Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.wissen. Der Physiker sieht nur die Oberfläche der Erscheinungen, der Auf diesen ersten Grundsatz baute er nnn mit dem Aufwand alles denk¬ Mittlerweile war er gegen seine Neigung wieder in die Wirren deS poli¬ 32*
wissen. Der Physiker sieht nur die Oberfläche der Erscheinungen, der Auf diesen ersten Grundsatz baute er nnn mit dem Aufwand alles denk¬ Mittlerweile war er gegen seine Neigung wieder in die Wirren deS poli¬ 32*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104460"/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> wissen. Der Physiker sieht nur die Oberfläche der Erscheinungen, der<lb/> Psycholog dringt in das Innere ein und durchforscht die geheime Werk¬<lb/> stätte der Dinge. Alle Kraft ist geistiger Art; die Materie ist ein leerer Be¬<lb/> griff, denn sie drückt keine Kraft aus. Alle esmsa, eklieiens in der physischen<lb/> Ordnung ist eine immaterielle Kraft. Die Ausdehnung ist nichts als eine<lb/> Form, in der unsere Sinnlichkeit sich die Phänomeve vorstellt. I.es etres sont<lb/> 6es torees, Je8 koreö8 8ont> clef cers8: it ri'^ a <nie is8 elrö8 simples qui<lb/> existent reelle>neue ä leur titre cle koree8; es sont »us8i les verilavles sud-<lb/> stunees existantes. Und dieser Welt von Kräften tritt nun als ebenbürtig<lb/> die Freiheit des Willens entgegen. I^-z, volonte n'est pas üisseronts cle moi.<lb/> I^e moi s'interdite cle ter maniere 1» plus complete et la plus iuliuie lrvee<lb/> cette loree molrice Mi lui appartient.... I^e moi iclenlic>ne et constant<lb/> 8'attribus ir ini-meos Iss moäes viiriadles et dueeessils cle 1'aeUvile c>ni is<lb/> constitue. ?ersonns une, incliv!6uslie, et lidrs, ^js ne suis pour moi-ahme ni<lb/> un pur sdstririt, ni un asseiudla^e ac sensations, cinuncl ^'gperoois et M^e<lb/> la Sensation, quancl ^e filis sa pirre et la mienne propre. -</p><lb/> <p xml:id="ID_698"> Auf diesen ersten Grundsatz baute er nnn mit dem Aufwand alles denk¬<lb/> baren Scharfsinns ein Lehrgebäude der Metaphysik, das trotz seiner scholasti¬<lb/> schen Formen so manchen denkenden Kopf umstrickt hat. Allein eS ist mißlich,<lb/> die Mannigfaltigkeit der psychologischen Thatsachen ans ein einziges Arion<lb/> zurückführen zu wollen. Die Thatsache, welche Biran als unmittelbaren In¬<lb/> halt des menschlichen Bewußtseins gefunden zu haben glaubt, ist unrichtig,<lb/> denn in der That wirkt der Wille nicht unmittelbar auf die Muskeln, sondern<lb/> NUr durch eine Reihe von Mittelgliedern. ES rächte sich an dem modernen<lb/> Idealismus, daß er das Studium der Naturwissenschaft, namentlich der Phy-.<lb/> siologie, verschmähte. Maine de Biran hielt sich zwischen seinen alten Freun¬<lb/> den, den Sensualisten, und seinen neuen, den Idealisten, in einer eigensinnigen<lb/> Mitte. Wenn die letztern ihm entgegneten, daß auch der persönliche Wille<lb/> etwas Vorübergehendes ist, und auf die ewigen unveränderlichen Wahrheiten,<lb/> die wir vorfinden, keine Macht ausübt, daß der Wille ebensowenig als die<lb/> sinnliche Empfindung den Inhalt der Vernunft erklären kann, so blieb er taub<lb/> und flüchtete sich mit seinem von der Natur befreiten Willen in die Mystik;<lb/> und in der That muß eS zuletzt zur Mystik führen, wenn man um des<lb/> moralischen Eindrucks willen ein Phänomen, das innerhalb der Natur statt¬<lb/> findet, außerhalb der Natur stellt. Die Freiheit deS Willens, wie Biran sie<lb/> versteht, führt zuletzt zu einer Leugnung des Weltgesetzes, mit andern Worten,<lb/> zum Skepticismus, dem sich sein vorwiegend analytischer Geist mit seiner Scheu<lb/> vor jedem Abschluß ohnehin zuneigte.</p><lb/> <p xml:id="ID_699" next="#ID_700"> Mittlerweile war er gegen seine Neigung wieder in die Wirren deS poli¬<lb/> tischen Lebens gezogen. Zu Anfang des JahreS 1806 ernannte ihn der Ka-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 32*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
