Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.der umliegenden Staaten gebotene Fortentwicklung unmöglich macht. Außerhalb Daß es nicht in dieser Weise fortgehen kann, darüber sind alle Parteien einig, der umliegenden Staaten gebotene Fortentwicklung unmöglich macht. Außerhalb Daß es nicht in dieser Weise fortgehen kann, darüber sind alle Parteien einig, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104608"/> <p xml:id="ID_1066" prev="#ID_1065"> der umliegenden Staaten gebotene Fortentwicklung unmöglich macht. Außerhalb<lb/> des Bundes gegründet, damit die in demselben sich geltend machenden politischen<lb/> Rivalitäten nicht störend in das ihnen fremde Gebiet der Handels- und Gewerbe-<lb/> Politik eingriffen , bietet er jetzt dasselbe Schauspiel wie der Bundestag dar, und<lb/> kann wegen Mangel an Einstimmigkeit über die wichtigsten und brennendsten Fragen<lb/> zu keinem Beschluß kommen. Seine rückgängige Bewegung datirt eigentlich schon<lb/> seit dem Anschluß Baierns und Würtembergs an denselben, deren Staatsmänner,<lb/> von listschcn Ideen durchdrungen, den Tendenzen der Schutzzollpolitik zuerst in<lb/> seinen Berathungen und Beschlüssen Geltung verschafften. Damals aber bestimmten<lb/> noch lediglich Handels- und Jndnstrieinteresse», wenn auch mißverstandene, die Oppo¬<lb/> sition in ihrem Gebahren. Seit 1830 aber hat sie eine Tendenz angenommen, die<lb/> auf den Zollverein zerstörend wirken muß. Ehedem standen sich blos Schutzzoll<lb/> nud gemäßigte Freihandclspolitik gegenüber, jetzt ist der Zollverein der Tummelplatz<lb/> geworden, auf dem sich die politischen Gegensätze der bamberger Koalition und<lb/> Preußens bekämpfen, und selbst das dranßcnstehende Oestreich hat seine Vorposten<lb/> mitten in das ihm fremde Gebiet vorgeschoben, und besitzt thatsächlich eine<lb/> Stimme im Rathe der Zollvcrbündeten, ohne dagegen Verpflichtungen übernehmen zu<lb/> müssen und an ihre Beschlüsse gebunden zu sein. Das politische Interesse hat<lb/> ganz entschieden den Vortritt vor dem commerciellen, und der Zweck des Zollver¬<lb/> eins, Einigung der materiellen Interessen deutscher Staaten, ist ganz aus dem<lb/> Auge verloren worden. Selbst die finanziellen Nachtheile der Uneinigkeit, die sich<lb/> doch sonst am leichteste» Gehör verschaffen, werden nicht mehr berücksichtigt. Be¬<lb/> kanntlich trägt die Begünstigung der Rübenzuckerindustrie die Hauptschuld an der<lb/> Verminderung der Zollcinnahmen. Schon deshalb — der andern Nachtheile dieser<lb/> widernatürlichen Industrie nicht zu gedenken — war es wünschenswerth, das Pri¬<lb/> vilegium aufzuheben, welches 32 Millionen Consumenten zwingt, theuern Zucker<lb/> zu essen, damit einige hundert Producenten zu großer Benachtheiligung der Ge-<lb/> treideproduction ein lucrativcs Geschäft treiben können; und Preußen hat auch<lb/> wirklich wiederholt den Antrag gestellt, den Zoll auf Colonialzncker zu vermindern,<lb/> oder den auf Rübenzucker zu erhöhen, und damit die Zolleinnahmen wieder aus die<lb/> alte Höhe zu bringen. Aber obgleich auf Preuße« allein 87 oder 90 Procent<lb/> sämmtlicher Nübenzuckerfabrikcn des Zollvereins fallen, und der materielle Nach¬<lb/> theil, der ans der Beschränkung dieser künstlich geförderten Industrie entstehen<lb/> könnte, fast ausschließlich auf Preußen falle» würde, ist eine Veränderung der bis¬<lb/> her bestandenen Zollsätze grade durch die Staaten verneint worden, wo die Rüben-<lb/> zuckerintnstne nur eine dürftige Entwicklung erreicht hat. Ganz dasselbe war der<lb/> Fall mit einem andern höchst dringenden Bedürfniß der deutschen Industrie: mit<lb/> der Herabsetzung der Eisenzölle, die ebenfalls der bei weitem am meisten — auch<lb/> dem geographische» Größeuverhältttiß »ach — Eisen erzeugende Staat, Preußen,<lb/> 'beantragte, und welche die süddeutschen Staaten, deren Eiscuindustiie unver-<lb/> hältnißmäßig viel geringer ist, vereitelten. Selbst der Anschluß Hannovers, der<lb/> dem ZollvereiuShandcl den so nothwendigen Zutritt zu der Nordsee verschaffte. sa»d<lb/> den lebhaftesten Widerspruch, weil er Preußens Einfluß verstärken mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1067" next="#ID_1068"> Daß es nicht in dieser Weise fortgehen kann, darüber sind alle Parteien einig,<lb/> sowol die innerhalb, wie die, welche noch außerhalb des Zollvereins stehen. Aber</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0407]
