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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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tbüren u. a. dahin gehörende Versuche bemerkt, gleichen sie den Kunstleistungen
fünfjähriger Knaben bei uns.

Die Ursache, daß Kunstfertigkeit und Gewerbfleiß in Aegypten so tief
herabgesunken sind, sucht man darin, daß die Türken, als sie das Land er¬
oberten, die Meister aller Handwerke, welche in ihrer Heimath nicht betrieben
wurden, hinwegführten und daß man sich hierauf gewöhnte, alles, was nicht
zur unmittelbarsten Nothdurft gehörte, vom Auslande, anfänglich aus Syrien
und Persien so wie aus Nordwestafrika, dann aus europäischen Fabriken zu
beziehen. Mehemed Ali hat in dieser Hinsicht nichts bessern können. Die
Fabriken, die er anlegte, standen nicht auf nationalem Boden, trugen nichts
zu Hebung des Geschmacks bei und regten in keiner Weise den Ge-
werbfleiß des Volkes an, sondern wirkten sogar dahin, ihn noch mehr zu
entkräften.

Jetzt werden aus Europa eingeführt: feine Tücher, vorzüglich aus Frank¬
reich, Kattun und gemusterter Musselin zu Turbanen, hauptsächlich aus Eng¬
land, Seidenwaaren und Sammet, aus Frankreich, Nachahmungen von Kasch-
mirshawls, aus England und Frankreich, Schreibpapier, namentlich aus
Venedig, Cognac, französische, ungarische, griechische und rheinische Weine,
Breter von Trieft, Glaswaaren aus Frankreich und Böhmen, Uhren mit
arabischen Zifferblättern aus Frankreich und der Schweiz, Kaffeetassen aus
Nürnberg, Klingen aus Solingen, die von hier wieder bis in das innerste
Afrika gehen, Bernsteinmnndstücke aus Wien, sächsische Gewebe, Kupfer- und
Messinggeschirr aus Konstantinopel, Aus Kleinasien bezieht man Teppiche
und feine Feigen, aus Syrien gestickte Seidenzeuge, wollene Röcke mit ge¬
stickten Kragenrande (vorzugsweise vou Bagdad) und den köstlichen Bergtabak
des Libanon, aus Arabien Mokkakaffee und verschiedene Droguen und Ge¬
würze, aus Abyssinien und dem Sudan Elfenbein, Straußenfedern, Gold,
Harze, Tamarindenkuchen und Peitschen aus Nilpserdhaut, aus dem nordwest¬
lichen Afrika endlich weißwollene, mit Gold gestickte Burnusse und die oft mit
-100 Piaster das Stück und noch höher bezahlten tuneser Tarbnsche. Die
Ausfuhr nach Europa besteht sast nur in Getreide, Baumwolle und Indigo,
die nach Syrien in Reis, die nach Arabien vorzüglich in Weizen, Durra und
Bohnen, die nach den Ländern des obern Nil in Feuerwaffen, Bijouterie-
waaren, Seidenstoffen und Schreibpapier. Syrische Stoffe und Tabak kauft
man billiger und besser in Alerandrien. Beim Einkauf von Waffen, namens
lich von alten guten Säbelklingen, bedarf es eines sehr geübten Auges, um
nicht betrogen zu werdeu und svhlinger Waare zehn oder zwanzigmal so
theuer einzuhandeln, als man sie in Deutschland bekommen hätte.

Unter einer arabischen Moschee (Dschami) hat man sich, der Regel nach,
kein vollständig überdachtes Gebäude gleich unsern Kirchen oder den antiken


tbüren u. a. dahin gehörende Versuche bemerkt, gleichen sie den Kunstleistungen
fünfjähriger Knaben bei uns.

Die Ursache, daß Kunstfertigkeit und Gewerbfleiß in Aegypten so tief
herabgesunken sind, sucht man darin, daß die Türken, als sie das Land er¬
oberten, die Meister aller Handwerke, welche in ihrer Heimath nicht betrieben
wurden, hinwegführten und daß man sich hierauf gewöhnte, alles, was nicht
zur unmittelbarsten Nothdurft gehörte, vom Auslande, anfänglich aus Syrien
und Persien so wie aus Nordwestafrika, dann aus europäischen Fabriken zu
beziehen. Mehemed Ali hat in dieser Hinsicht nichts bessern können. Die
Fabriken, die er anlegte, standen nicht auf nationalem Boden, trugen nichts
zu Hebung des Geschmacks bei und regten in keiner Weise den Ge-
werbfleiß des Volkes an, sondern wirkten sogar dahin, ihn noch mehr zu
entkräften.

Jetzt werden aus Europa eingeführt: feine Tücher, vorzüglich aus Frank¬
reich, Kattun und gemusterter Musselin zu Turbanen, hauptsächlich aus Eng¬
land, Seidenwaaren und Sammet, aus Frankreich, Nachahmungen von Kasch-
mirshawls, aus England und Frankreich, Schreibpapier, namentlich aus
Venedig, Cognac, französische, ungarische, griechische und rheinische Weine,
Breter von Trieft, Glaswaaren aus Frankreich und Böhmen, Uhren mit
arabischen Zifferblättern aus Frankreich und der Schweiz, Kaffeetassen aus
Nürnberg, Klingen aus Solingen, die von hier wieder bis in das innerste
Afrika gehen, Bernsteinmnndstücke aus Wien, sächsische Gewebe, Kupfer- und
Messinggeschirr aus Konstantinopel, Aus Kleinasien bezieht man Teppiche
und feine Feigen, aus Syrien gestickte Seidenzeuge, wollene Röcke mit ge¬
stickten Kragenrande (vorzugsweise vou Bagdad) und den köstlichen Bergtabak
des Libanon, aus Arabien Mokkakaffee und verschiedene Droguen und Ge¬
würze, aus Abyssinien und dem Sudan Elfenbein, Straußenfedern, Gold,
Harze, Tamarindenkuchen und Peitschen aus Nilpserdhaut, aus dem nordwest¬
lichen Afrika endlich weißwollene, mit Gold gestickte Burnusse und die oft mit
-100 Piaster das Stück und noch höher bezahlten tuneser Tarbnsche. Die
Ausfuhr nach Europa besteht sast nur in Getreide, Baumwolle und Indigo,
die nach Syrien in Reis, die nach Arabien vorzüglich in Weizen, Durra und
Bohnen, die nach den Ländern des obern Nil in Feuerwaffen, Bijouterie-
waaren, Seidenstoffen und Schreibpapier. Syrische Stoffe und Tabak kauft
man billiger und besser in Alerandrien. Beim Einkauf von Waffen, namens
lich von alten guten Säbelklingen, bedarf es eines sehr geübten Auges, um
nicht betrogen zu werdeu und svhlinger Waare zehn oder zwanzigmal so
theuer einzuhandeln, als man sie in Deutschland bekommen hätte.

Unter einer arabischen Moschee (Dschami) hat man sich, der Regel nach,
kein vollständig überdachtes Gebäude gleich unsern Kirchen oder den antiken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/430>, abgerufen am 02.10.2024.