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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Tempeln vorzustellen. Sie sind ein längliches Quadrat von Maiierwerk,
welches mit einer oder mehren Reihen von Fenstern durchbrochen ist, und an
dessen innern Seiten bedeckte Säulengänge herumlaufen, die einen oben offe¬
nen Hof einschließen. Im Centrum des Hofes befindet sich ein Wasserbecken,
über dem sich ein kleiner Kuppelpavillon erhebt. Die eine schmale Seite ist
nach Mekka hingekehrt und hier ist der Säulengang breiter als an den drei
andern und darum mit mehr als einer Säulenreihe versehen. Hier befindet
sich in der Mitte der Außenwand das Mechrab, die kleine Rundbogemusche,
welche den Betern die Richtung nach Mekka anzeigt. Rechts von ihr steht
die Kanzel, Mimbar genannt und in der Form ganz unsern Kanzeln ähnlich.
Zehn bis zwanzig Schritt vor der Nische, ungefähr in der Mitte zwischen ihr
und dem Ende des bedeckten Theils des Hofes erhebt sich auf kleinen Säulen
eine Art Plattform, die mit einer Brustwehr umgeben ist und zum Vorlesen
des Koran dient. Bisweilen ist der Hof zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen
mit Matten überspannt. Der Boden ist gepflastert, oft mit farbigem Marmor.
Die Wände sind gewöhnlich einfach weiß getüncht; manchmal läuft in einiger
Entfernung über dem Erdboden ein Kranz von Koransprüchen mir rother
Farbe in sehr großen Charakteren ausgeführt, an ihnen hin. An den Theil,
welcher die Nische und die Kanzel enthält, schließt sich bei einigen Moscheen
noch eine Art Grnbkapelle, von einer Kuppel überwölbt. Jede Moschee hat
neben sich einen steinernen Thurm, welcher Madneh heißt, mit einer oder
mehren Außengalerien für die Mueddins versehen ist und mit einer zwiebel¬
förmigen Spitze endigt. Große Moscheen haben gewöhnlich mehr als einen
Thurm. Niemals sieht man auf ihnen den offene" türkischen Halbmond, statt
dessen trägt die Spitze einen Ring, der auf der einen Seite etwas breiter ist.
Außen sind Mauern und Thurm namentlich bei den ältern Moscheen sehr reich,
aber immer auf unsymmetrische Weise mit Bilbhauerarbeit und eingemeißelten
Sprüchen geschmückt.

Mehre der Dschamieu Kairos sind so groß, daß sie einen Raum von
mehr als dreihundert Quadratfuß bedecken. Dagegen erheben sich ihre Thürme
selten höher als mäßig hohe Kirchthürme bei uns. Die Hauptmoscheen stehen
den ganzen Tag, vom frühen Morgen bis eine Stunde nach Sonnenunter-
gang offen, und da sie kühler als Privathäuser sind, so kommt es, daß ihre
Säulengänge von Müßiggängern fleißig zu Rendezvous benutzt werden. Man
sieht in diesen Gängen häufig eine beträchtliche Anzahl von Leuten, welche
sich unterhalten, essen, im Schatten der Säulen und Gewölbe schlafen, ja
sogar Schneider mit der Nabel und Spinner mit "dem Rocken. Indeß würde
man Unrecht thun, zu schließen, die Moslemin hielten nicht auf ihre Mo¬
scheen. Sie sind ihnen im Gegentheil so heilig, daß es noch vor sechzig
Jahren keinem Juden oder Christen gestaltet war, an der Vorderseite einer


Tempeln vorzustellen. Sie sind ein längliches Quadrat von Maiierwerk,
welches mit einer oder mehren Reihen von Fenstern durchbrochen ist, und an
dessen innern Seiten bedeckte Säulengänge herumlaufen, die einen oben offe¬
nen Hof einschließen. Im Centrum des Hofes befindet sich ein Wasserbecken,
über dem sich ein kleiner Kuppelpavillon erhebt. Die eine schmale Seite ist
nach Mekka hingekehrt und hier ist der Säulengang breiter als an den drei
andern und darum mit mehr als einer Säulenreihe versehen. Hier befindet
sich in der Mitte der Außenwand das Mechrab, die kleine Rundbogemusche,
welche den Betern die Richtung nach Mekka anzeigt. Rechts von ihr steht
die Kanzel, Mimbar genannt und in der Form ganz unsern Kanzeln ähnlich.
Zehn bis zwanzig Schritt vor der Nische, ungefähr in der Mitte zwischen ihr
und dem Ende des bedeckten Theils des Hofes erhebt sich auf kleinen Säulen
eine Art Plattform, die mit einer Brustwehr umgeben ist und zum Vorlesen
des Koran dient. Bisweilen ist der Hof zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen
mit Matten überspannt. Der Boden ist gepflastert, oft mit farbigem Marmor.
Die Wände sind gewöhnlich einfach weiß getüncht; manchmal läuft in einiger
Entfernung über dem Erdboden ein Kranz von Koransprüchen mir rother
Farbe in sehr großen Charakteren ausgeführt, an ihnen hin. An den Theil,
welcher die Nische und die Kanzel enthält, schließt sich bei einigen Moscheen
noch eine Art Grnbkapelle, von einer Kuppel überwölbt. Jede Moschee hat
neben sich einen steinernen Thurm, welcher Madneh heißt, mit einer oder
mehren Außengalerien für die Mueddins versehen ist und mit einer zwiebel¬
förmigen Spitze endigt. Große Moscheen haben gewöhnlich mehr als einen
Thurm. Niemals sieht man auf ihnen den offene» türkischen Halbmond, statt
dessen trägt die Spitze einen Ring, der auf der einen Seite etwas breiter ist.
Außen sind Mauern und Thurm namentlich bei den ältern Moscheen sehr reich,
aber immer auf unsymmetrische Weise mit Bilbhauerarbeit und eingemeißelten
Sprüchen geschmückt.

