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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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gilt eS, sein Wohlgefallen an einem Gegenstande, der einem andern gehört,
einfach durch den Ausruf: "Wie schön!" kundzugeben. Wohlerzogene Leute
äußern ihre Empfindungen bei solchen Gelegenheiten nur durch ein "Maschallah"
d. h.: "Wie Gott will".

Bei jeder Geburt bestreut die Hebamme, nachdem sie das Kind gebadet und
gebettet hat, den Fußboden sämmtlicher Gemächer des Hauses mit Salz, wo¬
bei sie sagt: "Das schmuzige Salz sei in den Augen des Neidischen!" -- eine
Ceremonie, die als Präservativ gegen den bösen Blick gilt, und vor welcher
niemand dem Kinde ins Gesicht sehen darf. Dieses Salzstreuen wiederholt
sich, wenn der Knabe in der oben geschilderten Weise zur Beschneidung geführt
wird. Nicht genug damit, wird das Kind gegen den Augenzauber auch noch
durch ein Stück Alaun gesichert, das in der Regel in einer kleinen Kapsel an
dem Tarbusch befestigt wird. Auch Kameele, Rinder, vorzüglich aber Pferde
tragen solche Talismane, und wir glauben, daß der kleine Halbmond, welcher
den Pferden im Orient am Halse hängt, ebenfalls in dieses Bereich gehört.

Nimmt man ein fremdes Kind aus den Arm, so muß man dazu sagen:
"Im Namen Gottes! O Gott sei unserm Herrn Mohammed gnädig!" und
dann ein "Maschallah" hinzufügen. Merken die Eltern, daß jemand ihr Kind
bewundert oder sie um dasselbe zu beneiden scheint, so reißen sie ein Stück
vom Hemde des Kleinen ab, bestreuen es mit Salz und verbrennen es dann,
worauf sie das Kind mit der Asche bestreuen. Dies muß, wenn es recht
kräftig sein soll, kurz vor Sonnenuntergang geschehen. Ein anderes Mittel gegen
den bösen Blick ist, daß man mit einer Nadel in ein Stück Papier sticht, dazu
spricht: "Dies ist das Auge des Neiters N. N." und hierauf das Papier ver¬
brennt. Noch besser ist Alaun. Man nimmt ein Stück von der Größe einer
Nuß und legt es -- ebenfalls vor Sonnenuntergang -- auf ein Kohlenbecken,
wo man es eine Weile liegen läßt. Während das Alaun brennt, sagt man
das erste und die drei letzten Capitel des Koran dreimal her. Dann nimmt
man das Alaun von den Kohlen, wo man findet, daß eS die Gestalt der
Person angenommen hat, gegen welche der Zauber gerichtet ist. Indem man
nun das Alaun zerstößt und in eine Speise gemischt einem schwarzen Hunde
zu fressen gibt, wendet man die Folgen des neidischen Blicks auf den Neider
zurück. Ein ganz vorzügliches Schutzmittel sind ferner die kleinen Muscheln,
die wir Schlangenköpfchen nennen, uno die man deshalb gern auf Pferde¬
geschirr heftet; ebenfalls als sehr empfehlenswert!) gelten Knollen von Knob¬
lauch, die den Kindern in die Haare gebunden werden, Koransprüche auf
Zettelchen geschrieben, Stücke von der Brocatdccke der Kaabah, Wasser aus
dem heiligen Brunnen Zemzem bei Mekka und Erde vom Grabe Mohammeds.

Wer an der Ophthalmie leidet, muß sich einen venetianischen Dukaten
über daS kranke Auge hängen, dagegen verschlimmert sich das Ueb^l, wenn


gilt eS, sein Wohlgefallen an einem Gegenstande, der einem andern gehört,
einfach durch den Ausruf: „Wie schön!" kundzugeben. Wohlerzogene Leute
äußern ihre Empfindungen bei solchen Gelegenheiten nur durch ein „Maschallah"
d. h.: „Wie Gott will".

Bei jeder Geburt bestreut die Hebamme, nachdem sie das Kind gebadet und
gebettet hat, den Fußboden sämmtlicher Gemächer des Hauses mit Salz, wo¬
bei sie sagt: „Das schmuzige Salz sei in den Augen des Neidischen!" — eine
Ceremonie, die als Präservativ gegen den bösen Blick gilt, und vor welcher
niemand dem Kinde ins Gesicht sehen darf. Dieses Salzstreuen wiederholt
sich, wenn der Knabe in der oben geschilderten Weise zur Beschneidung geführt
wird. Nicht genug damit, wird das Kind gegen den Augenzauber auch noch
durch ein Stück Alaun gesichert, das in der Regel in einer kleinen Kapsel an
dem Tarbusch befestigt wird. Auch Kameele, Rinder, vorzüglich aber Pferde
tragen solche Talismane, und wir glauben, daß der kleine Halbmond, welcher
den Pferden im Orient am Halse hängt, ebenfalls in dieses Bereich gehört.

Nimmt man ein fremdes Kind aus den Arm, so muß man dazu sagen:
„Im Namen Gottes! O Gott sei unserm Herrn Mohammed gnädig!" und
dann ein „Maschallah" hinzufügen. Merken die Eltern, daß jemand ihr Kind
bewundert oder sie um dasselbe zu beneiden scheint, so reißen sie ein Stück
vom Hemde des Kleinen ab, bestreuen es mit Salz und verbrennen es dann,
worauf sie das Kind mit der Asche bestreuen. Dies muß, wenn es recht
kräftig sein soll, kurz vor Sonnenuntergang geschehen. Ein anderes Mittel gegen
den bösen Blick ist, daß man mit einer Nadel in ein Stück Papier sticht, dazu
spricht: „Dies ist das Auge des Neiters N. N." und hierauf das Papier ver¬
brennt. Noch besser ist Alaun. Man nimmt ein Stück von der Größe einer
Nuß und legt es — ebenfalls vor Sonnenuntergang — auf ein Kohlenbecken,
wo man es eine Weile liegen läßt. Während das Alaun brennt, sagt man
das erste und die drei letzten Capitel des Koran dreimal her. Dann nimmt
man das Alaun von den Kohlen, wo man findet, daß eS die Gestalt der
Person angenommen hat, gegen welche der Zauber gerichtet ist. Indem man
nun das Alaun zerstößt und in eine Speise gemischt einem schwarzen Hunde
zu fressen gibt, wendet man die Folgen des neidischen Blicks auf den Neider
zurück. Ein ganz vorzügliches Schutzmittel sind ferner die kleinen Muscheln,
die wir Schlangenköpfchen nennen, uno die man deshalb gern auf Pferde¬
geschirr heftet; ebenfalls als sehr empfehlenswert!) gelten Knollen von Knob¬
lauch, die den Kindern in die Haare gebunden werden, Koransprüche auf
Zettelchen geschrieben, Stücke von der Brocatdccke der Kaabah, Wasser aus
dem heiligen Brunnen Zemzem bei Mekka und Erde vom Grabe Mohammeds.

Wer an der Ophthalmie leidet, muß sich einen venetianischen Dukaten
über daS kranke Auge hängen, dagegen verschlimmert sich das Ueb^l, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/470>, abgerufen am 12.12.2024.