Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hat ihm in seines Herrn Krambude der Teufel den Hals entzwei gebrochen,
daß er mitten in der Krambude liegend gefunden wurde, das Angesicht nach
dem Rücken gedreht. Seine Tochter, die, wie oben gemeldet, mit meines
Vaters Gütern gleich eines Bürgermeisters Tochter ausgesteuert wurde, ist, ehe
sie verstorben, blos und arm geworden, hat Haus und Hof angeben müssen
und ihr Mann muß seit ihrem Tode, der viele Jahre her ist, bis auf den
heutigen Tag im Hospital zum heiligen Geist von Almosen leben.

Mit seinem Sohn hat es nirgend glücklich hinausgewollt, er ist aus einer
Leichtfertigkeit in die andere gefallen. Ihn hat man zu Kalmar eines Morgens
früh auf dem heimlichen Gemach todt sitzen gefunden, und seine Kinder müssen
von einem zum andern in der Stadt und auf dem Lande herumlungern.

Die andere Gegnerin meiner Eltern, die Leweling, eine Witwe, hatte
von ihrem Mann einen Sohn, sie war trefflich reich an Stadt- und Land¬
gütern, an Häusern, an Buden, Gärten und Aecker im Felde; man sagte,
daß sie an stehenden sicheren Pachter auf jeden Tag daS ganze Jahr durch¬
gerechnet ein Huhn und einen Goldgulden hatte. Sie hat aber mit ihrem
Sohn alles durchgejagt, so daß sie nicht allein meinem Vater die 800 Fi.,
sondern auch andern mehr so viel schuldig geworden, daß sie nach Urtheil und
Recht sich in ihrem abgetragenen Weibermantel aus ihrem Hause führen
lassen mußte und dasselbe ihren Creditoren einräumen. Ihrem Sohne, der
ein Bengel von 15 Jahren war, mußte sie in ihrem Hause eine eigene Dirne
halten, wenn sie nicht wollte, daß er des Nachts in den Dirnenhäusern liege;
bis sie ihm in so großer Jugend ein Eheweib gab, daß sich ma'nniglich darüber
verwunderte. Was er noch von Aeckern, Wiesen, Dörfern, Wald, Hauen,
Hufen und Kater übrig behielt, mußte alles dem Andern folgen. So hielt
er auch seinen Ehestand so rein, wie der Hund die Fasten. Denn bei Herzog
Philipps Huldigung lag die Herzogin in seinem Haus zur Herberge, damals
kam seine Frau mit einer jungen Tochter in die Wochen, er bat die Herzogin
zu Gevattern, wie er die Tochter auch nach ihrer sürstl. Gnaden Maria
nennen ließ, daneben aber hatte er seine Dirne im Garten bei der Nicdermühle,
mit der hielt er grob und ärgerlich Haus. Ferner bestahl er mit einem
andern, der Valentin BuS hieß, des Nachts dem Teichmeister die Reusen und
stngerte sonst umher, daß es wol des Henkers werth war. Valentin Buh
wurde auch deswegen gefänglich eingezogen und hätte hängen müssen, wenn
ihm nicht wegen deS Leweling, der mit ihm in gleicher Schuld stand, das
Richten wäre erlassen worden. Leweling aber hat sich mit dem ehrbaren Rath
verglichen, und sich mit Geld vom Galgen gekauft. Wie er denn sein noch übriges
Dorf Bessin, in dessen Kapelle sein Vater begraben ist, also seinen Vater mit
dem Dorfe einem ehrbaren Rathe verkauft und sich so mit dem Rath ab-
gefunden hat. Weil mein Vater mit andern Creditoren zu Recht erhalten,


Grenzboten. III. -1867. 3

hat ihm in seines Herrn Krambude der Teufel den Hals entzwei gebrochen,
daß er mitten in der Krambude liegend gefunden wurde, das Angesicht nach
dem Rücken gedreht. Seine Tochter, die, wie oben gemeldet, mit meines
Vaters Gütern gleich eines Bürgermeisters Tochter ausgesteuert wurde, ist, ehe
sie verstorben, blos und arm geworden, hat Haus und Hof angeben müssen
und ihr Mann muß seit ihrem Tode, der viele Jahre her ist, bis auf den
heutigen Tag im Hospital zum heiligen Geist von Almosen leben.

Mit seinem Sohn hat es nirgend glücklich hinausgewollt, er ist aus einer
Leichtfertigkeit in die andere gefallen. Ihn hat man zu Kalmar eines Morgens
früh auf dem heimlichen Gemach todt sitzen gefunden, und seine Kinder müssen
von einem zum andern in der Stadt und auf dem Lande herumlungern.

