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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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entziehen -- und eS fragt sich noch, ob in Gestalt eines einzelnen Schiffs sie
irgend einen Gegner zu fürchten haben. Gewiß ist schon heute, daß dieser
Gegner ein Schrauben-Zwei- oder selbst ein Dreidecker nicht sein kann. Die
moderne Schraubenfrcgatte würde sich, was sie unter normalen Umständen
immer kann, außer Schußweite des Feindes halten und nur so weit nahen,
um noch ihre eignen Geschütze wider ihn wirken zu lassen. Schließlich würde
sie den besagten Zwei- oder Dreidecker in Stücke schießen.

Wenn man zu dem allen noch in Betracht nimmt, daß die moderne
Schraubenfregatte zugleich von einem bedeutend geringeren Tiefgang wie irgend
ein Schraubcnlienschiff ist, so scheint die Frage Vefiniv zu ihren Gunsten ent¬
schieden zu sein. Für die Stellung, welche England in allerneuester Zeit zu
derselben einnimmt, ist es aber bezeichnend, daß es ganz kürzlich nicht nur
nicht neue Schraubcnzweidecker oder Dreidecker in Bau genommen hat, son¬
dern directe Anstalten traf, um künftighin große Fregatten von der besprochenen
Gattung herzustellen. Zu den betreffenden Maßregeln sind namentlich die
Erweiterungen zu rechnen, welche gegenwärtig verschiedene große Docks in
Pembroke, Portsmouth und Plymonth erleiden. Dieselben werden in den
Stand gesetzt, um Fahrzeuge von 330 Fuß Decklänge aufnehmen zu kön¬
nen. Außerdem hat man in England sich thatsächlich mit einigen neuesten
' Schiffsconstruclionen dem amerikanischen System bereits genähert. In dieser
Rücksicht mache ich hier aus die Fregatte Shannon (wenn ich nicht irre von
32 Kanonen) aufmerksam. Dieses Fahrzeug übersteigt jedes britische Schrau¬
benlinienschiff an Länge und führt außerdem fast ausschließlich Kanonen vom
allerschwersten Kaliber (wenn auch nicht amerikanische Monstergeschütze) am Bord.
Wenn ich recht unterrichtet bin, werden gleich nach der Vollendung der Docks
in Pembroke ein Paar Riesenfregatten daselbst in Angriff genommen werden,
von denen nur zu wünschen ist, daß auch ihre Artillerie den neuen Principien
entsprechen möge.

Fassen wir noch einmal kurz zusammen, auf welchen Pfaden der Augen¬
blick die verschiedenen größeren Seemächte findet, so haben wir daS hervor¬
zuheben, daß neben Amerika, welches auf dem Felde der Neuerungen wiederum
die Führerschaft gewonnen hat, sich Rußland in einer bedeutend vorgerückten
Position befindet. Am weitesten zurück scheint Frankreich zu sein, mehr aus
einer gewissen Caprice seines Gouvernements als weil es dem Marinewesen
eine geringe Aufmerksamkeit widmet, denn seine Anstrengungen, um das fran¬
zösische Ansehen auf dem Meere zu heben, sind im Gegentheil groß und wer¬
den von bedeutenden Mitteln unterstützt. England zeigt sich unentschieden;
aber es hat im Gegensatz zu der Zeit vor zwei Jahren und früher dennoch
einige entscheidende Schritte nach vorwärts auf die neue Bahn hin gethan,
was eben mit mehrfachen Thatsachen belegt wurde. Die Zeit trägt stark die


entziehen — und eS fragt sich noch, ob in Gestalt eines einzelnen Schiffs sie
irgend einen Gegner zu fürchten haben. Gewiß ist schon heute, daß dieser
Gegner ein Schrauben-Zwei- oder selbst ein Dreidecker nicht sein kann. Die
moderne Schraubenfrcgatte würde sich, was sie unter normalen Umständen
immer kann, außer Schußweite des Feindes halten und nur so weit nahen,
um noch ihre eignen Geschütze wider ihn wirken zu lassen. Schließlich würde
sie den besagten Zwei- oder Dreidecker in Stücke schießen.

Wenn man zu dem allen noch in Betracht nimmt, daß die moderne
Schraubenfregatte zugleich von einem bedeutend geringeren Tiefgang wie irgend
ein Schraubcnlienschiff ist, so scheint die Frage Vefiniv zu ihren Gunsten ent¬
schieden zu sein. Für die Stellung, welche England in allerneuester Zeit zu
derselben einnimmt, ist es aber bezeichnend, daß es ganz kürzlich nicht nur
nicht neue Schraubcnzweidecker oder Dreidecker in Bau genommen hat, son¬
dern directe Anstalten traf, um künftighin große Fregatten von der besprochenen
Gattung herzustellen. Zu den betreffenden Maßregeln sind namentlich die
Erweiterungen zu rechnen, welche gegenwärtig verschiedene große Docks in
Pembroke, Portsmouth und Plymonth erleiden. Dieselben werden in den
Stand gesetzt, um Fahrzeuge von 330 Fuß Decklänge aufnehmen zu kön¬
nen. Außerdem hat man in England sich thatsächlich mit einigen neuesten
' Schiffsconstruclionen dem amerikanischen System bereits genähert. In dieser
Rücksicht mache ich hier aus die Fregatte Shannon (wenn ich nicht irre von
32 Kanonen) aufmerksam. Dieses Fahrzeug übersteigt jedes britische Schrau¬
benlinienschiff an Länge und führt außerdem fast ausschließlich Kanonen vom
allerschwersten Kaliber (wenn auch nicht amerikanische Monstergeschütze) am Bord.
Wenn ich recht unterrichtet bin, werden gleich nach der Vollendung der Docks
in Pembroke ein Paar Riesenfregatten daselbst in Angriff genommen werden,
von denen nur zu wünschen ist, daß auch ihre Artillerie den neuen Principien
entsprechen möge.

Fassen wir noch einmal kurz zusammen, auf welchen Pfaden der Augen¬
blick die verschiedenen größeren Seemächte findet, so haben wir daS hervor¬
zuheben, daß neben Amerika, welches auf dem Felde der Neuerungen wiederum
die Führerschaft gewonnen hat, sich Rußland in einer bedeutend vorgerückten
Position befindet. Am weitesten zurück scheint Frankreich zu sein, mehr aus
einer gewissen Caprice seines Gouvernements als weil es dem Marinewesen
eine geringe Aufmerksamkeit widmet, denn seine Anstrengungen, um das fran¬
zösische Ansehen auf dem Meere zu heben, sind im Gegentheil groß und wer¬
den von bedeutenden Mitteln unterstützt. England zeigt sich unentschieden;
aber es hat im Gegensatz zu der Zeit vor zwei Jahren und früher dennoch
einige entscheidende Schritte nach vorwärts auf die neue Bahn hin gethan,
was eben mit mehrfachen Thatsachen belegt wurde. Die Zeit trägt stark die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/232>, abgerufen am 04.12.2024.