Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.Wie wenig jetzt geleistet wird, schließen wir aus der Dürftigkeit der arabischen Wiederholt erwähnten wir den Glauben an den bösen Blick, den die Araber Wenn man nämlich meint, daß jemand irgend etwas auf zu laute und Wie wenig jetzt geleistet wird, schließen wir aus der Dürftigkeit der arabischen Wiederholt erwähnten wir den Glauben an den bösen Blick, den die Araber Wenn man nämlich meint, daß jemand irgend etwas auf zu laute und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104670"/> <p xml:id="ID_1233" prev="#ID_1232"> Wie wenig jetzt geleistet wird, schließen wir aus der Dürftigkeit der arabischen<lb/> Buchhandlungen, deren die Metropole der orientalischen Gelehrsamkeit etwa<lb/> ein halbes Dutzend haben soll. Die Buchdruckerei in Bulak druckt nur ältere<lb/> Werke, z. B. das Mesnewi Dschellaleddin RumiS, das berühmteste Erbauungs¬<lb/> buch der Mohammedaner nach dem Koran, oder Handbücher und Katechismen,<lb/> die aus dem Französischen übersetzt sind. Von der Geschichte, selbst von der<lb/> Aegyptens und Arabiens, wissen nur sehr wenige Gelehrte etwas Gründliches.<lb/> In Betreff der Erdkunde stehen alle die, welche nicht auf europäischen Akade¬<lb/> mien erzogen sind, auf dem Standpunkte Homers, dem die Erde eine vom<lb/> Meer umflossene, Scheibe war. Die Aerzte sind mit Ausnahme einiger Militär¬<lb/> ärzte, die in Paris studirt haben, kaum weiter, als einigermaßen strebsame Bar¬<lb/> biere in Deutschland. In alle Wissenschaften mischt sich eine Fülle von Aber¬<lb/> glauben, von dem infolge dessen auch die Gebildetsten nicht frei sind, während<lb/> unter dem Volke in dieser wie in vielen andern Beziehungen allenthalben noch<lb/> das reine volle Mittelalter herrscht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1234"> Wiederholt erwähnten wir den Glauben an den bösen Blick, den die Araber<lb/> Aegyptens mit den Griechen und Italienern theilen. Derselbe ist hier in Kairo<lb/> bis in die höchsten Regionen verbreitet und selbst Said Pascha, der Vicekönig,<lb/> theilt ihn, obwol von Europäern erzogen, so vollständig, wie irgend einer seiner<lb/> Unterthanen. Wie man sich den Augenzauber denkt, ob als Wirkung des Nei¬<lb/> des, den der Anblick schöner, einem andern gehöriger Dinge erweckt, oder mehr<lb/> als Folge der Bewunderung und des Lobes, welche solchen Dingen werden,<lb/> und durch welche unabsichtlich die Mißgunst geheimnißvoller übermenschlicher<lb/> Mächte beschworen wird, lassen wir dahingestellt. Es genüge zu wissen, daß<lb/> die preußische Commission, welche während des vorigen Winters in Aegypten<lb/> war, um sich die edeln Pferde Said Paschas und seiner Verwandten anzuse¬<lb/> hen und nach Befinden einige von den Thieren zu kaufen, allenthalben Bedenken<lb/> und Hindernissen begegnete und zwar einige recht gene Pferde zurückbrachte, die<lb/> besten aber nicht einmal zu sehen bekam, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil<lb/> sie außer ihren Herrn und einem vertrauten Stallknecht überhaupt nur in ganz<lb/> außerordentlichen Fällen ein menschliches Auge erblickt. Die Herren hätten die<lb/> Eigenschaften der Thiere loben und den Pascha im Stillen um ihren Besitz<lb/> beneiden oder ihn auch nicht beneiden, aber die Formel der Vorsicht, welche<lb/> der Gebrauch an jeden Lobspruch zu knüpfen vorschreibt, nicht wissen oder zu<lb/> gebrauchen unterlassen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1235" next="#ID_1236"> Wenn man nämlich meint, daß jemand irgend etwas auf zu laute und<lb/> übertriebene Weise bewundert oder Neid dabei empfindet, so fordert der, welcher<lb/> sich dadurch beunruhigt fühlt, ihn auf, den Propheten zu segnen, und wenn<lb/> jener sich von dem Verdachte reinigen will, so sagt er: „O Gott, sei ihm<lb/> gnädig!" woraus man die Gefahr für abgewendet hält. Für sehr unschicklich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Wie wenig jetzt geleistet wird, schließen wir aus der Dürftigkeit der arabischen
Buchhandlungen, deren die Metropole der orientalischen Gelehrsamkeit etwa
ein halbes Dutzend haben soll. Die Buchdruckerei in Bulak druckt nur ältere
Werke, z. B. das Mesnewi Dschellaleddin RumiS, das berühmteste Erbauungs¬
buch der Mohammedaner nach dem Koran, oder Handbücher und Katechismen,
die aus dem Französischen übersetzt sind. Von der Geschichte, selbst von der
Aegyptens und Arabiens, wissen nur sehr wenige Gelehrte etwas Gründliches.
