Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.Gleichgewichts, wenn nicht gar die Vernichtung der Freiheit des ganzen Welttheils Auch diejenigen Organe der deutschen Presse, die wir zu unsern Gesinnungs- Ganz abgesehen aber davon, daß wir es gar nicht für rathsam für deutsche Gleichgewichts, wenn nicht gar die Vernichtung der Freiheit des ganzen Welttheils Auch diejenigen Organe der deutschen Presse, die wir zu unsern Gesinnungs- Ganz abgesehen aber davon, daß wir es gar nicht für rathsam für deutsche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104605"/> <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058"> Gleichgewichts, wenn nicht gar die Vernichtung der Freiheit des ganzen Welttheils<lb/> zu Gunsten russischer Alleinherrschaft sah. Jetzt weiß sie sich recht gut in die<lb/> veränderten Verhältnisse zu fügen, und in der ihren frühern Wünschen so diametral<lb/> entgegengesetzten Ausgleichung wieder genau das zu finden, was den Intentionen<lb/> und Interessen des Kaiserstaates an der Donau am allerbesten entspricht. Eine solche<lb/> Gewandtheit hat immer ihr Ancrkennungswerthcs, zumal da die doctrinäre Marotte<lb/> eine politische Ueberzeugung zu haben, und ihr selbst dann treu zu bleiben, wenn<lb/> die Gunst des Schicksals sie verlassen hat, für unsere College» an der Donau unter<lb/> den gegebenen Verhältnissen wenig zu passe» scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060"> Auch diejenigen Organe der deutschen Presse, die wir zu unsern Gesinnungs-<lb/> genossen zu zählen gewohnt sind, haben während des Conflicts fast ohne Ausnahme auf<lb/> Oestreichs Seite gestanden, und selbst die preußische unabhängige Presse hat den Entschluß<lb/> des berliner Cabinets, sich den protcstirenden Mächten anzuschließen, mehr oder min¬<lb/> der offen getadelt. In der That unterscheidet sich ihr Verhalten in der ganzen<lb/> Angelegenheit nur insofern von dem der östreichischen College», daß sie, während man<lb/> an der Donau bereits neue diplomatische Siege Oestreichs feiert, den Ausgang auch<lb/> heule noch eine Niederlage Oestreichs nennt, und ihn sogar als eine deutsche beklagt.<lb/> Es thut uus aufrichtig leid, dies Mal nicht mit unsern Gesinnungsgenossen<lb/> übereinstimmen zu können. Das Opfer, unter allen Umständen für Oestreich ein¬<lb/> zustehen, erscheint uns überhaupt als zu groß für die winzigen Gegenleistungen, die<lb/> man an der Donan dafür Deutschland zu gewähren bereit ist. Die Rücksichten,<lb/> welche die Verbindung Deutschlands mit Oestreich, in die uns Geschichte und Staats-<lb/> recht einmal gebannt haben, ersterem auferlegt, wirken schon viel zu hemmend auf<lb/> unsere politische Entwicklung, als daß wir uns geneigt fühlen sollten, noch mehr<lb/> zu nehmen als wir müssen, und wenn wir die Gefügigkeit bedenken, welche Preußen<lb/> bis in die vierziger Jahre, und dann wieder von 1830 an gegen Oestreich an den<lb/> Tag gelegt hat, und die geringe Geneigtheit, welche dafür Oestreich gezeigt hat, ans<lb/> die politischen Wünsche und Bedürfnisse Preußens und Deutschlands einzugehen;<lb/> wie es dagegen jede Gelegenheit benutzt, um in das der Politik Preußens zukom¬<lb/> mende Gebiet störend einzugreifen, so dünkt es uns hohe Zeit zu sein, mit der<lb/> Gefälligkeit einmal aufzuhören, und den vergeßlichen Bundesgenossen durch das<lb/> Ausbleiben der Hilfe an ihre Wichtigkeit für ihn zu erinnern. Wenn ein<lb/> Freund bei dem andern fortwährend neue Anleihen macht, ohne die alten zu bezah¬<lb/> len, sogar mögliche Hilfe verweigert, wenn dieser wieder selbst in Noth ist, dann<lb/> ist die Zeit vorbei feurige Kohlen auf sein Haupt zu sammeln, und niemand wird<lb/> es dem sonst so Hilfbereiten verargen, wenn er den Schlüssel zur Kasse in die Tasche<lb/> steckt und zu dem Freunde sagt: Sieh zu, ob dir die andern helfen! Auch in der<lb/> Politik hört die Gemüthlichkeit auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1061" next="#ID_1062"> Ganz abgesehen aber davon, daß wir es gar nicht für rathsam für deutsche<lb/> Interessen halten, wenn Preußen sich unbedingt der östreichischen Politik in allen<lb/> ihren Wandlungen anschließt, hatte das berliner Cabinet in dem vorliegenden Falle<lb/> nicht einmal freie Hand. Es ist wie Oestreich Mitunterzeichner des pariser Vertrags<lb/> und zur Aufrechterhaltung der Bestimmungen desselben verpflichtet. Eine derselben<lb/> verspricht den Douaufürstcnthümern eine neue politische Organisation, über welche ans<lb/> freier Wahl hervorgegangene Divans sich aussprechen solle». Daß die Wahlen in</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Gleichgewichts, wenn nicht gar die Vernichtung der Freiheit des ganzen Welttheils
zu Gunsten russischer Alleinherrschaft sah. Jetzt weiß sie sich recht gut in die
veränderten Verhältnisse zu fügen, und in der ihren frühern Wünschen so diametral
entgegengesetzten Ausgleichung wieder genau das zu finden, was den Intentionen
und Interessen des Kaiserstaates an der Donau am allerbesten entspricht. Eine solche
Gewandtheit hat immer ihr Ancrkennungswerthcs, zumal da die doctrinäre Marotte
eine politische Ueberzeugung zu haben, und ihr selbst dann treu zu bleiben, wenn
die Gunst des Schicksals sie verlassen hat, für unsere College» an der Donau unter
den gegebenen Verhältnissen wenig zu passe» scheint.
