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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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bekommen wird. Hellblaue flatternde Baumwollenkittel, ein gelber Burnus
betroddclt und verbrämt, ein kohlschwarzer Abyssinier mit schneeweißem Turban
und Gewand, ein Haufe Arnauten in rothen und blauen Schnurenjacken, um
die Hüften Ledergürtel, ans denen ein ganzes Magazin von Mordinstrumenten,
silberbeschlagenen Pistolen, langhalsigen Aalaghanen, krummen Dolchen hervor¬
droht, ein griechischer Stutzer, der die hohe röche Mütze keck auf die Seite ge¬
setzt hat, und dem die weiße Fustanella, mit ihrer regelmäßig geplätteten
steifen Faltenfülle, ebenso vielen Stearinkerzenbündeln vergleichbar, dickbauschig
um die Knie baumelt, ein Nudel von Kindern, jedes mit einer Schmuznase,
jedes mit ein paar Dutzend Fliegen an den Augenliedern folgen als Zu¬
schauer.

Wir blicken auf von unserm Blatt und sehen drunten eine andere Welle
über deu Platz finden. Kopten in schwarzen Kaftanen und schwarzen oder
dunkelblauen Turbanen, daS messingne Schreibzeug wie ein Pistol im Gürtel,
in der Hand Geschriebenes, denn sie sind die Secreläre der Straße, türkische
Mekkapilger, Scherifs, welche der hellgrüne Turban als Nachkommen des
Propheten bezeichnet, und die sich jetzt in Menge hier einfinden, da in diesen
Tagen die kleine Jahresrente ausgezahlt wird, die ihnen die Ehrfurcht für daS
in ihren Adern fließende heilige Blut bewilligte, Armenier, Perser mit schwar¬
zen Lammfellmützen, Derwische in ihrem zottigen Dill und mit ihren verfilzten
Haaren wilden Thieren ähnlicher-als Menschen, langbärtige Barfüßermönche
in braunen Kutten, schwarze Stehkragenröcke, in denen, eingefaßt von steifen
weißen Halstüchern, glattrasirte englische Missionäre einherschreiten, andere
europäisch Gekleidete, hier eingebürgert, die Nilpferdpeitsche in der Hand, den
Kopf in die Kuffia gehüllt, ein gelb und roth gestreiftes Tuch, welches, wie
die Kovfhüllen unsrer Bauermädchcn umgenommen, mit langen Schnüren
und Kügelchen über den Rücken hängt, Engländer mit weißen Turbanen um
die breitkrämpigen Hüte oder helmartigen Naukingmützcn, Engländerinnen mit
semmelblonden Schlangenlocken und grünen Schleiern reiten oder schreiten am
Hause vorüber. Aus dem Hofe der" Transitgesellschaft jagen durch die aus¬
einanderstäubende Menge die zweirä'tilgen, von beturbanten Kutschern ge¬
fahrenen gelblichen Omnibus, welche die Passagiere der indischen Post von hier
durch die Wüste nach Suez bringen.

Hinter ihnen schlägt die gespaltene Welle wieder zusammen. Ein Harem
reitet aus, um Lust zu schöpfen. Die Esel der vornehmen Frauen sind mit
Teppichen bedeckt. Jede von den Reiterinnen steckt, das Gesicht ausgenommen,
das ein weißer Schleier bis auf Stirn und Augen verhüllt, in der Chabarah,
einem schwarzseidnen Ueberwurf, den der Wind wie einen Luftballon auf¬
geblasen hat; darunter sehen papageigrüne, rosenrothe und orangenfarbene Ge¬
wänder und Pumphosen von Seide, gestickte Strümpfe und bunte Schnabel-


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bekommen wird. Hellblaue flatternde Baumwollenkittel, ein gelber Burnus
betroddclt und verbrämt, ein kohlschwarzer Abyssinier mit schneeweißem Turban
und Gewand, ein Haufe Arnauten in rothen und blauen Schnurenjacken, um
die Hüften Ledergürtel, ans denen ein ganzes Magazin von Mordinstrumenten,
silberbeschlagenen Pistolen, langhalsigen Aalaghanen, krummen Dolchen hervor¬
droht, ein griechischer Stutzer, der die hohe röche Mütze keck auf die Seite ge¬
setzt hat, und dem die weiße Fustanella, mit ihrer regelmäßig geplätteten
steifen Faltenfülle, ebenso vielen Stearinkerzenbündeln vergleichbar, dickbauschig
um die Knie baumelt, ein Nudel von Kindern, jedes mit einer Schmuznase,
jedes mit ein paar Dutzend Fliegen an den Augenliedern folgen als Zu¬
schauer.

Wir blicken auf von unserm Blatt und sehen drunten eine andere Welle
über deu Platz finden. Kopten in schwarzen Kaftanen und schwarzen oder
dunkelblauen Turbanen, daS messingne Schreibzeug wie ein Pistol im Gürtel,
in der Hand Geschriebenes, denn sie sind die Secreläre der Straße, türkische
Mekkapilger, Scherifs, welche der hellgrüne Turban als Nachkommen des
Propheten bezeichnet, und die sich jetzt in Menge hier einfinden, da in diesen
Tagen die kleine Jahresrente ausgezahlt wird, die ihnen die Ehrfurcht für daS
in ihren Adern fließende heilige Blut bewilligte, Armenier, Perser mit schwar¬
zen Lammfellmützen, Derwische in ihrem zottigen Dill und mit ihren verfilzten
Haaren wilden Thieren ähnlicher-als Menschen, langbärtige Barfüßermönche
in braunen Kutten, schwarze Stehkragenröcke, in denen, eingefaßt von steifen
weißen Halstüchern, glattrasirte englische Missionäre einherschreiten, andere
europäisch Gekleidete, hier eingebürgert, die Nilpferdpeitsche in der Hand, den
Kopf in die Kuffia gehüllt, ein gelb und roth gestreiftes Tuch, welches, wie
die Kovfhüllen unsrer Bauermädchcn umgenommen, mit langen Schnüren
und Kügelchen über den Rücken hängt, Engländer mit weißen Turbanen um
die breitkrämpigen Hüte oder helmartigen Naukingmützcn, Engländerinnen mit
semmelblonden Schlangenlocken und grünen Schleiern reiten oder schreiten am
Hause vorüber. Aus dem Hofe der" Transitgesellschaft jagen durch die aus¬
einanderstäubende Menge die zweirä'tilgen, von beturbanten Kutschern ge¬
fahrenen gelblichen Omnibus, welche die Passagiere der indischen Post von hier
durch die Wüste nach Suez bringen.

Hinter ihnen schlägt die gespaltene Welle wieder zusammen. Ein Harem
reitet aus, um Lust zu schöpfen. Die Esel der vornehmen Frauen sind mit
Teppichen bedeckt. Jede von den Reiterinnen steckt, das Gesicht ausgenommen,
das ein weißer Schleier bis auf Stirn und Augen verhüllt, in der Chabarah,
einem schwarzseidnen Ueberwurf, den der Wind wie einen Luftballon auf¬
geblasen hat; darunter sehen papageigrüne, rosenrothe und orangenfarbene Ge¬
wänder und Pumphosen von Seide, gestickte Strümpfe und bunte Schnabel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/379>, abgerufen am 02.10.2024.