Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwarzen Gesichtern, von weißen, rothen und grünen Turbanen, einfarbigen
und gestreiften Mänteln, schwefelgelben und zeisiggrünen Kaftanen, von Bor¬
tenjacken, Pumphosen, Quastenkapuzen, Schleiern, Mönchskutten, Bettler¬
lumpen, nackten Kindern, Staatskutschen, Karren, Körben und Säcken hinein
in die Straße und hinaus nach dem Platze. Wir sind in der Hauptstadt
eines Reitervolkes: sast ein Drittel derer, die sich vvrübertummeln, ist im
Sattel. Kameele ersetzen die Frachtwagen, Esel die Handkarren. Rädergerassel
wird kaum gehört, da die wenigen Wagen und Kutschen, die man sieht, über
ungepflasterten Boden fahren.

Weiber vom Volk trippeln in dunkelblauen Hemden, Kops, Schultern
und Rücken in einen wallenden Ueberwurf von gleicher Farbe gehüllt, das
gelbe Gesicht unter den kohlschwarzen Augen mit einem schmalen, langherab-
hängendcn, ebenfalls dunkeln Zeugstreifen dem Blick entziehend, häufig auch
unverschleiert vorüber. Eine trägt mit rückwärts gebogenem Oberkörper auf
dem Kopfe einen schweren dickbäuchigen Henkelkrug. Einer andern sitzt ein
nacktes Kind in der Stellung eines Reitenden auf der rechten Schulter. Bei
den Unverschleierten bemerkt man, daß daS Kinn und zuweilen auch die Wan¬
gen mit blauen Punkten und Blumen tättowirt sind. Alle tragen breite sil¬
berne Armspangen, die meisten Fingerringe von demselben Metall mit bunten
Steinen. Alle haben sich die Nägel an Händen und Füßen und die innern
Handflächen mit Hennah ziegelroth gefärbt; viele auch den Rücken der Hand
tättowirt. Die älteren sind durchgehends abschreckend häßlich, auch die jün-
gern haben außer den feurigen, mandelförmig geschnittenen Augen wenig An¬
ziehendes in den Gesichtszügen; dagegen sind die Körperformen, welche die
Sitte bei weitem weniger als das Antlitz zu verbergen zwingt, bei der Mehr¬
zahl untadelhaft.

Durch die dunkelgekleidete Frauenschar hindurch marschirt ein Trupp
Soldaten in weißen Baumwollcnjacken, über die sich weiße Seitengewehr- und
Patronenwschcnkoppeln kreuzen, weißen faltigen Kniehosen, weißen Strümpfen,
bunte Gürtel um den Leib, Feucrschloßflinten auf der Schulter, den rothen
Tarbusch mit der blauen Seidenquaste auf dem rasirten Kopfe. Es sind lauter
gelbe Gesichter mit schwarzen Augen, lauter junge Leute, bartlos, von schwäch¬
lichem Aussehen und nachlässiger Haltung. Neben ihnen sucht ein Zug von
Eseln durchzukommen, die mit triefenden Wasserschläuchen aus Ziegenfellcn
beladen sind und einen fetten graubärtigen Ulema niederrennen werden, der,
unter seinem ungeheuren Turban vermuthlich einer theologischen Frage nach¬
sinnend, den Rosenkranz in der Rechten, den Zügel seines Maulesels in der
Linken, mit niedergeschlagenen Augen auf sie zutrabt. Hinter den Eseln
schleppen Kawassen einen betrunkenen Soldaten zur Prügelbank in die Zap-
tieh, wo er vermuthlich den Habt, die vom Koran angedrohten achtzig Hiebe


schwarzen Gesichtern, von weißen, rothen und grünen Turbanen, einfarbigen
und gestreiften Mänteln, schwefelgelben und zeisiggrünen Kaftanen, von Bor¬
tenjacken, Pumphosen, Quastenkapuzen, Schleiern, Mönchskutten, Bettler¬
lumpen, nackten Kindern, Staatskutschen, Karren, Körben und Säcken hinein
in die Straße und hinaus nach dem Platze. Wir sind in der Hauptstadt
eines Reitervolkes: sast ein Drittel derer, die sich vvrübertummeln, ist im
Sattel. Kameele ersetzen die Frachtwagen, Esel die Handkarren. Rädergerassel
wird kaum gehört, da die wenigen Wagen und Kutschen, die man sieht, über
ungepflasterten Boden fahren.

