Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.Haus aus viel williger und gehorsamer send. Eine europäische Armee an ihre Die neuesten Nachrichten aus Ostindien bringen noch keine Ver¬ Haus aus viel williger und gehorsamer send. Eine europäische Armee an ihre Die neuesten Nachrichten aus Ostindien bringen noch keine Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104443"/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656"> Haus aus viel williger und gehorsamer send. Eine europäische Armee an ihre<lb/> Stelle zu setzen, erlauben schon finanzielle Rücksichten nicht, selbst wenn sie das<lb/> Klima besser vertrüge. Die Lockerung des Bandes zwischen Offizier und Mannschaften,<lb/> verschuldet durch verkehrte Maßregeln der Compagnie, erscheint uns als die einzige<lb/> Ursache der gegenwärtigen Katastrophe. England hat es in Ostindien mit keiner<lb/> Revolution zu thun, sondern lediglich mit einer Militärmeuterei, die allerdings un¬<lb/> gewöhnlich große Dimensionen angenommen hat, aber deren Bedeutung unserer<lb/> Ansicht nach doch sehr überschätzt wird. Das Ansehn des englischen Namens<lb/> hat in Ostindien durch die neueste Katastrophe sicherlich einen schweren Schlag er¬<lb/> litten; aber diejenigen täuschen sich gewiß, welche schon dem Sturz der englischen<lb/> Herrschaft in Ostindien entgegcnjauchzen. Allerdings ist mehr als die Hülste, und<lb/> möglicherweise jetzt bereits die ganze bengalische Armee in offner Meuterei oder<lb/> als schwierig und unzuverlässig aufgelöst; aber die meisten Mannschaften sind nach<lb/> Hause gelaufen, oder halten sich in den Wäldern versteckt, und mir ein Häuflein<lb/> Verzweifelter, die auf keine Gnade hoffen können, hält sich in Delhi und hat<lb/> sich einen Schattenkaiscr erwählt. Diese Wahl ist das einzige Ereigniß in der gan¬<lb/> zen Bewegung, das an Politik erinnert. Unter der Bevölkerung haben die Meu¬<lb/> terer keine Sympathien gesunden, und es zeigt sich keine Spur, daß die Hindus<lb/> nach Freiheit und Unabhängigkeit — beiläufig gesagt ein ihnen ziemlich fremder<lb/> Begriff — sich sehnten. Selbst die Basallcnsürsten, die gewiß selten wieder eine<lb/> so günstige Gelegenheit zum Handeln finden werden, zeigen sich bereitwillig zu Hilfe<lb/> und fern von Ungehorsam. Ursachen zu Unzufriedenheit sind gewiß manche in Ostindien<lb/> vo»handelt, aber aus eignem Entschluß und mit eigner Kraft wird der Hindu sicher¬<lb/> lich nicht die Herrschaft der Engländer stürzen, die ihm jedenfalls nicht härter dünkt,<lb/> als die seiner einheimischen Fürsten, und die bei allen ihren Mängeln gerechter<lb/> und schonender für die Masse des Volkes ist als diese war.</p><lb/> <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> Die neuesten Nachrichten aus Ostindien bringen noch keine Ver¬<lb/> änderung der Lage. General, Barnard steht immer noch mit unzureichender Macht<lb/> vor Delhi und hat so wenig angriffsweise verfahren können, daß er sich vielmehr<lb/> in die Nothwendigkeit versetzt gesehen hat, mehre Ausfälle der Meuterer aus der-<lb/> stadt zurückzuschlagen. Der Empfang, den die Auffallende» gefunden haben, hat<lb/> die Ueberlegenheit der europäischen Truppen so entschieden, als man nur wünschen<lb/> konnte, dargelegt, obgleich die Angreifer mit der verzweifelten Wuth gekämpft haben,<lb/> die man^von Leute», die durch ihre Meuterei jede Brücke hinter sich abgebrochen<lb/> haben und keine Gnade hoffen können, erwarten muß. Das bengalische Sipoy-<lb/> hecr muß als vollständig aufgelöst gelten; selbst solche Regimenter, welche sich im<lb/> Anfang der Bewegung den Engländern treu zeigten, haben sich nachträglich gegen<lb/> ihre Offiziere empört, und die wenigen, die dies noch nicht gethan haben, hat man<lb/> aus Vorsicht entwaffnet. Das Heranziehen von Verstärkungen zur Einnahme von<lb/> Delhi wird sehr erschwert durch die Jahreszeit, die anstrengende Märsche fast un¬<lb/> möglich macht und die Truppen durch die Cholera zu decimiren droht. Dadurch<lb/> kommt eine Langsamkeit in die Operationen gegen die Meuterer, die dem mora¬<lb/> lischen Ansehen der englischen Macht in Ostindien schaden muß; denn nur rasche<lb/> Ahndung des Geschehenen kann auf den Orientalen den imponirenden Eindruck</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
