Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Leute ihn deshalb den reichen Mann in der Vehrstraße. nannten. Dies wurde
aber in wenig Jahren sehr ungewiß gemacht, so daß meinen Eltern große
Sorge und Geldversplitterung, auch ihren Kindern Verhinderung des gehofften
Glückes., also merklicher Schade und Nachtheil entstand.

Denn eS waren damals zu Stralsund zwei Weiber,, die man Schaden¬
trägerinnen nicht unbillig nennen möchte, die eine hieß Lubbe Keßke, die andere
Engeln,, wplMten alle beide in der Altbüßerstraße. Die kauften von meinem
Vater, allerhand Tuch, das verkauften sie wieder andern Leuten, man wußte
aber nicht wem; sie entliehen Geld zu 30, 100, 150 und mehr oder weniger
Thalern, sagten auch nicht., für wen sie die entliehen; wenn sie von den
Leuten gefragt wurden, von wem sie solches Geld holten, antworteten sie:
"vom reichen Manne in der Vehrstraße." Der Thaler galt damals 28 lübsche
Schillinge, sie machten ab, den zum Termin, auf den man übereingekommen
war, mit 28^/2 Schilling zu bezahlen. So auch mir dem Kaufgeld für die
Tücher, sie zahlten bisweilen wol etwas! ab, aber wenn sie einmal 100 Fi.
entrichteten, so nahmen sie strar wieder für 200 oder mehr Fi. Solcher Handel
war meiner Mutter gar nicht recht, denn sie. sah wol, wenn der Vater sein
Geld auf die gebührende Rente von 5 Procent austhäte, würde dasselbe un-
gleich mehr bringen. Und ihr sagte das Herz, die Weiber würden den Vaters
endlich betrügen, wie auch wirklich geschah; sie flehte, bat und ermahnte,
machmal mit Vergießung heißer Thränen,, für sich selbst, auch durch! die
Prediger Knipstro und andere, er sollte doch mit den Weibern zu, handeln
unterlassen. Als, nun die Forderung sehr groß wurde, die Weiber nicht 20 Fi.
zu bezahlen vermochten und er wissen wollte, wohin sein Gut gekommen wäre,
fand sich, daß er an die Frau, eines Tuchschneiders, des Hermann Bruser,
welche einen stattlichen Tuchhandel hatte, da. sie daS Tuch im Ausschnitt wohl¬
feiler verkaufte, als andere Tuchhändler thun konnten, 1725 Fi. und an die
Mutter des Jacob Leweling 800 Fi. weggegeben hatte. Mein Vater zog die
beiden Weiber mit der Frau deS Bruser zur Rechenschaft, diese Frau und ihr
Mann Hermann Bruser erboten sich zu bezahlen. Bruser gab meinem Vater?
Siegel und Brief, ihm in festgesetzten Terminen die Zahlung^ zu leisten. --
Was geschieht? der erste Termin der Bezahlung fiel in, den Aufruhr gegen
den Bürgermeister Herrn Nikolaus Smiterlow und von den Vornehmsten der
Aufrührer war Hermann Bruser einer, er vermeinte, eS wäre nun sowol mit
meinem Vater, als mit dem Herrn Bürgermeister aus, er widersetzte sich der
Bezahlung, also seiner gegebenen Schuldverschreibung und ließ , sich, mit meinem
Vater in einen Proceß ein. Die Gegner brachten den Bürgermeister Lorber
durch Verehrung etlicher Goldgulden auf ihre Seite, so daß nach, langem
RechtSgange erkannt wurde, Bruser sollte schwören, daß er von dem Handel
nichts gewußt und beweisen , daß. derselbe wucherisch gewesen. Bruser hat


Leute ihn deshalb den reichen Mann in der Vehrstraße. nannten. Dies wurde
aber in wenig Jahren sehr ungewiß gemacht, so daß meinen Eltern große
Sorge und Geldversplitterung, auch ihren Kindern Verhinderung des gehofften
Glückes., also merklicher Schade und Nachtheil entstand.