Die andere Gegnerin meiner Eltern, die Leweling, eine Witwe, hatte
von ihrem Mann einen Sohn, sie war trefflich reich an Stadt- und Land¬
gütern, an Häusern, an Buden, Gärten und Aecker im Felde; man sagte,
daß sie an stehenden sicheren Pachter auf jeden Tag daS ganze Jahr durch¬
gerechnet ein Huhn und einen Goldgulden hatte. Sie hat aber mit ihrem
Sohn alles durchgejagt, so daß sie nicht allein meinem Vater die 800 Fi.,
sondern auch andern mehr so viel schuldig geworden, daß sie nach Urtheil und
Recht sich in ihrem abgetragenen Weibermantel aus ihrem Hause führen
lassen mußte und dasselbe ihren Creditoren einräumen. Ihrem Sohne, der
ein Bengel von 15 Jahren war, mußte sie in ihrem Hause eine eigene Dirne
halten, wenn sie nicht wollte, daß er des Nachts in den Dirnenhäusern liege;
bis sie ihm in so großer Jugend ein Eheweib gab, daß sich ma'nniglich darüber
verwunderte. Was er noch von Aeckern, Wiesen, Dörfern, Wald, Hauen,
Hufen und Kater übrig behielt, mußte alles dem Andern folgen. So hielt
er auch seinen Ehestand so rein, wie der Hund die Fasten. Denn bei Herzog
Philipps Huldigung lag die Herzogin in seinem Haus zur Herberge, damals
kam seine Frau mit einer jungen Tochter in die Wochen, er bat die Herzogin
zu Gevattern, wie er die Tochter auch nach ihrer sürstl. Gnaden Maria
nennen ließ, daneben aber hatte er seine Dirne im Garten bei der Nicdermühle,
mit der hielt er grob und ärgerlich Haus. Ferner bestahl er mit einem
andern, der Valentin BuS hieß, des Nachts dem Teichmeister die Reusen und
stngerte sonst umher, daß es wol des Henkers werth war. Valentin Buh
wurde auch deswegen gefänglich eingezogen und hätte hängen müssen, wenn
ihm nicht wegen deS Leweling, der mit ihm in gleicher Schuld stand, das
Richten wäre erlassen worden. Leweling aber hat sich mit dem ehrbaren Rath
verglichen, und sich mit Geld vom Galgen gekauft. Wie er denn sein noch übriges
Dorf Bessin, in dessen Kapelle sein Vater begraben ist, also seinen Vater mit
dem Dorfe einem ehrbaren Rathe verkauft und sich so mit dem Rath ab-
gefunden hat. Weil mein Vater mit andern Creditoren zu Recht erhalten,