Weiber vom Volk trippeln in dunkelblauen Hemden, Kops, Schultern
und Rücken in einen wallenden Ueberwurf von gleicher Farbe gehüllt, das
gelbe Gesicht unter den kohlschwarzen Augen mit einem schmalen, langherab-
hängendcn, ebenfalls dunkeln Zeugstreifen dem Blick entziehend, häufig auch
unverschleiert vorüber. Eine trägt mit rückwärts gebogenem Oberkörper auf
dem Kopfe einen schweren dickbäuchigen Henkelkrug. Einer andern sitzt ein
nacktes Kind in der Stellung eines Reitenden auf der rechten Schulter. Bei
den Unverschleierten bemerkt man, daß daS Kinn und zuweilen auch die Wan¬
gen mit blauen Punkten und Blumen tättowirt sind. Alle tragen breite sil¬
berne Armspangen, die meisten Fingerringe von demselben Metall mit bunten
Steinen. Alle haben sich die Nägel an Händen und Füßen und die innern
Handflächen mit Hennah ziegelroth gefärbt; viele auch den Rücken der Hand
tättowirt. Die älteren sind durchgehends abschreckend häßlich, auch die jün-
gern haben außer den feurigen, mandelförmig geschnittenen Augen wenig An¬
ziehendes in den Gesichtszügen; dagegen sind die Körperformen, welche die
Sitte bei weitem weniger als das Antlitz zu verbergen zwingt, bei der Mehr¬
zahl untadelhaft.

Durch die dunkelgekleidete Frauenschar hindurch marschirt ein Trupp
Soldaten in weißen Baumwollcnjacken, über die sich weiße Seitengewehr- und
Patronenwschcnkoppeln kreuzen, weißen faltigen Kniehosen, weißen Strümpfen,
bunte Gürtel um den Leib, Feucrschloßflinten auf der Schulter, den rothen
Tarbusch mit der blauen Seidenquaste auf dem rasirten Kopfe. Es sind lauter
gelbe Gesichter mit schwarzen Augen, lauter junge Leute, bartlos, von schwäch¬
lichem Aussehen und nachlässiger Haltung. Neben ihnen sucht ein Zug von
Eseln durchzukommen, die mit triefenden Wasserschläuchen aus Ziegenfellcn
beladen sind und einen fetten graubärtigen Ulema niederrennen werden, der,
unter seinem ungeheuren Turban vermuthlich einer theologischen Frage nach¬
sinnend, den Rosenkranz in der Rechten, den Zügel seines Maulesels in der
Linken, mit niedergeschlagenen Augen auf sie zutrabt. Hinter den Eseln
schleppen Kawassen einen betrunkenen Soldaten zur Prügelbank in die Zap-
tieh, wo er vermuthlich den Habt, die vom Koran angedrohten achtzig Hiebe


