.

Häusig kommen dem Reisenden endlich Leute in den Weg, die wir einfach
als wunderliche Kauz«? bezeichnen wollen. Wir nennen von denen, vie uns
zu Gesicht kamen, nur einen östreichischen Baron, der sich hierher begeben,
um Mohammedaner zu werden, einen Juristen aus Mecklenburg, der sich
hier plötzlich in einen Mediciner verwandelte und nun vom Zähneausziehen
lebt, einen Kellner, der, seines Zeichens Seifensieder, von Hof nach Kon-
stantinopel wanderte, dort Hausknecht in einem Hotel wurde, dann alö
Bedienter von Amerikanern eine Reise nach Jerusalem und von dort die
sogenannte „lange Tour" nach Kairo machte, bei welcher (im vorigen Ja¬
nuar) die Gesellschaft von Beduinen angefallen und geplündert, auch zum
Theil verwundet wurde, endlich den Oberschaffner der Eisenbahn, der, vor
einigen Jahren als Privatdocent an einer deutschen Universität habilitirt,
daS Bedürfniß empfand, seine orientalischen Studien durch Erlernung des
Türkischen und Arabischen an Ort und Stelle zu erweitern und, ohne hin¬
reichende Mittel dazu, den Ausweg ergriff, sich seinen Unterhalt durch die
eine oder die andere Stellung im praktischen Leben zu verdienen. Durch
welcherlei Beschäftigung er seinen Zweck mit dem Türkischen erreicht, ist uns
nicht mehr erinnerlich. In Aegypten, wo er bereits zwei Jahre war, fuhr er


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[0510] meiste Ordnung in dieser Beziehung soll noch im Bereiche des östreichischen »ut deS preußischen Generalconsulats herrschen, Behörden, deren Norstände unter den achtbaren fränkischen Einwohnern Kairos als durchaus ehrenwerth bezeichnet wurden. Doch wird auch hier Manches der Rüge entgehen müssen, was anderwärts nicht unbestraft und ungeordnet bliebe. Auch die Engländer werden gelobt, namentlich von den Arabern. Endlich ist es, wenn das fran¬ zösische Generalconsulat Leute sich hinter sein Wappen verstecken läßt, welche nicht dahin gehören, sicher weniger der Gedanke alt einen directen Gewinn, der die Fittiche ausbreiten läßt, als das Bestreben, den französischen Einfluß zu erweitern oder zu zeigen, ein Bestreben, welches sich auch sonst an den Küsten Nordafrikas, z. B. erst neucrvingö in Tunis sehr merklich kundgab. Sehr groß scheint in Aegypten die Classe derer zu sein, die sich dem harm¬ loseren Handwerke deS BummelnS gewidmet haben, welches zwar auch hier zu Lande keinen goldenen Boden, oft nicht einmal einen heilen Hosendoden hat, aber doch seinen Mann zu nähren scheint. Wovon, weiß Gott. Aber die europäischen Knei¬ pen und Kaffeehäuser sind voll von Gesellen, die in den Tag hinein zu leben scheinen. Selten hält ein Gasthofskellner, obwol der Lohn bei freier Station dreißig, ja vierzig östreichische Thäler monatlich beträgt, länger in seiner Stelle aus, als bis er so viel verdient hat, daß er ein paar Wochen spazie¬ ren gehen kann. Auch von den Handwerkern schienen viele bei n alten mehr KaffeehauSgast als Arbeiter zu sein, und alle schachern und ziäkeln nebenbei, wozu ihnen die ägyptische Gewerbefreiheit volle Erlaubnis; gibt. Häusig kommen dem Reisenden endlich Leute in den Weg, die wir einfach als wunderliche Kauz«? bezeichnen wollen. Wir nennen von denen, vie uns zu Gesicht kamen, nur einen östreichischen Baron, der sich hierher begeben, um Mohammedaner zu werden, einen Juristen aus Mecklenburg, der sich hier plötzlich in einen Mediciner verwandelte und nun vom Zähneausziehen lebt, einen Kellner, der, seines Zeichens Seifensieder, von Hof nach Kon- stantinopel wanderte, dort Hausknecht in einem Hotel wurde, dann alö Bedienter von Amerikanern eine Reise nach Jerusalem und von dort die sogenannte „lange Tour" nach Kairo machte, bei welcher (im vorigen Ja¬ nuar) die Gesellschaft von Beduinen angefallen und geplündert, auch zum Theil verwundet wurde, endlich den Oberschaffner der Eisenbahn, der, vor einigen Jahren als Privatdocent an einer deutschen Universität habilitirt, daS Bedürfniß empfand, seine orientalischen Studien durch Erlernung des Türkischen und Arabischen an Ort und Stelle zu erweitern und, ohne hin¬ reichende Mittel dazu, den Ausweg ergriff, sich seinen Unterhalt durch die eine oder die andere Stellung im praktischen Leben zu verdienen. Durch welcherlei Beschäftigung er seinen Zweck mit dem Türkischen erreicht, ist uns nicht mehr erinnerlich. In Aegypten, wo er bereits zwei Jahre war, fuhr er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/510>, abgerufen am 22.07.2024.