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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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von Landerwerb in so weiten Fernen gründlich abgeneigt war. Die Portu¬
giesen hätten nie aus dem Lande einen Vortheil gezogen, seitdem sie Be¬
schützer .eines Theils desselben geworden und auch die Holländer hätten heraus¬
gefunden, daß seitdem sie mit dem Schwerte Anpflanzungen erworben, der
todte Boden all ihren Gewinn absorbire. Wunderbare Fügung, daß Portugiesen
und Holländer fast nichts vom indischen Boden behalten haben, während die
spätern und so sehr viel bescheidenem Ankömmlinge das unermeßliche britisch-
ostindische Reich begründeten! Einige kleine Erwerbungen wurden indeß bereits
im 17. Jahrhundert gemacht, so namentlich von Madras, Bombay, Surat,
hauptsächlich zum Schutze von Leben und Eigenthum bei den unsichern Zu¬
ständen des Landes und deshalb auch sofort nach dem Erwerb befestigt. Da¬
durch war denn auch die Nothwendigkeit einer nicht blos mehr kaufmännischen
Verwaltung gegeben. Es ward eine Präsidentschaft errichtet, zunächst in
Surat, dann in Madras und erst -1713 in Kalkutta, dessen in jener Zeit
erbautes Fort William noch jetzt den officiellen Titel für die Präsidentschaft
Bengalen gibt. Auch erhielt die Gesellschaft unter königlichem Jnsiegel die
Vollmacht, Uebelthäter nach Kriegsrecht zu richten. Die erstern größern Civil¬
gerichtshöfe wurden in den I. 166!) und 1670 in Bombay eingesetzt, doch
wurden dieselben nicht mit Rechtsgelehrten, sondern mit Beamten der Com¬
pagnie besetzt und lassen die vorhandenen Nachrichten allerdings nicht auf
eine besonders gut gehandhabte Justiz schließen. Die Beamten oder richtiger
die Angestellten waren eingetheilt in Lehrlinge (gpprentioes) die erst nach fünf
Jahren 10 Pf. Se. jährliches Gehalt erhielten und weitere zwei Jahre darauf
Schreiber (wrilers), dann nach einem Jahr Gehilfen (laotors) wurden. Noch
später rückten sie in den Stand der Kaufleute (merckanls) und Altkaufleule
(senior mercnanls) hinauf. Diese Eintheilung hat sich noch lange erhalten,
nachdem die Compagnie mächtige Herrschaften erworben hatte. Gegen Militär¬
beamte und militärischen Einfluß war die Gesellschaft aber im höchsten Grade
mißtrauisch.

DaS ungefähr war der ganze Verwaltungsapparat, als im I. 17S7
Clive in der Schlacht von Plassy den Grund zur britischen Herrschaft in Ost¬
indien legte. Das ganze südliche Bengalen mit Behar und Orisse fiel der
Compagnie zu; dieselbe war indeß gar nicht geneigt, sich um irgend etwas
Anderes als die Einkünfte dieser Provinzen z" bekümmern und Clive rieth
noch im I. 1767 jede unmittelbare Besitznahme abseiten der Compagnie ab;
er fürchtete zumeist die Eifersucht anderer europäischer Mächte. ' Allein der
Zustand wurde allgemach unerträglich, zur Bestechlichkeit und Naubsucht der
Eingebornen war der PlünderungSeifer der Europäer hinzugetreten -- es waren
die ersten goldenen Tage, wo jeder Compagnicschreiber daS Anrecht zu haben
glaubte, ein "Nabob" zu werden,--und so blieben denn auch die erwarteten


von Landerwerb in so weiten Fernen gründlich abgeneigt war. Die Portu¬
giesen hätten nie aus dem Lande einen Vortheil gezogen, seitdem sie Be¬
schützer .eines Theils desselben geworden und auch die Holländer hätten heraus¬
gefunden, daß seitdem sie mit dem Schwerte Anpflanzungen erworben, der
todte Boden all ihren Gewinn absorbire. Wunderbare Fügung, daß Portugiesen
und Holländer fast nichts vom indischen Boden behalten haben, während die
spätern und so sehr viel bescheidenem Ankömmlinge das unermeßliche britisch-
ostindische Reich begründeten! Einige kleine Erwerbungen wurden indeß bereits
im 17. Jahrhundert gemacht, so namentlich von Madras, Bombay, Surat,
hauptsächlich zum Schutze von Leben und Eigenthum bei den unsichern Zu¬
ständen des Landes und deshalb auch sofort nach dem Erwerb befestigt. Da¬
durch war denn auch die Nothwendigkeit einer nicht blos mehr kaufmännischen
Verwaltung gegeben. Es ward eine Präsidentschaft errichtet, zunächst in
Surat, dann in Madras und erst -1713 in Kalkutta, dessen in jener Zeit
erbautes Fort William noch jetzt den officiellen Titel für die Präsidentschaft
Bengalen gibt. Auch erhielt die Gesellschaft unter königlichem Jnsiegel die
Vollmacht, Uebelthäter nach Kriegsrecht zu richten. Die erstern größern Civil¬
gerichtshöfe wurden in den I. 166!) und 1670 in Bombay eingesetzt, doch
wurden dieselben nicht mit Rechtsgelehrten, sondern mit Beamten der Com¬
pagnie besetzt und lassen die vorhandenen Nachrichten allerdings nicht auf
eine besonders gut gehandhabte Justiz schließen. Die Beamten oder richtiger
die Angestellten waren eingetheilt in Lehrlinge (gpprentioes) die erst nach fünf
Jahren 10 Pf. Se. jährliches Gehalt erhielten und weitere zwei Jahre darauf
Schreiber (wrilers), dann nach einem Jahr Gehilfen (laotors) wurden. Noch
später rückten sie in den Stand der Kaufleute (merckanls) und Altkaufleule
(senior mercnanls) hinauf. Diese Eintheilung hat sich noch lange erhalten,
nachdem die Compagnie mächtige Herrschaften erworben hatte. Gegen Militär¬
beamte und militärischen Einfluß war die Gesellschaft aber im höchsten Grade
mißtrauisch.

