Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Indem man nur Geschütze vom schwersten Kaliber und darunter viele Bomben¬
kanonen in seinen Batterien aufstelle, könne man denselben, rücksichtlich der
Wucht seiner Breitseiten, dem heutigen Dreidecker Von -131 Geschützen min¬
destens gleichsetzen und habe mithin nicht zu fürchten, daß er auf einen über¬
legenen Gegner stoßen könne. Außerdem sei er, in Rücksicht auf seine geringere
Bordhöhe, von soliderer Construction, biete dem feindlichen Feuer eine weniger
aufragende Zielfläche, segele vermöge seiner größeren Länge schneller und habe
einen geringeren Tiefgang bei einem dem Dreidecker mindestens gleich¬
kommenden Tonnengehalt. Endlich verwirft die dritte Ansicht auch den Zwei¬
decker als ein Schiff, welches die eben gerügten Fehler des Dreideckers
immer noch in einem zu hohen Maße besitze und will zu den Fregatten, als
der Construction, bei der sich Schnelligkeit und Beweglichkeit am meisten noch
ausbeuten lassen, zurückkehren.

Die erstere Meinung war lange Zeit in England die maßgebende und
hat seiner Zeit die dortige Admiralität bestimmt, ihre Genehmigung jenen
Monsterbautcn zu geben, als welche die Schiffe "Duke" und "Marlborough"
von den Gegnern des Systems gleich anfangs verschrien wurden. Was Frank¬
reich angeht, so war man dort eine Zeitlang vorsichtiger, bis man sich im
Wetteifer mit der Nachbarmarine ebenfalls zu einer Riesenconstruction wie
die "Bretagne" von 131 Kanonen bestimmen ließ. Während man indeß seit
kurzem jenseits deö Kanals an dem früher festgehaltenen Princip irre ge¬
worben zu sein scheint und sich dem Fregattensystem zuneigt, welches i" den
Amerikanern seine Vertreter hat, will man in Frankreich mindestens an den
Linienschiffen im Allgemeinen festhalten und ist, in Bezug darauf, mit dem
Plane beschäftigt, die Abmessungen der künftigen Schlachtschiffe auf die des
oben erwähnten Normalzweideckers zu reduciren.

Daß die Frage für alle Seemächte und im Besonderen für die größten
unter ihnen von einer außerordentlichen Wichtigkeit ist, bedarf kaum einer Be¬
gründung. Was man Suprematie auf dem Meere nennt, ist schließlich doch
nur Vas Resultat der militärischen Mittel, mit denen man diese Vorherrschaft
behaupten kann und es würde um Englands ganze Machtstellung bedenklich
stehen, wenn man sich in einem Falle, wie der hier zu besprechende, über
dieselben irrte. Entsprechend dieser hohen Bedeutung, welche in der zu treffen¬
den Entscheidung liegt, ist man neuerdings in London möglichst vorsichtig zu
Werke gegangen; weniger in Paris, wo man in den Kriegsjahren, wie es
scheinen will, etwas vorschnell im Bauen von Linienschraubern gewesen.ist
und es möglicherweise ehestens zu bereuen haben wird, eine große Zahl der¬
selben nicht nur durch Umwandlung bereits fertiger oder im Bau weit vor¬
geschrittener Linienschiffe, sondern durch Neubau hergestellt zu haben. Da die


28 *

Indem man nur Geschütze vom schwersten Kaliber und darunter viele Bomben¬
kanonen in seinen Batterien aufstelle, könne man denselben, rücksichtlich der
Wucht seiner Breitseiten, dem heutigen Dreidecker Von -131 Geschützen min¬
destens gleichsetzen und habe mithin nicht zu fürchten, daß er auf einen über¬
legenen Gegner stoßen könne. Außerdem sei er, in Rücksicht auf seine geringere
Bordhöhe, von soliderer Construction, biete dem feindlichen Feuer eine weniger
aufragende Zielfläche, segele vermöge seiner größeren Länge schneller und habe
einen geringeren Tiefgang bei einem dem Dreidecker mindestens gleich¬
kommenden Tonnengehalt. Endlich verwirft die dritte Ansicht auch den Zwei¬
decker als ein Schiff, welches die eben gerügten Fehler des Dreideckers
immer noch in einem zu hohen Maße besitze und will zu den Fregatten, als
der Construction, bei der sich Schnelligkeit und Beweglichkeit am meisten noch
ausbeuten lassen, zurückkehren.

