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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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weitere Neigung zu sinken zeigt, wie sich aus der allgemeinen Preissteigerung
aller, insbesondere der moti)wendigen Lebensbedürfnisse ergibt, So geht der
Mieihpreis der Wohnungen mit der Preissteigerung der Baumaterialien stetig
in die Höhe, und Brot und Fleisch bleiben nicht zurück, obschon die Ernten
im Gaumen, bei den großen Fonschrinen der ökonomischen Betriebsweise, ein¬
träglicher, die bebauten Ackerflächen größer geworden sind, so daß man selbst
dem Steigen der Bevölkerung keinen überwiegenden Einfluß hie auf beimessen
kaun. Vielmehr ist es der sinkende Werth der edlen Metalle, ihre verminderte
Tauschsähigkeit, vermöge deren man gegenwärtig für dieselben weniger an
Waaren erhallen kann, wie sonst. Denn daß das Geld selbst im Verkehr nur als
Metall, als Waare, in Betracht kommt, und daß das Münzg epräg e weiter
nichts thut, als daß es den Metallgehalt nach Quantität und Qualität, Ge¬
wicht und Mischung (Schrot und Korn) feststellt, dabei aber der Schätzung
des Handelnden Publicums überläßt, wie viel man für ein solches geprägtes
Metallstück an Waare austauschen mag, dürfen wir hier als bekannt voraus¬
setze". Insofern daher die jetzige Lohnsteigeruug "ur in einer Erhöhung der
Geldsumme besteht, hat eS damit seiue eigne Bewandtniß, und der Arbeiter,
der mit dem erhaltenen Mehr an Gelde sich keineswegs ein" Mehr für seinen
Bedarf, sondern immer nur dasselbe Maß wie früher mit der geringer" Lohn¬
summe verschaffen kann, ist sicher nicht besser daran wie vorher.

Doch kommen wir auf den Kern der Sache zurück, so steht nach allem
so viel fest: daß die Lohnsätze unsrer Arbeiter bei der großen Mehrzahl zu
niedrig sind, als daß dieselben im Stande wären, so viel in jene Kasse" zu
steuern, als zu deren"Erhaltung erforderlich ist, wenn ihr Zweck überhaupt er¬
reicht werden soll. Um das Suhlen durchzuführen hat man daher nur die
Alternative: entweder eine dauernde Lohnerhöhung zu bewirken, oder, wenn
man dies nicht will oder nicht kaun, die Beiträge ganz oder theilweise, soweit
sie die Arbeiter aufzubringen außer Stande sind, aus andern Mittel" zu be¬
schaffe". Daß der letztere Ausweg allemal, direct oder indirect, auf Almose"
hinausläuft, versteht sich vo" selbst. , -

Was zunächst die Lohnerhöhung anlangt, so wird das Wohlthätige einer
solchen, wenn sie nur überhaupt zu erzielen wäre, wol von keiner Seite be¬
sinnen. Dennoch bieten die dahin zielende" Bestrebungen fast nur eine Ge¬
schichte frommer Wünsche und verfehlter Versuche und zwar hanpisächlich aus
dem Grnnde, weil man dabei die Grundbedingungen, welche Wissenschaft und
Erfahrung zur Erreichung des gesteckten Zieles aufstellen, außer Augen ließ.
Wie wir in einem frühern Abschnitte zeigten, unterliegt der Werth der Arbeit,
und davon abhängig die Höhe des Lohns, auf dem Markte des Verkehrs
demselben ^Gesetz, wie der Werth resp, der Preis jeder ander" Waare, dem
Gesetz von Angebot und Nachfrage. Sind mehr Arbeiter da als gebraucht


weitere Neigung zu sinken zeigt, wie sich aus der allgemeinen Preissteigerung
aller, insbesondere der moti)wendigen Lebensbedürfnisse ergibt, So geht der
Mieihpreis der Wohnungen mit der Preissteigerung der Baumaterialien stetig
in die Höhe, und Brot und Fleisch bleiben nicht zurück, obschon die Ernten
im Gaumen, bei den großen Fonschrinen der ökonomischen Betriebsweise, ein¬
träglicher, die bebauten Ackerflächen größer geworden sind, so daß man selbst
dem Steigen der Bevölkerung keinen überwiegenden Einfluß hie auf beimessen
kaun. Vielmehr ist es der sinkende Werth der edlen Metalle, ihre verminderte
Tauschsähigkeit, vermöge deren man gegenwärtig für dieselben weniger an
Waaren erhallen kann, wie sonst. Denn daß das Geld selbst im Verkehr nur als
Metall, als Waare, in Betracht kommt, und daß das Münzg epräg e weiter
nichts thut, als daß es den Metallgehalt nach Quantität und Qualität, Ge¬
wicht und Mischung (Schrot und Korn) feststellt, dabei aber der Schätzung
des Handelnden Publicums überläßt, wie viel man für ein solches geprägtes
Metallstück an Waare austauschen mag, dürfen wir hier als bekannt voraus¬
setze». Insofern daher die jetzige Lohnsteigeruug »ur in einer Erhöhung der
Geldsumme besteht, hat eS damit seiue eigne Bewandtniß, und der Arbeiter,
der mit dem erhaltenen Mehr an Gelde sich keineswegs ein» Mehr für seinen
Bedarf, sondern immer nur dasselbe Maß wie früher mit der geringer» Lohn¬
summe verschaffen kann, ist sicher nicht besser daran wie vorher.