Mehre der Dschamieu Kairos sind so groß, daß sie einen Raum von
mehr als dreihundert Quadratfuß bedecken. Dagegen erheben sich ihre Thürme
selten höher als mäßig hohe Kirchthürme bei uns. Die Hauptmoscheen stehen
den ganzen Tag, vom frühen Morgen bis eine Stunde nach Sonnenunter-
gang offen, und da sie kühler als Privathäuser sind, so kommt es, daß ihre
Säulengänge von Müßiggängern fleißig zu Rendezvous benutzt werden. Man
sieht in diesen Gängen häufig eine beträchtliche Anzahl von Leuten, welche
sich unterhalten, essen, im Schatten der Säulen und Gewölbe schlafen, ja
sogar Schneider mit der Nabel und Spinner mit „dem Rocken. Indeß würde
man Unrecht thun, zu schließen, die Moslemin hielten nicht auf ihre Mo¬
scheen. Sie sind ihnen im Gegentheil so heilig, daß es noch vor sechzig
Jahren keinem Juden oder Christen gestaltet war, an der Vorderseite einer


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[0431] Tempeln vorzustellen. Sie sind ein längliches Quadrat von Maiierwerk, welches mit einer oder mehren Reihen von Fenstern durchbrochen ist, und an dessen innern Seiten bedeckte Säulengänge herumlaufen, die einen oben offe¬ nen Hof einschließen. Im Centrum des Hofes befindet sich ein Wasserbecken, über dem sich ein kleiner Kuppelpavillon erhebt. Die eine schmale Seite ist nach Mekka hingekehrt und hier ist der Säulengang breiter als an den drei andern und darum mit mehr als einer Säulenreihe versehen. Hier befindet sich in der Mitte der Außenwand das Mechrab, die kleine Rundbogemusche, welche den Betern die Richtung nach Mekka anzeigt. Rechts von ihr steht die Kanzel, Mimbar genannt und in der Form ganz unsern Kanzeln ähnlich. Zehn bis zwanzig Schritt vor der Nische, ungefähr in der Mitte zwischen ihr und dem Ende des bedeckten Theils des Hofes erhebt sich auf kleinen Säulen eine Art Plattform, die mit einer Brustwehr umgeben ist und zum Vorlesen des Koran dient. Bisweilen ist der Hof zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen mit Matten überspannt. Der Boden ist gepflastert, oft mit farbigem Marmor. Die Wände sind gewöhnlich einfach weiß getüncht; manchmal läuft in einiger Entfernung über dem Erdboden ein Kranz von Koransprüchen mir rother Farbe in sehr großen Charakteren ausgeführt, an ihnen hin. An den Theil, welcher die Nische und die Kanzel enthält, schließt sich bei einigen Moscheen noch eine Art Grnbkapelle, von einer Kuppel überwölbt. Jede Moschee hat neben sich einen steinernen Thurm, welcher Madneh heißt, mit einer oder mehren Außengalerien für die Mueddins versehen ist und mit einer zwiebel¬ förmigen Spitze endigt. Große Moscheen haben gewöhnlich mehr als einen Thurm. Niemals sieht man auf ihnen den offene» türkischen Halbmond, statt dessen trägt die Spitze einen Ring, der auf der einen Seite etwas breiter ist. Außen sind Mauern und Thurm namentlich bei den ältern Moscheen sehr reich, aber immer auf unsymmetrische Weise mit Bilbhauerarbeit und eingemeißelten Sprüchen geschmückt. Mehre der Dschamieu Kairos sind so groß, daß sie einen Raum von mehr als dreihundert Quadratfuß bedecken. Dagegen erheben sich ihre Thürme selten höher als mäßig hohe Kirchthürme bei uns. Die Hauptmoscheen stehen den ganzen Tag, vom frühen Morgen bis eine Stunde nach Sonnenunter- gang offen, und da sie kühler als Privathäuser sind, so kommt es, daß ihre Säulengänge von Müßiggängern fleißig zu Rendezvous benutzt werden. Man sieht in diesen Gängen häufig eine beträchtliche Anzahl von Leuten, welche sich unterhalten, essen, im Schatten der Säulen und Gewölbe schlafen, ja sogar Schneider mit der Nabel und Spinner mit „dem Rocken. Indeß würde man Unrecht thun, zu schließen, die Moslemin hielten nicht auf ihre Mo¬ scheen. Sie sind ihnen im Gegentheil so heilig, daß es noch vor sechzig Jahren keinem Juden oder Christen gestaltet war, an der Vorderseite einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/431>, abgerufen am 12.12.2024.