Die erstere Meinung war lange Zeit in England die maßgebende und
hat seiner Zeit die dortige Admiralität bestimmt, ihre Genehmigung jenen
Monsterbautcn zu geben, als welche die Schiffe „Duke" und „Marlborough"
von den Gegnern des Systems gleich anfangs verschrien wurden. Was Frank¬
reich angeht, so war man dort eine Zeitlang vorsichtiger, bis man sich im
Wetteifer mit der Nachbarmarine ebenfalls zu einer Riesenconstruction wie
die „Bretagne" von 131 Kanonen bestimmen ließ. Während man indeß seit
kurzem jenseits deö Kanals an dem früher festgehaltenen Princip irre ge¬
worben zu sein scheint und sich dem Fregattensystem zuneigt, welches i» den
Amerikanern seine Vertreter hat, will man in Frankreich mindestens an den
Linienschiffen im Allgemeinen festhalten und ist, in Bezug darauf, mit dem
Plane beschäftigt, die Abmessungen der künftigen Schlachtschiffe auf die des
oben erwähnten Normalzweideckers zu reduciren.

Daß die Frage für alle Seemächte und im Besonderen für die größten
unter ihnen von einer außerordentlichen Wichtigkeit ist, bedarf kaum einer Be¬
gründung. Was man Suprematie auf dem Meere nennt, ist schließlich doch
nur Vas Resultat der militärischen Mittel, mit denen man diese Vorherrschaft
behaupten kann und es würde um Englands ganze Machtstellung bedenklich
stehen, wenn man sich in einem Falle, wie der hier zu besprechende, über
dieselben irrte. Entsprechend dieser hohen Bedeutung, welche in der zu treffen¬
den Entscheidung liegt, ist man neuerdings in London möglichst vorsichtig zu
Werke gegangen; weniger in Paris, wo man in den Kriegsjahren, wie es
scheinen will, etwas vorschnell im Bauen von Linienschraubern gewesen.ist
und es möglicherweise ehestens zu bereuen haben wird, eine große Zahl der¬
selben nicht nur durch Umwandlung bereits fertiger oder im Bau weit vor¬
geschrittener Linienschiffe, sondern durch Neubau hergestellt zu haben. Da die