Doch kommen wir auf den Kern der Sache zurück, so steht nach allem
so viel fest: daß die Lohnsätze unsrer Arbeiter bei der großen Mehrzahl zu
niedrig sind, als daß dieselben im Stande wären, so viel in jene Kasse» zu
steuern, als zu deren"Erhaltung erforderlich ist, wenn ihr Zweck überhaupt er¬
reicht werden soll. Um das Suhlen durchzuführen hat man daher nur die
Alternative: entweder eine dauernde Lohnerhöhung zu bewirken, oder, wenn
man dies nicht will oder nicht kaun, die Beiträge ganz oder theilweise, soweit
sie die Arbeiter aufzubringen außer Stande sind, aus andern Mittel» zu be¬
schaffe». Daß der letztere Ausweg allemal, direct oder indirect, auf Almose»
hinausläuft, versteht sich vo» selbst. , -

Was zunächst die Lohnerhöhung anlangt, so wird das Wohlthätige einer
solchen, wenn sie nur überhaupt zu erzielen wäre, wol von keiner Seite be¬
sinnen. Dennoch bieten die dahin zielende» Bestrebungen fast nur eine Ge¬
schichte frommer Wünsche und verfehlter Versuche und zwar hanpisächlich aus
dem Grnnde, weil man dabei die Grundbedingungen, welche Wissenschaft und
Erfahrung zur Erreichung des gesteckten Zieles aufstellen, außer Augen ließ.
Wie wir in einem frühern Abschnitte zeigten, unterliegt der Werth der Arbeit,
und davon abhängig die Höhe des Lohns, auf dem Markte des Verkehrs
demselben ^Gesetz, wie der Werth resp, der Preis jeder ander» Waare, dem
Gesetz von Angebot und Nachfrage. Sind mehr Arbeiter da als gebraucht


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[0413] weitere Neigung zu sinken zeigt, wie sich aus der allgemeinen Preissteigerung aller, insbesondere der moti)wendigen Lebensbedürfnisse ergibt, So geht der Mieihpreis der Wohnungen mit der Preissteigerung der Baumaterialien stetig in die Höhe, und Brot und Fleisch bleiben nicht zurück, obschon die Ernten im Gaumen, bei den großen Fonschrinen der ökonomischen Betriebsweise, ein¬ träglicher, die bebauten Ackerflächen größer geworden sind, so daß man selbst dem Steigen der Bevölkerung keinen überwiegenden Einfluß hie auf beimessen kaun. Vielmehr ist es der sinkende Werth der edlen Metalle, ihre verminderte Tauschsähigkeit, vermöge deren man gegenwärtig für dieselben weniger an Waaren erhallen kann, wie sonst. Denn daß das Geld selbst im Verkehr nur als Metall, als Waare, in Betracht kommt, und daß das Münzg epräg e weiter nichts thut, als daß es den Metallgehalt nach Quantität und Qualität, Ge¬ wicht und Mischung (Schrot und Korn) feststellt, dabei aber der Schätzung des Handelnden Publicums überläßt, wie viel man für ein solches geprägtes Metallstück an Waare austauschen mag, dürfen wir hier als bekannt voraus¬ setze». Insofern daher die jetzige Lohnsteigeruug »ur in einer Erhöhung der Geldsumme besteht, hat eS damit seiue eigne Bewandtniß, und der Arbeiter, der mit dem erhaltenen Mehr an Gelde sich keineswegs ein» Mehr für seinen Bedarf, sondern immer nur dasselbe Maß wie früher mit der geringer» Lohn¬ summe verschaffen kann, ist sicher nicht besser daran wie vorher. Doch kommen wir auf den Kern der Sache zurück, so steht nach allem so viel fest: daß die Lohnsätze unsrer Arbeiter bei der großen Mehrzahl zu niedrig sind, als daß dieselben im Stande wären, so viel in jene Kasse» zu steuern, als zu deren"Erhaltung erforderlich ist, wenn ihr Zweck überhaupt er¬ reicht werden soll. Um das Suhlen durchzuführen hat man daher nur die Alternative: entweder eine dauernde Lohnerhöhung zu bewirken, oder, wenn man dies nicht will oder nicht kaun, die Beiträge ganz oder theilweise, soweit sie die Arbeiter aufzubringen außer Stande sind, aus andern Mittel» zu be¬ schaffe». Daß der letztere Ausweg allemal, direct oder indirect, auf Almose» hinausläuft, versteht sich vo» selbst. , - Was zunächst die Lohnerhöhung anlangt, so wird das Wohlthätige einer solchen, wenn sie nur überhaupt zu erzielen wäre, wol von keiner Seite be¬ sinnen. Dennoch bieten die dahin zielende» Bestrebungen fast nur eine Ge¬ schichte frommer Wünsche und verfehlter Versuche und zwar hanpisächlich aus dem Grnnde, weil man dabei die Grundbedingungen, welche Wissenschaft und Erfahrung zur Erreichung des gesteckten Zieles aufstellen, außer Augen ließ. Wie wir in einem frühern Abschnitte zeigten, unterliegt der Werth der Arbeit, und davon abhängig die Höhe des Lohns, auf dem Markte des Verkehrs demselben ^Gesetz, wie der Werth resp, der Preis jeder ander» Waare, dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Sind mehr Arbeiter da als gebraucht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/413>, abgerufen am 01.07.2024.