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104579"/>
            <p xml:id="ID_981" prev="#ID_980"> schwarzen Gesichtern, von weißen, rothen und grünen Turbanen, einfarbigen<lb/>
und gestreiften Mänteln, schwefelgelben und zeisiggrünen Kaftanen, von Bor¬<lb/>
tenjacken, Pumphosen, Quastenkapuzen, Schleiern, Mönchskutten, Bettler¬<lb/>
lumpen, nackten Kindern, Staatskutschen, Karren, Körben und Säcken hinein<lb/>
in die Straße und hinaus nach dem Platze. Wir sind in der Hauptstadt<lb/>
eines Reitervolkes: sast ein Drittel derer, die sich vvrübertummeln, ist im<lb/>
Sattel. Kameele ersetzen die Frachtwagen, Esel die Handkarren. Rädergerassel<lb/>
wird kaum gehört, da die wenigen Wagen und Kutschen, die man sieht, über<lb/>
ungepflasterten Boden fahren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_982"> Weiber vom Volk trippeln in dunkelblauen Hemden, Kops, Schultern<lb/>
und Rücken in einen wallenden Ueberwurf von gleicher Farbe gehüllt, das<lb/>
gelbe Gesicht unter den kohlschwarzen Augen mit einem schmalen, langherab-<lb/>
hängendcn, ebenfalls dunkeln Zeugstreifen dem Blick entziehend, häufig auch<lb/>
unverschleiert vorüber. Eine trägt mit rückwärts gebogenem Oberkörper auf<lb/>
dem Kopfe einen schweren dickbäuchigen Henkelkrug. Einer andern sitzt ein<lb/>
nacktes Kind in der Stellung eines Reitenden auf der rechten Schulter. Bei<lb/>
den Unverschleierten bemerkt man, daß daS Kinn und zuweilen auch die Wan¬<lb/>
gen mit blauen Punkten und Blumen tättowirt sind. Alle tragen breite sil¬<lb/>
berne Armspangen, die meisten Fingerringe von demselben Metall mit bunten<lb/>
Steinen. Alle haben sich die Nägel an Händen und Füßen und die innern<lb/>
Handflächen mit Hennah ziegelroth gefärbt; viele auch den Rücken der Hand<lb/>
tättowirt. Die älteren sind durchgehends abschreckend häßlich, auch die jün-<lb/>
gern haben außer den feurigen, mandelförmig geschnittenen Augen wenig An¬<lb/>
ziehendes in den Gesichtszügen; dagegen sind die Körperformen, welche die<lb/>
Sitte bei weitem weniger als das Antlitz zu verbergen zwingt, bei der Mehr¬<lb/>
zahl untadelhaft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_983" next="#ID_984"> Durch die dunkelgekleidete Frauenschar hindurch marschirt ein Trupp<lb/>
Soldaten in weißen Baumwollcnjacken, über die sich weiße Seitengewehr- und<lb/>
Patronenwschcnkoppeln kreuzen, weißen faltigen Kniehosen, weißen Strümpfen,<lb/>
bunte Gürtel um den Leib, Feucrschloßflinten auf der Schulter, den rothen<lb/>
Tarbusch mit der blauen Seidenquaste auf dem rasirten Kopfe. Es sind lauter<lb/>
gelbe Gesichter mit schwarzen Augen, lauter junge Leute, bartlos, von schwäch¬<lb/>
lichem Aussehen und nachlässiger Haltung. Neben ihnen sucht ein Zug von<lb/>
Eseln durchzukommen, die mit triefenden Wasserschläuchen aus Ziegenfellcn<lb/>
beladen sind und einen fetten graubärtigen Ulema niederrennen werden, der,<lb/>
unter seinem ungeheuren Turban vermuthlich einer theologischen Frage nach¬<lb/>
sinnend, den Rosenkranz in der Rechten, den Zügel seines Maulesels in der<lb/>
Linken, mit niedergeschlagenen Augen auf sie zutrabt. Hinter den Eseln<lb/>
schleppen Kawassen einen betrunkenen Soldaten zur Prügelbank in die Zap-<lb/>
tieh, wo er vermuthlich den Habt, die vom Koran angedrohten achtzig Hiebe</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0378] schwarzen Gesichtern, von weißen, rothen und grünen Turbanen, einfarbigen und gestreiften Mänteln, schwefelgelben und zeisiggrünen Kaftanen, von Bor¬ tenjacken, Pumphosen, Quastenkapuzen, Schleiern, Mönchskutten, Bettler¬ lumpen, nackten Kindern, Staatskutschen, Karren, Körben und Säcken hinein in die Straße und hinaus nach dem Platze. Wir sind in der Hauptstadt eines Reitervolkes: sast ein Drittel derer, die sich vvrübertummeln, ist im Sattel. Kameele ersetzen die Frachtwagen, Esel die Handkarren. Rädergerassel wird kaum gehört, da die wenigen Wagen und Kutschen, die man sieht, über ungepflasterten Boden fahren. Weiber vom Volk trippeln in dunkelblauen Hemden, Kops, Schultern und Rücken in einen wallenden Ueberwurf von gleicher Farbe gehüllt, das gelbe Gesicht unter den kohlschwarzen Augen mit einem schmalen, langherab- hängendcn, ebenfalls dunkeln Zeugstreifen dem Blick entziehend, häufig auch unverschleiert vorüber. Eine trägt mit rückwärts gebogenem Oberkörper auf dem Kopfe einen schweren dickbäuchigen Henkelkrug. Einer andern sitzt ein nacktes Kind in der Stellung eines Reitenden auf der rechten Schulter. Bei den Unverschleierten bemerkt man, daß daS Kinn und zuweilen auch die Wan¬ gen mit blauen Punkten und Blumen tättowirt sind. Alle tragen breite sil¬ berne Armspangen, die meisten Fingerringe von demselben Metall mit bunten Steinen. Alle haben sich die Nägel an Händen und Füßen und die innern Handflächen mit Hennah ziegelroth gefärbt; viele auch den Rücken der Hand tättowirt. Die älteren sind durchgehends abschreckend häßlich, auch die jün- gern haben außer den feurigen, mandelförmig geschnittenen Augen wenig An¬ ziehendes in den Gesichtszügen; dagegen sind die Körperformen, welche die Sitte bei weitem weniger als das Antlitz zu verbergen zwingt, bei der Mehr¬ zahl untadelhaft. Durch die dunkelgekleidete Frauenschar hindurch marschirt ein Trupp Soldaten in weißen Baumwollcnjacken, über die sich weiße Seitengewehr- und Patronenwschcnkoppeln kreuzen, weißen faltigen Kniehosen, weißen Strümpfen, bunte Gürtel um den Leib, Feucrschloßflinten auf der Schulter, den rothen Tarbusch mit der blauen Seidenquaste auf dem rasirten Kopfe. Es sind lauter gelbe Gesichter mit schwarzen Augen, lauter junge Leute, bartlos, von schwäch¬ lichem Aussehen und nachlässiger Haltung. Neben ihnen sucht ein Zug von Eseln durchzukommen, die mit triefenden Wasserschläuchen aus Ziegenfellcn beladen sind und einen fetten graubärtigen Ulema niederrennen werden, der, unter seinem ungeheuren Turban vermuthlich einer theologischen Frage nach¬ sinnend, den Rosenkranz in der Rechten, den Zügel seines Maulesels in der Linken, mit niedergeschlagenen Augen auf sie zutrabt. Hinter den Eseln schleppen Kawassen einen betrunkenen Soldaten zur Prügelbank in die Zap- tieh, wo er vermuthlich den Habt, die vom Koran angedrohten achtzig Hiebe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/378
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/378>, abgerufen am 02.10.2024.