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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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fassung und der unverständigsten Sparsucht, wie der wohlwollendsten Huma¬
nität und gesunder politischer Anschauungen. Wir fürchten nur, daß die
erster" Anweisungen eine raschere Folgsamkeit gefunden haben, als die letztern,
wenn freilich auch keineswegs eine unbedingte, denn dazu war die Macht an¬
derer Einflüsse und Verhältnisse zu groß.

Neben dem Gesellschastsvorstand stand als Regierungsbehörde nämlich der
sogenannte doarä ok control, die Aufsichtsbehörde für indische An¬
gelegenheiten. Dieselbe ist in ihrer jetzigen Gestalt zwar noch nicht im
I. 1773 ins Leben getreten, doch ward schon damals festgesetzt, daß der Krone
alle auf die Finanzen, die Regierung und das Kriegswesen Indiens be¬
züglichen Papiere zur Einsicht und Genehmigung vorgelegt werden sollten.
Daraus entwickelte sich -I78i der boarä c>k control. Der Directorialhof
hat demselben sämmtliche Beschlüsse und Korrespondenzen von und nach Ost¬
indien mitzutheilen, und ist verpflichtet, die vom boarä ok control ausgehenden
Jnstructionen an die Gouverneure abzusenden, zu welchem Zwecke er aus seiner
Mitte einen ständigen geheimen Ausschuß erwählt. Man sieht, daß die ei¬
gentliche politische Gewalt weit mehr bei der Regierungsbehörde als beim
Gesellschaftsvorstande liegt, und daß keinem von beiden Theilen ein Vorwurf
gespart werden kann, den der andere verdient. Aber den ungeheuren Nachtheil
hat die ganze Einrichtung, daß sie nach allen Seiten hin die Verantwortlich¬
keit schwächt und die Thatkraft lähmte. Man wird den Directoren doch nicht
alle und jede selbstständige Betheiligung an ihren eignen Angelegenheiten ent¬
ziehen können, und selbst wenn einmal der Präsident der indischen Aufsichts¬
behörde durchgreifend wirken wollte, was nach bestehenden englischen Ver¬
hältnissen auch sonst seine Schwierigkeiten hat, so kann er in der directen oder
indirecten Widerspenstigkeit der Directoren, falls diese seinen Ansichten wider¬
streben, oder auch nur in ihren sonstigen Einflüssen Hemmnisse genug gegen
die Durchführung seines Willens finden. Dazu bekleidet der Präsident der
Aufsichtsbehörde ein politisches Amt d. h. er wechselt mit dem jedesmaligen
Ministerium und bringt oft nicht einmal die vollständige Kenntniß aller Ver¬
hältnisse mit, ist also wesentlich an den durch allmälige Ernennung feste Tra¬
ditionen in sich verkörpernden Directorialhos gebunden. Kurz und gut, beide
Theile, indische Aufsichtsbehörde und Gesellschaftsvorstand können sich gegen¬
seitig in dem Maße neutralisiren, daß sie kaum nothdürftig fortkommen können
und ist dies allerdings auch mehrfach geschehen.

Die dritte Behörde ist der Präsident von Bengalen, zugleich General¬
gouvemeur von ganz Ostindien mit Ausnahme von Ceylon, das direct der
Krone gehört. Eigentlich ist er den heimischen Behörden unterworfen und
unterliegt selbst einer Art Beschränkung durch den Rath von Bengalen,
einem aus Beamten der Gesellschaft bestehenden Körper. Geht man aber


fassung und der unverständigsten Sparsucht, wie der wohlwollendsten Huma¬
nität und gesunder politischer Anschauungen. Wir fürchten nur, daß die
erster« Anweisungen eine raschere Folgsamkeit gefunden haben, als die letztern,
wenn freilich auch keineswegs eine unbedingte, denn dazu war die Macht an¬
derer Einflüsse und Verhältnisse zu groß.

Neben dem Gesellschastsvorstand stand als Regierungsbehörde nämlich der
sogenannte doarä ok control, die Aufsichtsbehörde für indische An¬
gelegenheiten. Dieselbe ist in ihrer jetzigen Gestalt zwar noch nicht im
I. 1773 ins Leben getreten, doch ward schon damals festgesetzt, daß der Krone
alle auf die Finanzen, die Regierung und das Kriegswesen Indiens be¬
züglichen Papiere zur Einsicht und Genehmigung vorgelegt werden sollten.
Daraus entwickelte sich -I78i der boarä c>k control. Der Directorialhof
hat demselben sämmtliche Beschlüsse und Korrespondenzen von und nach Ost¬
indien mitzutheilen, und ist verpflichtet, die vom boarä ok control ausgehenden
Jnstructionen an die Gouverneure abzusenden, zu welchem Zwecke er aus seiner
Mitte einen ständigen geheimen Ausschuß erwählt. Man sieht, daß die ei¬
gentliche politische Gewalt weit mehr bei der Regierungsbehörde als beim
Gesellschaftsvorstande liegt, und daß keinem von beiden Theilen ein Vorwurf
gespart werden kann, den der andere verdient. Aber den ungeheuren Nachtheil
hat die ganze Einrichtung, daß sie nach allen Seiten hin die Verantwortlich¬
keit schwächt und die Thatkraft lähmte. Man wird den Directoren doch nicht
alle und jede selbstständige Betheiligung an ihren eignen Angelegenheiten ent¬
ziehen können, und selbst wenn einmal der Präsident der indischen Aufsichts¬
behörde durchgreifend wirken wollte, was nach bestehenden englischen Ver¬
hältnissen auch sonst seine Schwierigkeiten hat, so kann er in der directen oder
indirecten Widerspenstigkeit der Directoren, falls diese seinen Ansichten wider¬
streben, oder auch nur in ihren sonstigen Einflüssen Hemmnisse genug gegen
die Durchführung seines Willens finden. Dazu bekleidet der Präsident der
Aufsichtsbehörde ein politisches Amt d. h. er wechselt mit dem jedesmaligen
Ministerium und bringt oft nicht einmal die vollständige Kenntniß aller Ver¬
hältnisse mit, ist also wesentlich an den durch allmälige Ernennung feste Tra¬
ditionen in sich verkörpernden Directorialhos gebunden. Kurz und gut, beide
Theile, indische Aufsichtsbehörde und Gesellschaftsvorstand können sich gegen¬
seitig in dem Maße neutralisiren, daß sie kaum nothdürftig fortkommen können
und ist dies allerdings auch mehrfach geschehen.

Die dritte Behörde ist der Präsident von Bengalen, zugleich General¬
gouvemeur von ganz Ostindien mit Ausnahme von Ceylon, das direct der
Krone gehört. Eigentlich ist er den heimischen Behörden unterworfen und
unterliegt selbst einer Art Beschränkung durch den Rath von Bengalen,
einem aus Beamten der Gesellschaft bestehenden Körper. Geht man aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/388>, abgerufen am 24.08.2024.