Auch diejenigen Organe der deutschen Presse, die wir zu unsern Gesinnungs-
genossen zu zählen gewohnt sind, haben während des Conflicts fast ohne Ausnahme auf
Oestreichs Seite gestanden, und selbst die preußische unabhängige Presse hat den Entschluß
des berliner Cabinets, sich den protcstirenden Mächten anzuschließen, mehr oder min¬
der offen getadelt. In der That unterscheidet sich ihr Verhalten in der ganzen
Angelegenheit nur insofern von dem der östreichischen College», daß sie, während man
an der Donau bereits neue diplomatische Siege Oestreichs feiert, den Ausgang auch
heule noch eine Niederlage Oestreichs nennt, und ihn sogar als eine deutsche beklagt.
Es thut uus aufrichtig leid, dies Mal nicht mit unsern Gesinnungsgenossen
übereinstimmen zu können. Das Opfer, unter allen Umständen für Oestreich ein¬
zustehen, erscheint uns überhaupt als zu groß für die winzigen Gegenleistungen, die
man an der Donan dafür Deutschland zu gewähren bereit ist. Die Rücksichten,
welche die Verbindung Deutschlands mit Oestreich, in die uns Geschichte und Staats-
recht einmal gebannt haben, ersterem auferlegt, wirken schon viel zu hemmend auf
unsere politische Entwicklung, als daß wir uns geneigt fühlen sollten, noch mehr
zu nehmen als wir müssen, und wenn wir die Gefügigkeit bedenken, welche Preußen
bis in die vierziger Jahre, und dann wieder von 1830 an gegen Oestreich an den
Tag gelegt hat, und die geringe Geneigtheit, welche dafür Oestreich gezeigt hat, ans
die politischen Wünsche und Bedürfnisse Preußens und Deutschlands einzugehen;
wie es dagegen jede Gelegenheit benutzt, um in das der Politik Preußens zukom¬
mende Gebiet störend einzugreifen, so dünkt es uns hohe Zeit zu sein, mit der
Gefälligkeit einmal aufzuhören, und den vergeßlichen Bundesgenossen durch das
Ausbleiben der Hilfe an ihre Wichtigkeit für ihn zu erinnern. Wenn ein
Freund bei dem andern fortwährend neue Anleihen macht, ohne die alten zu bezah¬
len, sogar mögliche Hilfe verweigert, wenn dieser wieder selbst in Noth ist, dann
ist die Zeit vorbei feurige Kohlen auf sein Haupt zu sammeln, und niemand wird
es dem sonst so Hilfbereiten verargen, wenn er den Schlüssel zur Kasse in die Tasche
steckt und zu dem Freunde sagt: Sieh zu, ob dir die andern helfen! Auch in der
Politik hört die Gemüthlichkeit auf.
Ganz abgesehen aber davon, daß wir es gar nicht für rathsam für deutsche
Interessen halten, wenn Preußen sich unbedingt der östreichischen Politik in allen
ihren Wandlungen anschließt, hatte das berliner Cabinet in dem vorliegenden Falle
nicht einmal freie Hand. Es ist wie Oestreich Mitunterzeichner des pariser Vertrags
und zur Aufrechterhaltung der Bestimmungen desselben verpflichtet. Eine derselben
verspricht den Douaufürstcnthümern eine neue politische Organisation, über welche ans
freier Wahl hervorgegangene Divans sich aussprechen solle». Daß die Wahlen in
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