Grenzboten. III. -1867. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104226"/>
            <p xml:id="ID_57" prev="#ID_56"> hat ihm in seines Herrn Krambude der Teufel den Hals entzwei gebrochen,<lb/>
daß er mitten in der Krambude liegend gefunden wurde, das Angesicht nach<lb/>
dem Rücken gedreht. Seine Tochter, die, wie oben gemeldet, mit meines<lb/>
Vaters Gütern gleich eines Bürgermeisters Tochter ausgesteuert wurde, ist, ehe<lb/>
sie verstorben, blos und arm geworden, hat Haus und Hof angeben müssen<lb/>
und ihr Mann muß seit ihrem Tode, der viele Jahre her ist, bis auf den<lb/>
heutigen Tag im Hospital zum heiligen Geist von Almosen leben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_58"> Mit seinem Sohn hat es nirgend glücklich hinausgewollt, er ist aus einer<lb/>
Leichtfertigkeit in die andere gefallen. Ihn hat man zu Kalmar eines Morgens<lb/>
früh auf dem heimlichen Gemach todt sitzen gefunden, und seine Kinder müssen<lb/>
von einem zum andern in der Stadt und auf dem Lande herumlungern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_59" next="#ID_60"> Die andere Gegnerin meiner Eltern, die Leweling, eine Witwe, hatte<lb/>
von ihrem Mann einen Sohn, sie war trefflich reich an Stadt- und Land¬<lb/>
gütern, an Häusern, an Buden, Gärten und Aecker im Felde; man sagte,<lb/>
daß sie an stehenden sicheren Pachter auf jeden Tag daS ganze Jahr durch¬<lb/>
gerechnet ein Huhn und einen Goldgulden hatte. Sie hat aber mit ihrem<lb/>
Sohn alles durchgejagt, so daß sie nicht allein meinem Vater die 800 Fi.,<lb/>
sondern auch andern mehr so viel schuldig geworden, daß sie nach Urtheil und<lb/>
Recht sich in ihrem abgetragenen Weibermantel aus ihrem Hause führen<lb/>
lassen mußte und dasselbe ihren Creditoren einräumen. Ihrem Sohne, der<lb/>
ein Bengel von 15 Jahren war, mußte sie in ihrem Hause eine eigene Dirne<lb/>
halten, wenn sie nicht wollte, daß er des Nachts in den Dirnenhäusern liege;<lb/>
bis sie ihm in so großer Jugend ein Eheweib gab, daß sich ma'nniglich darüber<lb/>
verwunderte. Was er noch von Aeckern, Wiesen, Dörfern, Wald, Hauen,<lb/>
Hufen und Kater übrig behielt, mußte alles dem Andern folgen. So hielt<lb/>
er auch seinen Ehestand so rein, wie der Hund die Fasten. Denn bei Herzog<lb/>
Philipps Huldigung lag die Herzogin in seinem Haus zur Herberge, damals<lb/>
kam seine Frau mit einer jungen Tochter in die Wochen, er bat die Herzogin<lb/>
zu Gevattern, wie er die Tochter auch nach ihrer sürstl. Gnaden Maria<lb/>
nennen ließ, daneben aber hatte er seine Dirne im Garten bei der Nicdermühle,<lb/>
mit der hielt er grob und ärgerlich Haus. Ferner bestahl er mit einem<lb/>
andern, der Valentin BuS hieß, des Nachts dem Teichmeister die Reusen und<lb/>
stngerte sonst umher, daß es wol des Henkers werth war. Valentin Buh<lb/>
wurde auch deswegen gefänglich eingezogen und hätte hängen müssen, wenn<lb/>
ihm nicht wegen deS Leweling, der mit ihm in gleicher Schuld stand, das<lb/>
Richten wäre erlassen worden. Leweling aber hat sich mit dem ehrbaren Rath<lb/>
verglichen, und sich mit Geld vom Galgen gekauft. Wie er denn sein noch übriges<lb/>
Dorf Bessin, in dessen Kapelle sein Vater begraben ist, also seinen Vater mit<lb/>
dem Dorfe einem ehrbaren Rathe verkauft und sich so mit dem Rath ab-<lb/>
gefunden hat.  Weil mein Vater mit andern Creditoren zu Recht erhalten,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. -1867. 3</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] hat ihm in seines Herrn Krambude der Teufel den Hals entzwei gebrochen, daß er mitten in der Krambude liegend gefunden wurde, das Angesicht nach dem Rücken gedreht. Seine Tochter, die, wie oben gemeldet, mit meines Vaters Gütern gleich eines Bürgermeisters Tochter ausgesteuert wurde, ist, ehe sie verstorben, blos und arm geworden, hat Haus und Hof angeben müssen und ihr Mann muß seit ihrem Tode, der viele Jahre her ist, bis auf den heutigen Tag im Hospital zum heiligen Geist von Almosen leben. Mit seinem Sohn hat es nirgend glücklich hinausgewollt, er ist aus einer Leichtfertigkeit in die andere gefallen. Ihn hat man zu Kalmar eines Morgens früh auf dem heimlichen Gemach todt sitzen gefunden, und seine Kinder müssen von einem zum andern in der Stadt und auf dem Lande herumlungern. Die andere Gegnerin meiner Eltern, die Leweling, eine Witwe, hatte von ihrem Mann einen Sohn, sie war trefflich reich an Stadt- und Land¬ gütern, an Häusern, an Buden, Gärten und Aecker im Felde; man sagte, daß sie an stehenden sicheren Pachter auf jeden Tag daS ganze Jahr durch¬ gerechnet ein Huhn und einen Goldgulden hatte. Sie hat aber mit ihrem Sohn alles durchgejagt, so daß sie nicht allein meinem Vater die 800 Fi., sondern auch andern mehr so viel schuldig geworden, daß sie nach Urtheil und Recht sich in ihrem abgetragenen Weibermantel aus ihrem Hause führen lassen mußte und dasselbe ihren Creditoren einräumen. Ihrem Sohne, der ein Bengel von 15 Jahren war, mußte sie in ihrem Hause eine eigene Dirne halten, wenn sie nicht wollte, daß er des Nachts in den Dirnenhäusern liege; bis sie ihm in so großer Jugend ein Eheweib gab, daß sich ma'nniglich darüber verwunderte. Was er noch von Aeckern, Wiesen, Dörfern, Wald, Hauen, Hufen und Kater übrig behielt, mußte alles dem Andern folgen. So hielt er auch seinen Ehestand so rein, wie der Hund die Fasten. Denn bei Herzog Philipps Huldigung lag die Herzogin in seinem Haus zur Herberge, damals kam seine Frau mit einer jungen Tochter in die Wochen, er bat die Herzogin zu Gevattern, wie er die Tochter auch nach ihrer sürstl. Gnaden Maria nennen ließ, daneben aber hatte er seine Dirne im Garten bei der Nicdermühle, mit der hielt er grob und ärgerlich Haus. Ferner bestahl er mit einem andern, der Valentin BuS hieß, des Nachts dem Teichmeister die Reusen und stngerte sonst umher, daß es wol des Henkers werth war. Valentin Buh wurde auch deswegen gefänglich eingezogen und hätte hängen müssen, wenn ihm nicht wegen deS Leweling, der mit ihm in gleicher Schuld stand, das Richten wäre erlassen worden. Leweling aber hat sich mit dem ehrbaren Rath verglichen, und sich mit Geld vom Galgen gekauft. Wie er denn sein noch übriges Dorf Bessin, in dessen Kapelle sein Vater begraben ist, also seinen Vater mit dem Dorfe einem ehrbaren Rathe verkauft und sich so mit dem Rath ab- gefunden hat. Weil mein Vater mit andern Creditoren zu Recht erhalten, Grenzboten. III. -1867. 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/25
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/25>, abgerufen am 26.08.2024.