wissen. Der Physiker sieht nur die Oberfläche der Erscheinungen, der
Psycholog dringt in das Innere ein und durchforscht die geheime Werk¬
stätte der Dinge. Alle Kraft ist geistiger Art; die Materie ist ein leerer Be¬
griff, denn sie drückt keine Kraft aus. Alle esmsa, eklieiens in der physischen
Ordnung ist eine immaterielle Kraft. Die Ausdehnung ist nichts als eine
Form, in der unsere Sinnlichkeit sich die Phänomeve vorstellt. I.es etres sont
6es torees, Je8 koreö8 8ont> clef cers8: it ri'^ a <nie is8 elrö8 simples qui
existent reelle>neue ä leur titre cle koree8; es sont »us8i les verilavles sud-
stunees existantes. Und dieser Welt von Kräften tritt nun als ebenbürtig
die Freiheit des Willens entgegen. I^-z, volonte n'est pas üisseronts cle moi.
I^e moi s'interdite cle ter maniere 1» plus complete et la plus iuliuie lrvee
cette loree molrice Mi lui appartient.... I^e moi iclenlic>ne et constant
8'attribus ir ini-meos Iss moäes viiriadles et dueeessils cle 1'aeUvile c>ni is
constitue. ?ersonns une, incliv!6uslie, et lidrs, ^js ne suis pour moi-ahme ni
un pur sdstririt, ni un asseiudla^e ac sensations, cinuncl ^'gperoois et M^e
la Sensation, quancl ^e filis sa pirre et la mienne propre. -
Auf diesen ersten Grundsatz baute er nnn mit dem Aufwand alles denk¬
baren Scharfsinns ein Lehrgebäude der Metaphysik, das trotz seiner scholasti¬
schen Formen so manchen denkenden Kopf umstrickt hat. Allein eS ist mißlich,
die Mannigfaltigkeit der psychologischen Thatsachen ans ein einziges Arion
zurückführen zu wollen. Die Thatsache, welche Biran als unmittelbaren In¬
halt des menschlichen Bewußtseins gefunden zu haben glaubt, ist unrichtig,
denn in der That wirkt der Wille nicht unmittelbar auf die Muskeln, sondern
NUr durch eine Reihe von Mittelgliedern. ES rächte sich an dem modernen
Idealismus, daß er das Studium der Naturwissenschaft, namentlich der Phy-.
siologie, verschmähte. Maine de Biran hielt sich zwischen seinen alten Freun¬
den, den Sensualisten, und seinen neuen, den Idealisten, in einer eigensinnigen
Mitte. Wenn die letztern ihm entgegneten, daß auch der persönliche Wille
etwas Vorübergehendes ist, und auf die ewigen unveränderlichen Wahrheiten,
die wir vorfinden, keine Macht ausübt, daß der Wille ebensowenig als die
sinnliche Empfindung den Inhalt der Vernunft erklären kann, so blieb er taub
und flüchtete sich mit seinem von der Natur befreiten Willen in die Mystik;
und in der That muß eS zuletzt zur Mystik führen, wenn man um des
moralischen Eindrucks willen ein Phänomen, das innerhalb der Natur statt¬
findet, außerhalb der Natur stellt. Die Freiheit deS Willens, wie Biran sie
versteht, führt zuletzt zu einer Leugnung des Weltgesetzes, mit andern Worten,
zum Skepticismus, dem sich sein vorwiegend analytischer Geist mit seiner Scheu
vor jedem Abschluß ohnehin zuneigte.
Mittlerweile war er gegen seine Neigung wieder in die Wirren deS poli¬
tischen Lebens gezogen. Zu Anfang des JahreS 1806 ernannte ihn der Ka-
32*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |