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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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hier nicht in Betracht kommenden friencll^ sooietieg und der soeivtks cle se-
cour8 wuluels, in Frankreich) so bedeutende Resultate auszuweisen vermag, ist
der beste Beweis von der Macht ihres Princips, von dem, was wir im
Stadium ihrer Reife, wenn sich unsre arbeitende Bevölkerung völlig in sie ein¬
gelebt haben wird, von ihr zu erwarten haben.

Wir beginnen mit der Vorführung deS Associationswesens in England
und Frankreich, wo sich dasselbe aus Gründen, die in den politischen wie in
den gewerblichen Zuständen dieser Länder liegen, am meisten ausgebildet hat.
Infolge großer Staatsumwälzungen wurden hier die alten Fesseln und Hinder¬
nisse, welche der freien Entfaltung der industriellen Thätigkeit entgegenstanden,
am gründlichsten beseitigt, und der Aufschwung in Handel und Industrie, der
sich daran knüpfte, schuf Zustände, welche mit innerer Nothwendigkeit in die
neuen Bahne" drängten.

Vor allem steht hier England oben an, die Wiege der neuen Industrie,
wo sich seit den großen Erfindungen im Maschinenwesen von der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts ab daS Fabrikwesen, mit seinen Tausenden ab¬
hängiger Arbeiter, die sich um die einzelnen großen Etablissements anhäuften,
in den riesigsten Dimensionen entwickelte. Die unausbleiblichen Nothstände,
in welche die Leute durch Handelskrisen und Verkehrsstockungen, wol auch
hier und da durch Härte, Habsucht und Willkür einzelner Arbeitsgeber zeit-
weiS geriethen, zogen nicht selten den dauernden Ruin ganzer Familien nach
sich und bedrohten alle in ihrer Eristeiiz, indem sie ein von der Hand in den
Mund, in Ungewißheit-über das Schicksal des nächsten Tages lebendes Pro¬
letariat aus ihnen machten, dessen Einnahme nur eben hinreichte, eine kümmer¬
liche Existenz unter Mühen und Entbehrungen aller Art traurig fortzuschleppen.
Bei der große" politischen Freiheit, welche diese Arbeiter im Gegensatze zu
jenen traurige" Erwerbözustäuben genossen, mußte sich das Gefühl des Un¬
genügenden und Unwürdigen dieser Zustände und der Drang, sich durch eigne
Kraft herauszuhelfen, entschiedener als anderswo entwickeln und zum praktischen
Angriff der Sache anspornen und so entstanden, besonders seitdem durch die
Gesetzgebung von alle Verbindungen der Arbeiter zu ArbeilSzwecken
freigegeben waren, lediglich von den Arbeitern selbst ausgehend, die ersten
Associationen unter ihnen, freilich nach Form und Zweck noch ziemlich roh und
mangelhaft, da die Stifter in ihrer Bedrängnis) und Gereiztheit am wenigsten
in der Verfassung waren, ihre gedrückte Lage und die Mittel, sich herauszu-
winden, ruhig und leidenschaftslos zu erwägen. Als nächstes und einziges
Ziel galt ihnen, durch ihre Vereinigung einen Gegendruck gegen die Ueber¬
maas" der Arbeitgeber auszuüben, namentlich durch fortlaufende Beisteuern in
eine gemeinsame Kasse die Mittel zusammenzubringen, um längere Zeit auch
ohne Beschäftigung und Lohn zu bestehen. DaS hatten sie wohl gefaßt, daß


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hier nicht in Betracht kommenden friencll^ sooietieg und der soeivtks cle se-
cour8 wuluels, in Frankreich) so bedeutende Resultate auszuweisen vermag, ist
der beste Beweis von der Macht ihres Princips, von dem, was wir im
Stadium ihrer Reife, wenn sich unsre arbeitende Bevölkerung völlig in sie ein¬
gelebt haben wird, von ihr zu erwarten haben.

Wir beginnen mit der Vorführung deS Associationswesens in England
und Frankreich, wo sich dasselbe aus Gründen, die in den politischen wie in
den gewerblichen Zuständen dieser Länder liegen, am meisten ausgebildet hat.
Infolge großer Staatsumwälzungen wurden hier die alten Fesseln und Hinder¬
nisse, welche der freien Entfaltung der industriellen Thätigkeit entgegenstanden,
am gründlichsten beseitigt, und der Aufschwung in Handel und Industrie, der
sich daran knüpfte, schuf Zustände, welche mit innerer Nothwendigkeit in die
neuen Bahne» drängten.