der umliegenden Staaten gebotene Fortentwicklung unmöglich macht. Außerhalb
des Bundes gegründet, damit die in demselben sich geltend machenden politischen
Rivalitäten nicht störend in das ihnen fremde Gebiet der Handels- und Gewerbe-
Politik eingriffen , bietet er jetzt dasselbe Schauspiel wie der Bundestag dar, und
kann wegen Mangel an Einstimmigkeit über die wichtigsten und brennendsten Fragen
zu keinem Beschluß kommen. Seine rückgängige Bewegung datirt eigentlich schon
seit dem Anschluß Baierns und Würtembergs an denselben, deren Staatsmänner,
von listschcn Ideen durchdrungen, den Tendenzen der Schutzzollpolitik zuerst in
seinen Berathungen und Beschlüssen Geltung verschafften. Damals aber bestimmten
noch lediglich Handels- und Jndnstrieinteresse», wenn auch mißverstandene, die Oppo¬
sition in ihrem Gebahren. Seit 1830 aber hat sie eine Tendenz angenommen, die
auf den Zollverein zerstörend wirken muß. Ehedem standen sich blos Schutzzoll
nud gemäßigte Freihandclspolitik gegenüber, jetzt ist der Zollverein der Tummelplatz
geworden, auf dem sich die politischen Gegensätze der bamberger Koalition und
Preußens bekämpfen, und selbst das dranßcnstehende Oestreich hat seine Vorposten
mitten in das ihm fremde Gebiet vorgeschoben, und besitzt thatsächlich eine
Stimme im Rathe der Zollvcrbündeten, ohne dagegen Verpflichtungen übernehmen zu
müssen und an ihre Beschlüsse gebunden zu sein. Das politische Interesse hat
ganz entschieden den Vortritt vor dem commerciellen, und der Zweck des Zollver¬
eins, Einigung der materiellen Interessen deutscher Staaten, ist ganz aus dem
Auge verloren worden. Selbst die finanziellen Nachtheile der Uneinigkeit, die sich
doch sonst am leichteste» Gehör verschaffen, werden nicht mehr berücksichtigt. Be¬
kanntlich trägt die Begünstigung der Rübenzuckerindustrie die Hauptschuld an der
Verminderung der Zollcinnahmen. Schon deshalb — der andern Nachtheile dieser
widernatürlichen Industrie nicht zu gedenken — war es wünschenswerth, das Pri¬
vilegium aufzuheben, welches 32 Millionen Consumenten zwingt, theuern Zucker
zu essen, damit einige hundert Producenten zu großer Benachtheiligung der Ge-
treideproduction ein lucrativcs Geschäft treiben können; und Preußen hat auch
wirklich wiederholt den Antrag gestellt, den Zoll auf Colonialzncker zu vermindern,
oder den auf Rübenzucker zu erhöhen, und damit die Zolleinnahmen wieder aus die
alte Höhe zu bringen. Aber obgleich auf Preuße« allein 87 oder 90 Procent
sämmtlicher Nübenzuckerfabrikcn des Zollvereins fallen, und der materielle Nach¬
theil, der ans der Beschränkung dieser künstlich geförderten Industrie entstehen
könnte, fast ausschließlich auf Preußen falle» würde, ist eine Veränderung der bis¬
her bestandenen Zollsätze grade durch die Staaten verneint worden, wo die Rüben-
zuckerintnstne nur eine dürftige Entwicklung erreicht hat. Ganz dasselbe war der
Fall mit einem andern höchst dringenden Bedürfniß der deutschen Industrie: mit
der Herabsetzung der Eisenzölle, die ebenfalls der bei weitem am meisten — auch
dem geographische» Größeuverhältttiß »ach — Eisen erzeugende Staat, Preußen,
'beantragte, und welche die süddeutschen Staaten, deren Eiscuindustiie unver-
hältnißmäßig viel geringer ist, vereitelten. Selbst der Anschluß Hannovers, der
dem ZollvereiuShandcl den so nothwendigen Zutritt zu der Nordsee verschaffte. sa»d
den lebhaftesten Widerspruch, weil er Preußens Einfluß verstärken mußte.
Daß es nicht in dieser Weise fortgehen kann, darüber sind alle Parteien einig,
sowol die innerhalb, wie die, welche noch außerhalb des Zollvereins stehen. Aber
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