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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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fortleben Eigenschaften, welche sich leicht der Controle entziehen, theils von
einer Menge von Zufällen abhängig, die der Arbeiter nicht in seiner Gewalt hat.
Aus diesem Grunde gilt die Arbeitskraft des Einzelnen ü" Verkehr nicht als
Sicherheit für die Capitalanlage. Dem wird aber abgeholfen, sobald sich eine
größere Zahl von Arbeitern associirt, und in der Form der Solidarität die
Gefahr für einander übernimmt, so daß, dem Gläubiger gegenüber, einer für
den andern und jeder für das Ganze der Schuld haftet. Kommen dann auch
Einzelne darunter, infolge zufälligen oder verschuldeten Mißgeschicks, außer
Stand, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, so werden sie von den andern mit über¬
tragen, und die Vertheilung des Ausfalls auf Viele macht dessen Deckung leichter
möglich und weniger lästig. Daß eine solche größere Menge mit einem Mal
durch Unglücksfälle oder sonst arbeitsunfähig werden könnte, ist ebensowenig
zu befürchten, als daß sie auf die Dauer ohne Beschäftigung bleiben sollie,
da die Gesellschaft wol des einzelnen, niemals aber der Arbeiter im Großen
und Ganzen zu entbehren vermag. Auf diese Weise gewinnt die solidarische Haft
solcher verbündeter Arbeitergruppen im Verkehr den Werth einer Hypothek, und
die Kapitalisten verschließen ihre Kassen, welche sie dein Einzelnen zu öffnen
Bedenken trugen, nicht länger vor einer so organisirten Gesammtheit, wie die
Erfahrung bei den vielfach gemachten Versuchen bewährt hat, über welche spä¬
ter an der geeigneten Stelle die speciellen rechnungsmäßigen Belege beigebracht
werden sollen.

Zur Association also drängt alles, sie ist daS einzige Rettungsmittel für
die unbemittelten Arbeiter und Handwerker. In ihr muß sich insbesondere für
die letztern die alte Zunft verjüngen, welche in unsern Tagen völlig zweck-
und inhaltlos geworden ist. Die Zeiten sind vorbei, wo es besonderer Garan¬
tien bedürfte, wie man sie nur im Schoße solcher genossenschaftlichen Kor¬
porationen fand, um dem Einzelnen seine politische Stellung, Sicherheit und
Rechtsschutz zu verbürgen. Die freie Bewegung im bürgerlichen Leben und
Erwerb wird von dem Staate der Neuzeit nicht mehr blos den Mitgliedern
bevorrechteter Verbände als ein Privilegium, sondern seinen sämmtlichen Bür¬
gern als allgemeine Vefugniß gewährleistet. Das, um w.as es sich gegenwärtig
handelt, ist keine politische, sondern eine rein wirthschaftliche Aufgabe. Nicht
die kleinen Gewerbtreibenden durch polizeiliche Verbote gegen die Concurrenz
deS Großbetriebs schützen, sondern sie zur Concurrenz mit demselben selbst
befähigen; nicht jene zu dem niedrigern industriellen Standpunkt der letztern
herabziehen, sondern die letztern zu dem höhern Standpunkt ihrer bisherigen
Gegner emporheben, darauf kommt es an. Dies vermag aber nur die Asso¬
ciation mit ihren außerordentlichen Hilfsmitteln, indem sie die in ihrer Vereinzelung
Schwachen zum großen, mächtigen Ganzen einigt, in welchem jeder den sichern
Boden für die günstigste Verwerthung seiner Arbeitskraft findet. Daher begrü-


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fortleben Eigenschaften, welche sich leicht der Controle entziehen, theils von
einer Menge von Zufällen abhängig, die der Arbeiter nicht in seiner Gewalt hat.
Aus diesem Grunde gilt die Arbeitskraft des Einzelnen ü» Verkehr nicht als
Sicherheit für die Capitalanlage. Dem wird aber abgeholfen, sobald sich eine
größere Zahl von Arbeitern associirt, und in der Form der Solidarität die
Gefahr für einander übernimmt, so daß, dem Gläubiger gegenüber, einer für
den andern und jeder für das Ganze der Schuld haftet. Kommen dann auch
Einzelne darunter, infolge zufälligen oder verschuldeten Mißgeschicks, außer
Stand, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, so werden sie von den andern mit über¬
tragen, und die Vertheilung des Ausfalls auf Viele macht dessen Deckung leichter
möglich und weniger lästig. Daß eine solche größere Menge mit einem Mal
durch Unglücksfälle oder sonst arbeitsunfähig werden könnte, ist ebensowenig
zu befürchten, als daß sie auf die Dauer ohne Beschäftigung bleiben sollie,
da die Gesellschaft wol des einzelnen, niemals aber der Arbeiter im Großen
und Ganzen zu entbehren vermag. Auf diese Weise gewinnt die solidarische Haft
solcher verbündeter Arbeitergruppen im Verkehr den Werth einer Hypothek, und
die Kapitalisten verschließen ihre Kassen, welche sie dein Einzelnen zu öffnen
Bedenken trugen, nicht länger vor einer so organisirten Gesammtheit, wie die
Erfahrung bei den vielfach gemachten Versuchen bewährt hat, über welche spä¬
ter an der geeigneten Stelle die speciellen rechnungsmäßigen Belege beigebracht
werden sollen.

Zur Association also drängt alles, sie ist daS einzige Rettungsmittel für
die unbemittelten Arbeiter und Handwerker. In ihr muß sich insbesondere für
die letztern die alte Zunft verjüngen, welche in unsern Tagen völlig zweck-
und inhaltlos geworden ist. Die Zeiten sind vorbei, wo es besonderer Garan¬
tien bedürfte, wie man sie nur im Schoße solcher genossenschaftlichen Kor¬
porationen fand, um dem Einzelnen seine politische Stellung, Sicherheit und
Rechtsschutz zu verbürgen. Die freie Bewegung im bürgerlichen Leben und
Erwerb wird von dem Staate der Neuzeit nicht mehr blos den Mitgliedern
bevorrechteter Verbände als ein Privilegium, sondern seinen sämmtlichen Bür¬
gern als allgemeine Vefugniß gewährleistet. Das, um w.as es sich gegenwärtig
handelt, ist keine politische, sondern eine rein wirthschaftliche Aufgabe. Nicht
die kleinen Gewerbtreibenden durch polizeiliche Verbote gegen die Concurrenz
deS Großbetriebs schützen, sondern sie zur Concurrenz mit demselben selbst
befähigen; nicht jene zu dem niedrigern industriellen Standpunkt der letztern
herabziehen, sondern die letztern zu dem höhern Standpunkt ihrer bisherigen
Gegner emporheben, darauf kommt es an. Dies vermag aber nur die Asso¬
ciation mit ihren außerordentlichen Hilfsmitteln, indem sie die in ihrer Vereinzelung
Schwachen zum großen, mächtigen Ganzen einigt, in welchem jeder den sichern
Boden für die günstigste Verwerthung seiner Arbeitskraft findet. Daher begrü-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/451>, abgerufen am 03.07.2024.