In Betreff der Erdkunde stehen alle die, welche nicht auf europäischen Akade¬
mien erzogen sind, auf dem Standpunkte Homers, dem die Erde eine vom
Meer umflossene, Scheibe war. Die Aerzte sind mit Ausnahme einiger Militär¬
ärzte, die in Paris studirt haben, kaum weiter, als einigermaßen strebsame Bar¬
biere in Deutschland. In alle Wissenschaften mischt sich eine Fülle von Aber¬
glauben, von dem infolge dessen auch die Gebildetsten nicht frei sind, während
unter dem Volke in dieser wie in vielen andern Beziehungen allenthalben noch
das reine volle Mittelalter herrscht.
Wiederholt erwähnten wir den Glauben an den bösen Blick, den die Araber
Aegyptens mit den Griechen und Italienern theilen. Derselbe ist hier in Kairo
bis in die höchsten Regionen verbreitet und selbst Said Pascha, der Vicekönig,
theilt ihn, obwol von Europäern erzogen, so vollständig, wie irgend einer seiner
Unterthanen. Wie man sich den Augenzauber denkt, ob als Wirkung des Nei¬
des, den der Anblick schöner, einem andern gehöriger Dinge erweckt, oder mehr
als Folge der Bewunderung und des Lobes, welche solchen Dingen werden,
und durch welche unabsichtlich die Mißgunst geheimnißvoller übermenschlicher
Mächte beschworen wird, lassen wir dahingestellt. Es genüge zu wissen, daß
die preußische Commission, welche während des vorigen Winters in Aegypten
war, um sich die edeln Pferde Said Paschas und seiner Verwandten anzuse¬
hen und nach Befinden einige von den Thieren zu kaufen, allenthalben Bedenken
und Hindernissen begegnete und zwar einige recht gene Pferde zurückbrachte, die
besten aber nicht einmal zu sehen bekam, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil
sie außer ihren Herrn und einem vertrauten Stallknecht überhaupt nur in ganz
außerordentlichen Fällen ein menschliches Auge erblickt. Die Herren hätten die
Eigenschaften der Thiere loben und den Pascha im Stillen um ihren Besitz
beneiden oder ihn auch nicht beneiden, aber die Formel der Vorsicht, welche
der Gebrauch an jeden Lobspruch zu knüpfen vorschreibt, nicht wissen oder zu
gebrauchen unterlassen können.
Wenn man nämlich meint, daß jemand irgend etwas auf zu laute und
übertriebene Weise bewundert oder Neid dabei empfindet, so fordert der, welcher
sich dadurch beunruhigt fühlt, ihn auf, den Propheten zu segnen, und wenn
jener sich von dem Verdachte reinigen will, so sagt er: „O Gott, sei ihm
gnädig!" woraus man die Gefahr für abgewendet hält. Für sehr unschicklich
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