DaS ungefähr war der ganze Verwaltungsapparat, als im I. 17S7
Clive in der Schlacht von Plassy den Grund zur britischen Herrschaft in Ost¬
indien legte. Das ganze südliche Bengalen mit Behar und Orisse fiel der
Compagnie zu; dieselbe war indeß gar nicht geneigt, sich um irgend etwas
Anderes als die Einkünfte dieser Provinzen z» bekümmern und Clive rieth
noch im I. 1767 jede unmittelbare Besitznahme abseiten der Compagnie ab;
er fürchtete zumeist die Eifersucht anderer europäischer Mächte. ' Allein der
Zustand wurde allgemach unerträglich, zur Bestechlichkeit und Naubsucht der
Eingebornen war der PlünderungSeifer der Europäer hinzugetreten — es waren
die ersten goldenen Tage, wo jeder Compagnicschreiber daS Anrecht zu haben
glaubte, ein „Nabob" zu werden,—und so blieben denn auch die erwarteten


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[0386] von Landerwerb in so weiten Fernen gründlich abgeneigt war. Die Portu¬ giesen hätten nie aus dem Lande einen Vortheil gezogen, seitdem sie Be¬ schützer .eines Theils desselben geworden und auch die Holländer hätten heraus¬ gefunden, daß seitdem sie mit dem Schwerte Anpflanzungen erworben, der todte Boden all ihren Gewinn absorbire. Wunderbare Fügung, daß Portugiesen und Holländer fast nichts vom indischen Boden behalten haben, während die spätern und so sehr viel bescheidenem Ankömmlinge das unermeßliche britisch- ostindische Reich begründeten! Einige kleine Erwerbungen wurden indeß bereits im 17. Jahrhundert gemacht, so namentlich von Madras, Bombay, Surat, hauptsächlich zum Schutze von Leben und Eigenthum bei den unsichern Zu¬ ständen des Landes und deshalb auch sofort nach dem Erwerb befestigt. Da¬ durch war denn auch die Nothwendigkeit einer nicht blos mehr kaufmännischen Verwaltung gegeben. Es ward eine Präsidentschaft errichtet, zunächst in Surat, dann in Madras und erst -1713 in Kalkutta, dessen in jener Zeit erbautes Fort William noch jetzt den officiellen Titel für die Präsidentschaft Bengalen gibt. Auch erhielt die Gesellschaft unter königlichem Jnsiegel die Vollmacht, Uebelthäter nach Kriegsrecht zu richten. Die erstern größern Civil¬ gerichtshöfe wurden in den I. 166!) und 1670 in Bombay eingesetzt, doch wurden dieselben nicht mit Rechtsgelehrten, sondern mit Beamten der Com¬ pagnie besetzt und lassen die vorhandenen Nachrichten allerdings nicht auf eine besonders gut gehandhabte Justiz schließen. Die Beamten oder richtiger die Angestellten waren eingetheilt in Lehrlinge (gpprentioes) die erst nach fünf Jahren 10 Pf. Se. jährliches Gehalt erhielten und weitere zwei Jahre darauf Schreiber (wrilers), dann nach einem Jahr Gehilfen (laotors) wurden. Noch später rückten sie in den Stand der Kaufleute (merckanls) und Altkaufleule (senior mercnanls) hinauf. Diese Eintheilung hat sich noch lange erhalten, nachdem die Compagnie mächtige Herrschaften erworben hatte. Gegen Militär¬ beamte und militärischen Einfluß war die Gesellschaft aber im höchsten Grade mißtrauisch. DaS ungefähr war der ganze Verwaltungsapparat, als im I. 17S7 Clive in der Schlacht von Plassy den Grund zur britischen Herrschaft in Ost¬ indien legte. Das ganze südliche Bengalen mit Behar und Orisse fiel der Compagnie zu; dieselbe war indeß gar nicht geneigt, sich um irgend etwas Anderes als die Einkünfte dieser Provinzen z» bekümmern und Clive rieth noch im I. 1767 jede unmittelbare Besitznahme abseiten der Compagnie ab; er fürchtete zumeist die Eifersucht anderer europäischer Mächte. ' Allein der Zustand wurde allgemach unerträglich, zur Bestechlichkeit und Naubsucht der Eingebornen war der PlünderungSeifer der Europäer hinzugetreten — es waren die ersten goldenen Tage, wo jeder Compagnicschreiber daS Anrecht zu haben glaubte, ein „Nabob" zu werden,—und so blieben denn auch die erwarteten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/386>, abgerufen am 24.08.2024.