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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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neuerdings unbegreiflicherweise für den Bau dreier Schraubenlinienschiffe nach
dem alten System entschieden hat. Der damit begangene Fehler scheint mir
enorm zu sein, und die ganze Zukunft der jungen Habsburgischen Marine in
Zweifel zu stellen. Was Preußen angeht, so müssen wir abwarten. Die
beiden gedeckten Schraubencorvettrn, "Arcona" und "Gazelle", an die man
eben wol die letzte Hand anlegt, sprechen vorerst noch kein Princip aus, reden
aber mehr für eine Hinneigung zu amerikanischen Grundsätzen wie zu anderen.
Schweden und Dänemark dürften sich auf guter und richtiger Fährte befinden.

Ich habe hier noch einiges über die ConstrUction der neuen amerikanischen
Schraubenfregatten nachzuholen. Die Erfahrungen, zu denen der Bau der
schnellsegelnden Klipper verholfen, sind bei denselben nicht unbenutzt geblieben.
Sie sind von einer außerordentlichen Länge und übersteigen in dieser Hin¬
sicht die Dimensionen der großen Segelfregatten erster Classe (von 60 Kano¬
nen) beinahe um das Doppelte; über die großen britischen und französischen
Schraubendreidecker, "Duke", "Marlborough" und "Bretagne" reichen sie aber
um beinahe hundert Fuß hinaus. Vermöge dieser großen Länge segeln sie
nicht nur schneller wie alle "ach älteren Modellen construirten Fahrzeuge,
sondern sie thun es gradezu den Klippern gleich. Dabei ist der Tonnengehalt
der bezeichnete" Dimension entsprechend und reicht nicht nur an den der Schrau¬
bendreidecker hinan, sondern gradezu über ihn hinaus. Kein Schiff ist besser
im Stande Truppen und Vorräthe in Masse an Bord zu nehmen, wie sie.
Auch ist das Princip, daß die Schwere des Geschützes, und nicht die An¬
zahl die Entscheidung gibt, dermaßen bei ihnen festgehalten, daß die größten
Fahrzeuge der betreffenden Gattung nicht über dreißig Kanonen führen und
eines von erstem Range selbst nur elf. Diese Geschütze stehen der Mehrzahl'
nach unter Deck, und eben darum möglichst gesichert. Sie sind nicht in zwei
Linien, entsprechend den beiden Borden vertheilt, sondern drehen sich allesammt
auf Pivots uno zwar dergestalt, daß sie nach Belieben auf Back- und Steuer¬
bord verwendet werden können. Ihr Kaliber scheint durchgängig über das
der Zeit schwerste in Preußen angewendete hinauszugehen.

Was mau von diesen modernen amerikanischen Schraubensregatten zu er¬
warten hat, ist nicht schwer festzustellen. Im Voraus ist gewiß und kann auch
von den Anhängern des älteren Systems nicht mehr in Zweifel gezogen wer¬
den, daß die neuen Fahrzeuge taktisch d. h. in Rücksicht auf ihre Beweglichkeit,
allen aurum überlegen sein werden. Es wird mithin bei ihnen stehen, eine
Distanzkanonade aus einer Entfernung, bei der sie die Tragweite ihrer enor¬
men Kaliber ausbeuten können, einzuleiten oder abzubrechen. Kein Schiff wird
"uf dem freien Meere ihnen entrinnen können und insofern werden sie natur¬
gemäß die besten Kreuzer sein, denn dieselbe Schnelligkeit, welche ihnen den
Schwächeren überliefert, wird ihnen ein Mittel sein, sich der Uebermacht zu


neuerdings unbegreiflicherweise für den Bau dreier Schraubenlinienschiffe nach
dem alten System entschieden hat. Der damit begangene Fehler scheint mir
enorm zu sein, und die ganze Zukunft der jungen Habsburgischen Marine in
Zweifel zu stellen. Was Preußen angeht, so müssen wir abwarten. Die
beiden gedeckten Schraubencorvettrn, „Arcona" und „Gazelle", an die man
eben wol die letzte Hand anlegt, sprechen vorerst noch kein Princip aus, reden
aber mehr für eine Hinneigung zu amerikanischen Grundsätzen wie zu anderen.
Schweden und Dänemark dürften sich auf guter und richtiger Fährte befinden.

Ich habe hier noch einiges über die ConstrUction der neuen amerikanischen
Schraubenfregatten nachzuholen. Die Erfahrungen, zu denen der Bau der
schnellsegelnden Klipper verholfen, sind bei denselben nicht unbenutzt geblieben.
Sie sind von einer außerordentlichen Länge und übersteigen in dieser Hin¬
sicht die Dimensionen der großen Segelfregatten erster Classe (von 60 Kano¬
nen) beinahe um das Doppelte; über die großen britischen und französischen
Schraubendreidecker, „Duke", „Marlborough" und „Bretagne" reichen sie aber
um beinahe hundert Fuß hinaus. Vermöge dieser großen Länge segeln sie
nicht nur schneller wie alle «ach älteren Modellen construirten Fahrzeuge,
sondern sie thun es gradezu den Klippern gleich. Dabei ist der Tonnengehalt
der bezeichnete» Dimension entsprechend und reicht nicht nur an den der Schrau¬
bendreidecker hinan, sondern gradezu über ihn hinaus. Kein Schiff ist besser
im Stande Truppen und Vorräthe in Masse an Bord zu nehmen, wie sie.
Auch ist das Princip, daß die Schwere des Geschützes, und nicht die An¬
zahl die Entscheidung gibt, dermaßen bei ihnen festgehalten, daß die größten
Fahrzeuge der betreffenden Gattung nicht über dreißig Kanonen führen und
eines von erstem Range selbst nur elf. Diese Geschütze stehen der Mehrzahl'
nach unter Deck, und eben darum möglichst gesichert. Sie sind nicht in zwei
Linien, entsprechend den beiden Borden vertheilt, sondern drehen sich allesammt
auf Pivots uno zwar dergestalt, daß sie nach Belieben auf Back- und Steuer¬
bord verwendet werden können. Ihr Kaliber scheint durchgängig über das
der Zeit schwerste in Preußen angewendete hinauszugehen.

Was mau von diesen modernen amerikanischen Schraubensregatten zu er¬
warten hat, ist nicht schwer festzustellen. Im Voraus ist gewiß und kann auch
von den Anhängern des älteren Systems nicht mehr in Zweifel gezogen wer¬
den, daß die neuen Fahrzeuge taktisch d. h. in Rücksicht auf ihre Beweglichkeit,
allen aurum überlegen sein werden. Es wird mithin bei ihnen stehen, eine
Distanzkanonade aus einer Entfernung, bei der sie die Tragweite ihrer enor¬
men Kaliber ausbeuten können, einzuleiten oder abzubrechen. Kein Schiff wird
«uf dem freien Meere ihnen entrinnen können und insofern werden sie natur¬
gemäß die besten Kreuzer sein, denn dieselbe Schnelligkeit, welche ihnen den
Schwächeren überliefert, wird ihnen ein Mittel sein, sich der Uebermacht zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/231>, abgerufen am 03.07.2024.