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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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rungöbezirkS Arnsberg mit S87,0ti Einwohnern, an Hausirern nur 10S6
d. h. 0.26"/o besitzen.

Die Zahl dieser Haustrer darf übrigens nicht blos nach den ausgegebenen
Gewerbescheinen bestimmt werden, denn ein großer Theil handelt im Auslande
und bedarf also keiner Gewerbescheine. Die wirkliche Zahl ist z. B. im Amt
Bigge 209, in Winterbcrg 170, in Niedersfeld 200, so daß den Angaben der
Gewerbesteuerrolle mindestens 25"/g zugesetzt werden können.

Seit unvordenklichen Zeilen haben die Bewohner jenes GebirgSstockS,
welcher sich in dem kahlen Asten berge gipfelt, die Nahrung, welche sie in
ihrer unfruchtbaren Heimath aus Höhen von 2000 Fuß und mehr nicht finden
konnten, draußen in vieler Herren Länder gesucht. Sie werden damit begonnen
haben, die wichtigsten Fabrikate, welche jene Gegend selbst gewinnt, nämlich
grobe Holz- und Eisenwaaren, hausirend zu verbreiten, erstere aus dem damals
unerschöpflichen Material der Wälder geschnitzelt und gedreht, letztere auf den
einheimischen Wappenhämmern und Nagelschmieden verfertigt. Diese einfache
Gestalt des Handelsverkehrs findet sich noch gegenwärtig, namentlich in dem
Süden des Kreises Brilon und dem anstoßenden wiltgensteinschen. Dort wer¬
den während des Winters allerkand Holzwaaren, als Löffel jeder Art,
Becken, Mulden, Füllen, Wurfschaufel", Butter-, Salz- und Kaffcedosen,
Seiseniöpfe, Bullerstecher, Salzmörser, Apoihekerbüchsen, Krahnen, (letztere
besonders in Hallenberg, Medelvn und in der ehemaligen Frcigrafschaft Dü-
dmghanse"), endlich Wetzsteine zum scharfen der Sensen und Sicheln (diese
i" Hesborn) von der ganzen Bevölkerung, von Ackerwirthen und Beiliegern,
von Hausirern und Nichll>ausüe>n bis zum Schulmeister hin, verfertigt, und
im Sommer nehmen die Männer und die rüstigen Jungen die Waare auf den
Rücken und tragen sie ni glücklichere Gegenden, wo Ackerbau und Gewerbe
blühen, oder lassen sich dieselben zu Wage" nachsende". Auch gestrickte
wollene Waare", Strickgarn und Feuerschwamm gehören zu den eigen¬
thümlichen Eizeugiussen des Gewerbfleißes jenes Gebirgolandes und bilden des¬
halb aliherkommlich einen Gegenstand des Hausügeschäils. Die einheimische"
Eisenwaaren gaben vielleicht den (röter Anknüpfungspunkt zur Husdelmnng
des Hausiihandels auf andere Artikel; zunächst auf die verwandle" Fabrikate aus
Eisen und Slahl, welche die Enneperstraße, Solingen und Steiermark liefern.
Artikel auf Artikel schloß sich daran, so daß jetzt dieser Handel nicht nur irdene
und Glasivaaren, allerhand Kram, so wie (doch seltener) Mannfactuiwaaren,
sondern überhaupt alle Gegenstände umfaßt, mit denen sich in den betreffenden
Gegenden Geschäfte machen lassen; indessen bleiben die ursprünglichen Artikel,
-- hölzerne und Eisenwaaren, und unter letzteren voinehmlich Sensen und
Fulterklinge", -- der eigentliche Kern dieses Handelsbetriebes. Das Gebiet
dieses Geschäfts begreift ganz Deutschland und erstreckt sich westwärts bis nach


rungöbezirkS Arnsberg mit S87,0ti Einwohnern, an Hausirern nur 10S6
d. h. 0.26"/o besitzen.

Die Zahl dieser Haustrer darf übrigens nicht blos nach den ausgegebenen
Gewerbescheinen bestimmt werden, denn ein großer Theil handelt im Auslande
und bedarf also keiner Gewerbescheine. Die wirkliche Zahl ist z. B. im Amt
Bigge 209, in Winterbcrg 170, in Niedersfeld 200, so daß den Angaben der
Gewerbesteuerrolle mindestens 25"/g zugesetzt werden können.

Seit unvordenklichen Zeilen haben die Bewohner jenes GebirgSstockS,
welcher sich in dem kahlen Asten berge gipfelt, die Nahrung, welche sie in
ihrer unfruchtbaren Heimath aus Höhen von 2000 Fuß und mehr nicht finden
konnten, draußen in vieler Herren Länder gesucht. Sie werden damit begonnen
haben, die wichtigsten Fabrikate, welche jene Gegend selbst gewinnt, nämlich
grobe Holz- und Eisenwaaren, hausirend zu verbreiten, erstere aus dem damals
unerschöpflichen Material der Wälder geschnitzelt und gedreht, letztere auf den
einheimischen Wappenhämmern und Nagelschmieden verfertigt. Diese einfache
Gestalt des Handelsverkehrs findet sich noch gegenwärtig, namentlich in dem
Süden des Kreises Brilon und dem anstoßenden wiltgensteinschen. Dort wer¬
den während des Winters allerkand Holzwaaren, als Löffel jeder Art,
Becken, Mulden, Füllen, Wurfschaufel», Butter-, Salz- und Kaffcedosen,
Seiseniöpfe, Bullerstecher, Salzmörser, Apoihekerbüchsen, Krahnen, (letztere
besonders in Hallenberg, Medelvn und in der ehemaligen Frcigrafschaft Dü-
dmghanse»), endlich Wetzsteine zum scharfen der Sensen und Sicheln (diese
i» Hesborn) von der ganzen Bevölkerung, von Ackerwirthen und Beiliegern,
von Hausirern und Nichll>ausüe>n bis zum Schulmeister hin, verfertigt, und
im Sommer nehmen die Männer und die rüstigen Jungen die Waare auf den
Rücken und tragen sie ni glücklichere Gegenden, wo Ackerbau und Gewerbe
blühen, oder lassen sich dieselben zu Wage» nachsende». Auch gestrickte
wollene Waare», Strickgarn und Feuerschwamm gehören zu den eigen¬
thümlichen Eizeugiussen des Gewerbfleißes jenes Gebirgolandes und bilden des¬
halb aliherkommlich einen Gegenstand des Hausügeschäils. Die einheimische»
Eisenwaaren gaben vielleicht den (röter Anknüpfungspunkt zur Husdelmnng
des Hausiihandels auf andere Artikel; zunächst auf die verwandle» Fabrikate aus
Eisen und Slahl, welche die Enneperstraße, Solingen und Steiermark liefern.
Artikel auf Artikel schloß sich daran, so daß jetzt dieser Handel nicht nur irdene
und Glasivaaren, allerhand Kram, so wie (doch seltener) Mannfactuiwaaren,
sondern überhaupt alle Gegenstände umfaßt, mit denen sich in den betreffenden
Gegenden Geschäfte machen lassen; indessen bleiben die ursprünglichen Artikel,
— hölzerne und Eisenwaaren, und unter letzteren voinehmlich Sensen und
Fulterklinge», — der eigentliche Kern dieses Handelsbetriebes. Das Gebiet
dieses Geschäfts begreift ganz Deutschland und erstreckt sich westwärts bis nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/402>, abgerufen am 01.07.2024.