Denn eS waren damals zu Stralsund zwei Weiber,, die man Schaden¬
trägerinnen nicht unbillig nennen möchte, die eine hieß Lubbe Keßke, die andere
Engeln,, wplMten alle beide in der Altbüßerstraße. Die kauften von meinem
Vater, allerhand Tuch, das verkauften sie wieder andern Leuten, man wußte
aber nicht wem; sie entliehen Geld zu 30, 100, 150 und mehr oder weniger
Thalern, sagten auch nicht., für wen sie die entliehen; wenn sie von den
Leuten gefragt wurden, von wem sie solches Geld holten, antworteten sie:
„vom reichen Manne in der Vehrstraße." Der Thaler galt damals 28 lübsche
Schillinge, sie machten ab, den zum Termin, auf den man übereingekommen
war, mit 28^/2 Schilling zu bezahlen. So auch mir dem Kaufgeld für die
Tücher, sie zahlten bisweilen wol etwas! ab, aber wenn sie einmal 100 Fi.
entrichteten, so nahmen sie strar wieder für 200 oder mehr Fi. Solcher Handel
war meiner Mutter gar nicht recht, denn sie. sah wol, wenn der Vater sein
Geld auf die gebührende Rente von 5 Procent austhäte, würde dasselbe un-
gleich mehr bringen. Und ihr sagte das Herz, die Weiber würden den Vaters
endlich betrügen, wie auch wirklich geschah; sie flehte, bat und ermahnte,
machmal mit Vergießung heißer Thränen,, für sich selbst, auch durch! die
Prediger Knipstro und andere, er sollte doch mit den Weibern zu, handeln
unterlassen. Als, nun die Forderung sehr groß wurde, die Weiber nicht 20 Fi.
zu bezahlen vermochten und er wissen wollte, wohin sein Gut gekommen wäre,
fand sich, daß er an die Frau, eines Tuchschneiders, des Hermann Bruser,
welche einen stattlichen Tuchhandel hatte, da. sie daS Tuch im Ausschnitt wohl¬
feiler verkaufte, als andere Tuchhändler thun konnten, 1725 Fi. und an die
Mutter des Jacob Leweling 800 Fi. weggegeben hatte. Mein Vater zog die
beiden Weiber mit der Frau deS Bruser zur Rechenschaft, diese Frau und ihr
Mann Hermann Bruser erboten sich zu bezahlen. Bruser gab meinem Vater?
Siegel und Brief, ihm in festgesetzten Terminen die Zahlung^ zu leisten. —
Was geschieht? der erste Termin der Bezahlung fiel in, den Aufruhr gegen
den Bürgermeister Herrn Nikolaus Smiterlow und von den Vornehmsten der
Aufrührer war Hermann Bruser einer, er vermeinte, eS wäre nun sowol mit
meinem Vater, als mit dem Herrn Bürgermeister aus, er widersetzte sich der
Bezahlung, also seiner gegebenen Schuldverschreibung und ließ , sich, mit meinem
Vater in einen Proceß ein. Die Gegner brachten den Bürgermeister Lorber
durch Verehrung etlicher Goldgulden auf ihre Seite, so daß nach, langem
RechtSgange erkannt wurde, Bruser sollte schwören, daß er von dem Handel
nichts gewußt und beweisen , daß. derselbe wucherisch gewesen. Bruser hat