Haus aus viel williger und gehorsamer send. Eine europäische Armee an ihre
Stelle zu setzen, erlauben schon finanzielle Rücksichten nicht, selbst wenn sie das
Klima besser vertrüge. Die Lockerung des Bandes zwischen Offizier und Mannschaften,
verschuldet durch verkehrte Maßregeln der Compagnie, erscheint uns als die einzige
Ursache der gegenwärtigen Katastrophe. England hat es in Ostindien mit keiner
Revolution zu thun, sondern lediglich mit einer Militärmeuterei, die allerdings un¬
gewöhnlich große Dimensionen angenommen hat, aber deren Bedeutung unserer
Ansicht nach doch sehr überschätzt wird. Das Ansehn des englischen Namens
hat in Ostindien durch die neueste Katastrophe sicherlich einen schweren Schlag er¬
litten; aber diejenigen täuschen sich gewiß, welche schon dem Sturz der englischen
Herrschaft in Ostindien entgegcnjauchzen. Allerdings ist mehr als die Hülste, und
möglicherweise jetzt bereits die ganze bengalische Armee in offner Meuterei oder
als schwierig und unzuverlässig aufgelöst; aber die meisten Mannschaften sind nach
Hause gelaufen, oder halten sich in den Wäldern versteckt, und mir ein Häuflein
Verzweifelter, die auf keine Gnade hoffen können, hält sich in Delhi und hat
sich einen Schattenkaiscr erwählt. Diese Wahl ist das einzige Ereigniß in der gan¬
zen Bewegung, das an Politik erinnert. Unter der Bevölkerung haben die Meu¬
terer keine Sympathien gesunden, und es zeigt sich keine Spur, daß die Hindus
nach Freiheit und Unabhängigkeit — beiläufig gesagt ein ihnen ziemlich fremder
Begriff — sich sehnten. Selbst die Basallcnsürsten, die gewiß selten wieder eine
so günstige Gelegenheit zum Handeln finden werden, zeigen sich bereitwillig zu Hilfe
und fern von Ungehorsam. Ursachen zu Unzufriedenheit sind gewiß manche in Ostindien
vo»handelt, aber aus eignem Entschluß und mit eigner Kraft wird der Hindu sicher¬
lich nicht die Herrschaft der Engländer stürzen, die ihm jedenfalls nicht härter dünkt,
als die seiner einheimischen Fürsten, und die bei allen ihren Mängeln gerechter
und schonender für die Masse des Volkes ist als diese war.
Die neuesten Nachrichten aus Ostindien bringen noch keine Ver¬
änderung der Lage. General, Barnard steht immer noch mit unzureichender Macht
vor Delhi und hat so wenig angriffsweise verfahren können, daß er sich vielmehr
in die Nothwendigkeit versetzt gesehen hat, mehre Ausfälle der Meuterer aus der-
stadt zurückzuschlagen. Der Empfang, den die Auffallende» gefunden haben, hat
die Ueberlegenheit der europäischen Truppen so entschieden, als man nur wünschen
konnte, dargelegt, obgleich die Angreifer mit der verzweifelten Wuth gekämpft haben,
die man^von Leute», die durch ihre Meuterei jede Brücke hinter sich abgebrochen
haben und keine Gnade hoffen können, erwarten muß. Das bengalische Sipoy-
hecr muß als vollständig aufgelöst gelten; selbst solche Regimenter, welche sich im
Anfang der Bewegung den Engländern treu zeigten, haben sich nachträglich gegen
ihre Offiziere empört, und die wenigen, die dies noch nicht gethan haben, hat man
aus Vorsicht entwaffnet. Das Heranziehen von Verstärkungen zur Einnahme von
Delhi wird sehr erschwert durch die Jahreszeit, die anstrengende Märsche fast un¬
möglich macht und die Truppen durch die Cholera zu decimiren droht. Dadurch
kommt eine Langsamkeit in die Operationen gegen die Meuterer, die dem mora¬
lischen Ansehen der englischen Macht in Ostindien schaden muß; denn nur rasche
Ahndung des Geschehenen kann auf den Orientalen den imponirenden Eindruck
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