Vor allem steht hier England oben an, die Wiege der neuen Industrie,
wo sich seit den großen Erfindungen im Maschinenwesen von der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts ab daS Fabrikwesen, mit seinen Tausenden ab¬
hängiger Arbeiter, die sich um die einzelnen großen Etablissements anhäuften,
in den riesigsten Dimensionen entwickelte. Die unausbleiblichen Nothstände,
in welche die Leute durch Handelskrisen und Verkehrsstockungen, wol auch
hier und da durch Härte, Habsucht und Willkür einzelner Arbeitsgeber zeit-
weiS geriethen, zogen nicht selten den dauernden Ruin ganzer Familien nach
sich und bedrohten alle in ihrer Eristeiiz, indem sie ein von der Hand in den
Mund, in Ungewißheit-über das Schicksal des nächsten Tages lebendes Pro¬
letariat aus ihnen machten, dessen Einnahme nur eben hinreichte, eine kümmer¬
liche Existenz unter Mühen und Entbehrungen aller Art traurig fortzuschleppen.
Bei der große» politischen Freiheit, welche diese Arbeiter im Gegensatze zu
jenen traurige» Erwerbözustäuben genossen, mußte sich das Gefühl des Un¬
genügenden und Unwürdigen dieser Zustände und der Drang, sich durch eigne
Kraft herauszuhelfen, entschiedener als anderswo entwickeln und zum praktischen
Angriff der Sache anspornen und so entstanden, besonders seitdem durch die
Gesetzgebung von alle Verbindungen der Arbeiter zu ArbeilSzwecken
freigegeben waren, lediglich von den Arbeitern selbst ausgehend, die ersten
Associationen unter ihnen, freilich nach Form und Zweck noch ziemlich roh und
mangelhaft, da die Stifter in ihrer Bedrängnis) und Gereiztheit am wenigsten
in der Verfassung waren, ihre gedrückte Lage und die Mittel, sich herauszu-
winden, ruhig und leidenschaftslos zu erwägen. Als nächstes und einziges
Ziel galt ihnen, durch ihre Vereinigung einen Gegendruck gegen die Ueber¬
maas» der Arbeitgeber auszuüben, namentlich durch fortlaufende Beisteuern in
eine gemeinsame Kasse die Mittel zusammenzubringen, um längere Zeit auch
ohne Beschäftigung und Lohn zu bestehen. DaS hatten sie wohl gefaßt, daß


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[0497] hier nicht in Betracht kommenden friencll^ sooietieg und der soeivtks cle se- cour8 wuluels, in Frankreich) so bedeutende Resultate auszuweisen vermag, ist der beste Beweis von der Macht ihres Princips, von dem, was wir im Stadium ihrer Reife, wenn sich unsre arbeitende Bevölkerung völlig in sie ein¬ gelebt haben wird, von ihr zu erwarten haben. Wir beginnen mit der Vorführung deS Associationswesens in England und Frankreich, wo sich dasselbe aus Gründen, die in den politischen wie in den gewerblichen Zuständen dieser Länder liegen, am meisten ausgebildet hat. Infolge großer Staatsumwälzungen wurden hier die alten Fesseln und Hinder¬ nisse, welche der freien Entfaltung der industriellen Thätigkeit entgegenstanden, am gründlichsten beseitigt, und der Aufschwung in Handel und Industrie, der sich daran knüpfte, schuf Zustände, welche mit innerer Nothwendigkeit in die neuen Bahne» drängten. Vor allem steht hier England oben an, die Wiege der neuen Industrie, wo sich seit den großen Erfindungen im Maschinenwesen von der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ab daS Fabrikwesen, mit seinen Tausenden ab¬ hängiger Arbeiter, die sich um die einzelnen großen Etablissements anhäuften, in den riesigsten Dimensionen entwickelte. Die unausbleiblichen Nothstände, in welche die Leute durch Handelskrisen und Verkehrsstockungen, wol auch hier und da durch Härte, Habsucht und Willkür einzelner Arbeitsgeber zeit- weiS geriethen, zogen nicht selten den dauernden Ruin ganzer Familien nach sich und bedrohten alle in ihrer Eristeiiz, indem sie ein von der Hand in den Mund, in Ungewißheit-über das Schicksal des nächsten Tages lebendes Pro¬ letariat aus ihnen machten, dessen Einnahme nur eben hinreichte, eine kümmer¬ liche Existenz unter Mühen und Entbehrungen aller Art traurig fortzuschleppen. Bei der große» politischen Freiheit, welche diese Arbeiter im Gegensatze zu jenen traurige» Erwerbözustäuben genossen, mußte sich das Gefühl des Un¬ genügenden und Unwürdigen dieser Zustände und der Drang, sich durch eigne Kraft herauszuhelfen, entschiedener als anderswo entwickeln und zum praktischen Angriff der Sache anspornen und so entstanden, besonders seitdem durch die Gesetzgebung von alle Verbindungen der Arbeiter zu ArbeilSzwecken freigegeben waren, lediglich von den Arbeitern selbst ausgehend, die ersten Associationen unter ihnen, freilich nach Form und Zweck noch ziemlich roh und mangelhaft, da die Stifter in ihrer Bedrängnis) und Gereiztheit am wenigsten in der Verfassung waren, ihre gedrückte Lage und die Mittel, sich herauszu- winden, ruhig und leidenschaftslos zu erwägen. Als nächstes und einziges Ziel galt ihnen, durch ihre Vereinigung einen Gegendruck gegen die Ueber¬ maas» der Arbeitgeber auszuüben, namentlich durch fortlaufende Beisteuern in eine gemeinsame Kasse die Mittel zusammenzubringen, um längere Zeit auch ohne Beschäftigung und Lohn zu bestehen. DaS hatten sie wohl gefaßt, daß Grenzboten. III. t8S7. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/497>, abgerufen am 22.07.2024.