28 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104428"/>
            <p xml:id="ID_613" prev="#ID_612"> Indem man nur Geschütze vom schwersten Kaliber und darunter viele Bomben¬<lb/>
kanonen in seinen Batterien aufstelle, könne man denselben, rücksichtlich der<lb/>
Wucht seiner Breitseiten, dem heutigen Dreidecker Von -131 Geschützen min¬<lb/>
destens gleichsetzen und habe mithin nicht zu fürchten, daß er auf einen über¬<lb/>
legenen Gegner stoßen könne. Außerdem sei er, in Rücksicht auf seine geringere<lb/>
Bordhöhe, von soliderer Construction, biete dem feindlichen Feuer eine weniger<lb/>
aufragende Zielfläche, segele vermöge seiner größeren Länge schneller und habe<lb/>
einen geringeren Tiefgang bei einem dem Dreidecker mindestens gleich¬<lb/>
kommenden Tonnengehalt. Endlich verwirft die dritte Ansicht auch den Zwei¬<lb/>
decker als ein Schiff, welches die eben gerügten Fehler des Dreideckers<lb/>
immer noch in einem zu hohen Maße besitze und will zu den Fregatten, als<lb/>
der Construction, bei der sich Schnelligkeit und Beweglichkeit am meisten noch<lb/>
ausbeuten lassen, zurückkehren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_614"> Die erstere Meinung war lange Zeit in England die maßgebende und<lb/>
hat seiner Zeit die dortige Admiralität bestimmt, ihre Genehmigung jenen<lb/>
Monsterbautcn zu geben, als welche die Schiffe &#x201E;Duke" und &#x201E;Marlborough"<lb/>
von den Gegnern des Systems gleich anfangs verschrien wurden. Was Frank¬<lb/>
reich angeht, so war man dort eine Zeitlang vorsichtiger, bis man sich im<lb/>
Wetteifer mit der Nachbarmarine ebenfalls zu einer Riesenconstruction wie<lb/>
die &#x201E;Bretagne" von 131 Kanonen bestimmen ließ. Während man indeß seit<lb/>
kurzem jenseits deö Kanals an dem früher festgehaltenen Princip irre ge¬<lb/>
worben zu sein scheint und sich dem Fregattensystem zuneigt, welches i» den<lb/>
Amerikanern seine Vertreter hat, will man in Frankreich mindestens an den<lb/>
Linienschiffen im Allgemeinen festhalten und ist, in Bezug darauf, mit dem<lb/>
Plane beschäftigt, die Abmessungen der künftigen Schlachtschiffe auf die des<lb/>
oben erwähnten Normalzweideckers zu reduciren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_615" next="#ID_616"> Daß die Frage für alle Seemächte und im Besonderen für die größten<lb/>
unter ihnen von einer außerordentlichen Wichtigkeit ist, bedarf kaum einer Be¬<lb/>
gründung. Was man Suprematie auf dem Meere nennt, ist schließlich doch<lb/>
nur Vas Resultat der militärischen Mittel, mit denen man diese Vorherrschaft<lb/>
behaupten kann und es würde um Englands ganze Machtstellung bedenklich<lb/>
stehen, wenn man sich in einem Falle, wie der hier zu besprechende, über<lb/>
dieselben irrte. Entsprechend dieser hohen Bedeutung, welche in der zu treffen¬<lb/>
den Entscheidung liegt, ist man neuerdings in London möglichst vorsichtig zu<lb/>
Werke gegangen; weniger in Paris, wo man in den Kriegsjahren, wie es<lb/>
scheinen will, etwas vorschnell im Bauen von Linienschraubern gewesen.ist<lb/>
und es möglicherweise ehestens zu bereuen haben wird, eine große Zahl der¬<lb/>
selben nicht nur durch Umwandlung bereits fertiger oder im Bau weit vor¬<lb/>
geschrittener Linienschiffe, sondern durch Neubau hergestellt zu haben.  Da die</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 28 *</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] Indem man nur Geschütze vom schwersten Kaliber und darunter viele Bomben¬ kanonen in seinen Batterien aufstelle, könne man denselben, rücksichtlich der Wucht seiner Breitseiten, dem heutigen Dreidecker Von -131 Geschützen min¬ destens gleichsetzen und habe mithin nicht zu fürchten, daß er auf einen über¬ legenen Gegner stoßen könne. Außerdem sei er, in Rücksicht auf seine geringere Bordhöhe, von soliderer Construction, biete dem feindlichen Feuer eine weniger aufragende Zielfläche, segele vermöge seiner größeren Länge schneller und habe einen geringeren Tiefgang bei einem dem Dreidecker mindestens gleich¬ kommenden Tonnengehalt. Endlich verwirft die dritte Ansicht auch den Zwei¬ decker als ein Schiff, welches die eben gerügten Fehler des Dreideckers immer noch in einem zu hohen Maße besitze und will zu den Fregatten, als der Construction, bei der sich Schnelligkeit und Beweglichkeit am meisten noch ausbeuten lassen, zurückkehren. Die erstere Meinung war lange Zeit in England die maßgebende und hat seiner Zeit die dortige Admiralität bestimmt, ihre Genehmigung jenen Monsterbautcn zu geben, als welche die Schiffe „Duke" und „Marlborough" von den Gegnern des Systems gleich anfangs verschrien wurden. Was Frank¬ reich angeht, so war man dort eine Zeitlang vorsichtiger, bis man sich im Wetteifer mit der Nachbarmarine ebenfalls zu einer Riesenconstruction wie die „Bretagne" von 131 Kanonen bestimmen ließ. Während man indeß seit kurzem jenseits deö Kanals an dem früher festgehaltenen Princip irre ge¬ worben zu sein scheint und sich dem Fregattensystem zuneigt, welches i» den Amerikanern seine Vertreter hat, will man in Frankreich mindestens an den Linienschiffen im Allgemeinen festhalten und ist, in Bezug darauf, mit dem Plane beschäftigt, die Abmessungen der künftigen Schlachtschiffe auf die des oben erwähnten Normalzweideckers zu reduciren. Daß die Frage für alle Seemächte und im Besonderen für die größten unter ihnen von einer außerordentlichen Wichtigkeit ist, bedarf kaum einer Be¬ gründung. Was man Suprematie auf dem Meere nennt, ist schließlich doch nur Vas Resultat der militärischen Mittel, mit denen man diese Vorherrschaft behaupten kann und es würde um Englands ganze Machtstellung bedenklich stehen, wenn man sich in einem Falle, wie der hier zu besprechende, über dieselben irrte. Entsprechend dieser hohen Bedeutung, welche in der zu treffen¬ den Entscheidung liegt, ist man neuerdings in London möglichst vorsichtig zu Werke gegangen; weniger in Paris, wo man in den Kriegsjahren, wie es scheinen will, etwas vorschnell im Bauen von Linienschraubern gewesen.ist und es möglicherweise ehestens zu bereuen haben wird, eine große Zahl der¬ selben nicht nur durch Umwandlung bereits fertiger oder im Bau weit vor¬ geschrittener Linienschiffe, sondern durch Neubau hergestellt zu haben. Da die 28 *

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/227>, abgerufen am 04.12.2024.