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104224"/>
            <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51"> Leute ihn deshalb den reichen Mann in der Vehrstraße. nannten. Dies wurde<lb/>
aber in wenig Jahren sehr ungewiß gemacht, so daß meinen Eltern große<lb/>
Sorge und Geldversplitterung, auch ihren Kindern Verhinderung des gehofften<lb/>
Glückes., also merklicher Schade und Nachtheil entstand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_53" next="#ID_54"> Denn eS waren damals zu Stralsund zwei Weiber,, die man Schaden¬<lb/>
trägerinnen nicht unbillig nennen möchte, die eine hieß Lubbe Keßke, die andere<lb/>
Engeln,, wplMten alle beide in der Altbüßerstraße. Die kauften von meinem<lb/>
Vater, allerhand Tuch, das verkauften sie wieder andern Leuten, man wußte<lb/>
aber nicht wem; sie entliehen Geld zu 30, 100, 150 und mehr oder weniger<lb/>
Thalern, sagten auch nicht., für wen sie die entliehen; wenn sie von den<lb/>
Leuten gefragt wurden, von wem sie solches Geld holten, antworteten sie:<lb/>
&#x201E;vom reichen Manne in der Vehrstraße." Der Thaler galt damals 28 lübsche<lb/>
Schillinge, sie machten ab, den zum Termin, auf den man übereingekommen<lb/>
war, mit 28^/2 Schilling zu bezahlen. So auch mir dem Kaufgeld für die<lb/>
Tücher, sie zahlten bisweilen wol etwas! ab, aber wenn sie einmal 100 Fi.<lb/>
entrichteten, so nahmen sie strar wieder für 200 oder mehr Fi. Solcher Handel<lb/>
war meiner Mutter gar nicht recht, denn sie. sah wol, wenn der Vater sein<lb/>
Geld auf die gebührende Rente von 5 Procent austhäte, würde dasselbe un-<lb/>
gleich mehr bringen. Und ihr sagte das Herz, die Weiber würden den Vaters<lb/>
endlich betrügen, wie auch wirklich geschah; sie flehte, bat und ermahnte,<lb/>
machmal mit Vergießung heißer Thränen,, für sich selbst, auch durch! die<lb/>
Prediger Knipstro und andere, er sollte doch mit den Weibern zu, handeln<lb/>
unterlassen. Als, nun die Forderung sehr groß wurde, die Weiber nicht 20 Fi.<lb/>
zu bezahlen vermochten und er wissen wollte, wohin sein Gut gekommen wäre,<lb/>
fand sich, daß er an die Frau, eines Tuchschneiders, des Hermann Bruser,<lb/>
welche einen stattlichen Tuchhandel hatte, da. sie daS Tuch im Ausschnitt wohl¬<lb/>
feiler verkaufte, als andere Tuchhändler thun konnten, 1725 Fi. und an die<lb/>
Mutter des Jacob Leweling 800 Fi. weggegeben hatte. Mein Vater zog die<lb/>
beiden Weiber mit der Frau deS Bruser zur Rechenschaft, diese Frau und ihr<lb/>
Mann Hermann Bruser erboten sich zu bezahlen. Bruser gab meinem Vater?<lb/>
Siegel und Brief, ihm in festgesetzten Terminen die Zahlung^ zu leisten. &#x2014;<lb/>
Was geschieht? der erste Termin der Bezahlung fiel in, den Aufruhr gegen<lb/>
den Bürgermeister Herrn Nikolaus Smiterlow und von den Vornehmsten der<lb/>
Aufrührer war Hermann Bruser einer, er vermeinte, eS wäre nun sowol mit<lb/>
meinem Vater, als mit dem Herrn Bürgermeister aus, er widersetzte sich der<lb/>
Bezahlung, also seiner gegebenen Schuldverschreibung und ließ , sich, mit meinem<lb/>
Vater in einen Proceß ein. Die Gegner brachten den Bürgermeister Lorber<lb/>
durch Verehrung etlicher Goldgulden auf ihre Seite, so daß nach, langem<lb/>
RechtSgange erkannt wurde, Bruser sollte schwören, daß er von dem Handel<lb/>
nichts gewußt und beweisen , daß. derselbe wucherisch gewesen.  Bruser hat</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Leute ihn deshalb den reichen Mann in der Vehrstraße. nannten. Dies wurde aber in wenig Jahren sehr ungewiß gemacht, so daß meinen Eltern große Sorge und Geldversplitterung, auch ihren Kindern Verhinderung des gehofften Glückes., also merklicher Schade und Nachtheil entstand. Denn eS waren damals zu Stralsund zwei Weiber,, die man Schaden¬ trägerinnen nicht unbillig nennen möchte, die eine hieß Lubbe Keßke, die andere Engeln,, wplMten alle beide in der Altbüßerstraße. Die kauften von meinem Vater, allerhand Tuch, das verkauften sie wieder andern Leuten, man wußte aber nicht wem; sie entliehen Geld zu 30, 100, 150 und mehr oder weniger Thalern, sagten auch nicht., für wen sie die entliehen; wenn sie von den Leuten gefragt wurden, von wem sie solches Geld holten, antworteten sie: „vom reichen Manne in der Vehrstraße." Der Thaler galt damals 28 lübsche Schillinge, sie machten ab, den zum Termin, auf den man übereingekommen war, mit 28^/2 Schilling zu bezahlen. So auch mir dem Kaufgeld für die Tücher, sie zahlten bisweilen wol etwas! ab, aber wenn sie einmal 100 Fi. entrichteten, so nahmen sie strar wieder für 200 oder mehr Fi. Solcher Handel war meiner Mutter gar nicht recht, denn sie. sah wol, wenn der Vater sein Geld auf die gebührende Rente von 5 Procent austhäte, würde dasselbe un- gleich mehr bringen. Und ihr sagte das Herz, die Weiber würden den Vaters endlich betrügen, wie auch wirklich geschah; sie flehte, bat und ermahnte, machmal mit Vergießung heißer Thränen,, für sich selbst, auch durch! die Prediger Knipstro und andere, er sollte doch mit den Weibern zu, handeln unterlassen. Als, nun die Forderung sehr groß wurde, die Weiber nicht 20 Fi. zu bezahlen vermochten und er wissen wollte, wohin sein Gut gekommen wäre, fand sich, daß er an die Frau, eines Tuchschneiders, des Hermann Bruser, welche einen stattlichen Tuchhandel hatte, da. sie daS Tuch im Ausschnitt wohl¬ feiler verkaufte, als andere Tuchhändler thun konnten, 1725 Fi. und an die Mutter des Jacob Leweling 800 Fi. weggegeben hatte. Mein Vater zog die beiden Weiber mit der Frau deS Bruser zur Rechenschaft, diese Frau und ihr Mann Hermann Bruser erboten sich zu bezahlen. Bruser gab meinem Vater? Siegel und Brief, ihm in festgesetzten Terminen die Zahlung^ zu leisten. — Was geschieht? der erste Termin der Bezahlung fiel in, den Aufruhr gegen den Bürgermeister Herrn Nikolaus Smiterlow und von den Vornehmsten der Aufrührer war Hermann Bruser einer, er vermeinte, eS wäre nun sowol mit meinem Vater, als mit dem Herrn Bürgermeister aus, er widersetzte sich der Bezahlung, also seiner gegebenen Schuldverschreibung und ließ , sich, mit meinem Vater in einen Proceß ein. Die Gegner brachten den Bürgermeister Lorber durch Verehrung etlicher Goldgulden auf ihre Seite, so daß nach, langem RechtSgange erkannt wurde, Bruser sollte schwören, daß er von dem Handel nichts gewußt und beweisen , daß. derselbe wucherisch gewesen. Bruser hat

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/23>, abgerufen am 25.08.2024.