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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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unterstützten Schulen weist gegen 30 höhere (in denen nämlich englisch gelehrt
wird) und 33 niedere Schule", jene mit 5465, diese mit i685 Schülern für
das Jahr 183-1 nach, eine gewiß sehr kleine Zahl im Verhältniß zur Bevöl¬
kerung, doch groß genug für die Anfänge des Umsichgreifens englischen Geistes.
In den nordwestlichen Provinzen Bengalens waren zur selben Zeit 7 englische
Schulen mit 1582 Schülern, in der Präsidentschaft Madras nur eine mit
180 Schülern, und eine unbekannte, aber wahrscheinlich nur geringe Zahl
von niedern Schulen. In Bombay waren 1i höhere Schulen mit 2066 Schü¬
lern und 233 niedere mit 11,394 Schülern. Die ganze Ausgabe für all diese
Anstalten betrug zu dieser Zeit etwa 70,000 Pfund. Sterl.; sie wurde aber nicht
ganz aus öffentlichen Mitteln geliefert..

Indeß wie verhältnißmäßig klein diese Zahlen auch erscheinen mögen, so
waren sie doch um ein ganz Bedeutendes größer als etwa ein Jahrzehnt vor¬
her. Mit diesen Eroberungen des christlichen Geistes gingen, wenn man An¬
strengungen und Resultate vergleicht, durchaus nicht parallel die der christlichen
Kirchen. Wir müssen bei der hervorragenden Bedeutung, welche das Bekehrungs¬
wesen für Ostindien genommen hat, bei diesem Gegenstände wol etwas
länger verweilen. Von Anbeginn der englischen Eroberungen in Ostindien
haben sich in England selbst zwei Parteien scharf einander gegenübergestanden:
die eine, welche nur vom Handelsverkehr wissen und die religiösen Eigenthüm¬
lichkeiten der Hindus gänzlich unberührt lassen wollte, die andere, die dort ein weites
Feld zu Bekehrungen für den christlichen Glauben erblickte. Am bescheidensten war
noch der in dem Jahre 1698 ertheilte Freibrief, der alle nach Indien ausgesandte
Geistlichen verpflichtete, die portugiesische Sprache zu lernen, um vermöge der¬
selben die Diener und Sklaven der Compagnie, so weit sie Heiden wären, in
der protestantischen Religion zu unterrichten. Es war aber damit wahrschein¬
lich weniger ein Gewinnen für das Christenthum, als eine Concurrenz mit den
katholischen Missionären gemeint, und auch diese scheint auf dem Papier ge¬
blieben zu sein. Den in Ostindien weilenden Engländern lagen religiöse Be¬
dürfnisse so wenig am Herzen, daß sie erst im Jahre 1680 dort eine Kirche
erbauten, obgleich seit Errichtung einer förmlichen Präsidentschaft daselbst bereits
27 Jahre verflossen waren. Die zweite Kirche folgte erst 1716 in Kalkutta
und dabei blieb es zunächst; von geistlicher Wirksamkeit unter den Eingebornen
kaum eine Spur, desto mehr Beweise aber davon, daß die britischen Geistlichen
an der reichen Beute, welche die Eroberungen in der zweiten Hälfte des acht¬
zehnten Jahrhunderts brachten, reichlichen Theil nahmen. Indessen waren
bereits nicht blos anglikanische oder auch nur englische, sondern auch deutsche
und dänische Missionäre nach Ostindien gekommen, um an der erwarteten
Ernte sich zu betheiligen. Die Hindernisse, welche ihnen die Eingebornen in den
Weg legten, waren verhältnißmäßig wenige, vielmehr liebten dieselben eS sogar,


unterstützten Schulen weist gegen 30 höhere (in denen nämlich englisch gelehrt
wird) und 33 niedere Schule», jene mit 5465, diese mit i685 Schülern für
das Jahr 183-1 nach, eine gewiß sehr kleine Zahl im Verhältniß zur Bevöl¬
kerung, doch groß genug für die Anfänge des Umsichgreifens englischen Geistes.
In den nordwestlichen Provinzen Bengalens waren zur selben Zeit 7 englische
Schulen mit 1582 Schülern, in der Präsidentschaft Madras nur eine mit
180 Schülern, und eine unbekannte, aber wahrscheinlich nur geringe Zahl
von niedern Schulen. In Bombay waren 1i höhere Schulen mit 2066 Schü¬
lern und 233 niedere mit 11,394 Schülern. Die ganze Ausgabe für all diese
Anstalten betrug zu dieser Zeit etwa 70,000 Pfund. Sterl.; sie wurde aber nicht
ganz aus öffentlichen Mitteln geliefert..

Indeß wie verhältnißmäßig klein diese Zahlen auch erscheinen mögen, so
waren sie doch um ein ganz Bedeutendes größer als etwa ein Jahrzehnt vor¬
her. Mit diesen Eroberungen des christlichen Geistes gingen, wenn man An¬
strengungen und Resultate vergleicht, durchaus nicht parallel die der christlichen
Kirchen. Wir müssen bei der hervorragenden Bedeutung, welche das Bekehrungs¬
wesen für Ostindien genommen hat, bei diesem Gegenstände wol etwas
länger verweilen. Von Anbeginn der englischen Eroberungen in Ostindien
haben sich in England selbst zwei Parteien scharf einander gegenübergestanden:
die eine, welche nur vom Handelsverkehr wissen und die religiösen Eigenthüm¬
lichkeiten der Hindus gänzlich unberührt lassen wollte, die andere, die dort ein weites
Feld zu Bekehrungen für den christlichen Glauben erblickte. Am bescheidensten war
noch der in dem Jahre 1698 ertheilte Freibrief, der alle nach Indien ausgesandte
Geistlichen verpflichtete, die portugiesische Sprache zu lernen, um vermöge der¬
selben die Diener und Sklaven der Compagnie, so weit sie Heiden wären, in
der protestantischen Religion zu unterrichten. Es war aber damit wahrschein¬
lich weniger ein Gewinnen für das Christenthum, als eine Concurrenz mit den
katholischen Missionären gemeint, und auch diese scheint auf dem Papier ge¬
blieben zu sein. Den in Ostindien weilenden Engländern lagen religiöse Be¬
dürfnisse so wenig am Herzen, daß sie erst im Jahre 1680 dort eine Kirche
erbauten, obgleich seit Errichtung einer förmlichen Präsidentschaft daselbst bereits
27 Jahre verflossen waren. Die zweite Kirche folgte erst 1716 in Kalkutta
und dabei blieb es zunächst; von geistlicher Wirksamkeit unter den Eingebornen
kaum eine Spur, desto mehr Beweise aber davon, daß die britischen Geistlichen
an der reichen Beute, welche die Eroberungen in der zweiten Hälfte des acht¬
zehnten Jahrhunderts brachten, reichlichen Theil nahmen. Indessen waren
bereits nicht blos anglikanische oder auch nur englische, sondern auch deutsche
und dänische Missionäre nach Ostindien gekommen, um an der erwarteten
Ernte sich zu betheiligen. Die Hindernisse, welche ihnen die Eingebornen in den
Weg legten, waren verhältnißmäßig wenige, vielmehr liebten dieselben eS sogar,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/341>, abgerufen am 24.08.2024.