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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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nen Grafenschlosses oder in der geborstenen Kapelle eines liederlichen Klosters
dieselben Gewichte mit weniger Respect auf die Wagschale, wenn ihm in stiller
Nacht seine Spießgesellen schwere Säcke mit guter Münze aus dem Nachbar¬
lande über die Grenze brachten, die er in schlechtes Geld mit fahnden Gepräge
umschlug, sich und seinem kleinen Landesherrn, dem Edelmann oder Abte zum
großen Vortheil, den armen Bauersleuten aber zum Schaden. Manchen Banke-
rot ehrsamer Städte und stolzer Fürsten hat die kölnische Mark erlebt, mit ihr
hat z. B. 1622 unsere gute Stadt Leipzig Bankerott gemacht, mit ihr hat
Friedrich der Große in der Kriegsnoth sein schlechtes Geld geschlagen, mit ihr
hat Oestreich die ganze lange Misere seines Kupfer- und Scheingeldes und die
Zettelwirthschaft seiner Nevolutionsjahre erlebt. Unter ihrer, tausendjährigen Herr¬
schaft hat fast immer die tollste Münzverwirrung bestanden, und immer ist sie
der Regulator gewesen, auf welchen sich die zahlreichen Bemühungen zur Con-
solidirung deS deutschen Munzwesens fruchtlos beriefen. Jetzt, da wir von ihr
scheiden, soll ihr rühmend nachgesagt werden, daß Deutschland unter ihrer
Herrschaft zwar jede Art von Geldnoth und Münzgaunerei erlebthat, daß aber
auch aus ihr seit mehr als hundert Jahren der jetzige preußische Thaler ge¬
schlagen worden ist, die harte, dauerhafte, klingende Münze, welche mit ihrem
ehrlichen Schrot und Korn allmälig die herrschende Münzeinheit geworden ist
in den meisten deutschen Staaten, jetzt auch in dem neuen Vertrag. --

Als Münzgewicht tritt an die Stelle der kölnischen Mark das Zollvereins¬
pfund, welches sich durch seine Schwere von S00 Grammen dem französischen
Gewichtsystem anschließt. Aus dem Zollpfunde feinen Silbers sollen fortan
von den Thalerstaaten je 30 Thaler, von den Staaten des rheinischen Gul¬
dens je 32V" Gulden, von Oestreich je Gulden geprägt werden. Nach dieser
Bestimmung behalten die sämmtlichen Zollvereinsstaaten, sowol die, welche bis
jetzt nach dem 14 Thalerfuß, als die süddeutschen, welche nach dem 24Vs Gul¬
denfuß prägten, ihre alten Münzen, das alte Schrot und Korn bei, Oestreich
aber verläßt den bisherigen Conventionsfuß, und nimmt factisch 'den nord¬
deutschen Thalerfuß an, indem es fortan statt 20 Gulden, 21 aus der kölni¬
schen Mark schlägt, oder nach dem neuen Münzgewicht ausgedrückt: is Gul¬
den -- 30 Thalern aus einem Zollvereinspfund.

Dazu kommt folgende Bestimmung:

Alle Staaten prägen außer ihren Landesmünzen einfache und doppelte
VereinSthaler, welche in allen Kassen der Landesmünze gleich geachtet werden
sollen. Ganz denselben Vorzug erhalten die bisherigen Zweithalerstücke, so wie
sämmtliche Thaler, die nach dem bisherigen 1i Thalersuß aus¬
geprägt sind. Durch diese Bestimmung ist die Herrschaft des Thalers als
maßgebender Verkehrseinheit entschieden. Die östreichischen Gulden zu ^/z Tha¬
lern und die Münzen der süddeutschen Währung werden dadurch mit der Zeit


nen Grafenschlosses oder in der geborstenen Kapelle eines liederlichen Klosters
dieselben Gewichte mit weniger Respect auf die Wagschale, wenn ihm in stiller
Nacht seine Spießgesellen schwere Säcke mit guter Münze aus dem Nachbar¬
lande über die Grenze brachten, die er in schlechtes Geld mit fahnden Gepräge
umschlug, sich und seinem kleinen Landesherrn, dem Edelmann oder Abte zum
großen Vortheil, den armen Bauersleuten aber zum Schaden. Manchen Banke-
rot ehrsamer Städte und stolzer Fürsten hat die kölnische Mark erlebt, mit ihr
hat z. B. 1622 unsere gute Stadt Leipzig Bankerott gemacht, mit ihr hat
Friedrich der Große in der Kriegsnoth sein schlechtes Geld geschlagen, mit ihr
hat Oestreich die ganze lange Misere seines Kupfer- und Scheingeldes und die
Zettelwirthschaft seiner Nevolutionsjahre erlebt. Unter ihrer, tausendjährigen Herr¬
schaft hat fast immer die tollste Münzverwirrung bestanden, und immer ist sie
der Regulator gewesen, auf welchen sich die zahlreichen Bemühungen zur Con-
solidirung deS deutschen Munzwesens fruchtlos beriefen. Jetzt, da wir von ihr
scheiden, soll ihr rühmend nachgesagt werden, daß Deutschland unter ihrer
Herrschaft zwar jede Art von Geldnoth und Münzgaunerei erlebthat, daß aber
auch aus ihr seit mehr als hundert Jahren der jetzige preußische Thaler ge¬
schlagen worden ist, die harte, dauerhafte, klingende Münze, welche mit ihrem
ehrlichen Schrot und Korn allmälig die herrschende Münzeinheit geworden ist
in den meisten deutschen Staaten, jetzt auch in dem neuen Vertrag. —

Als Münzgewicht tritt an die Stelle der kölnischen Mark das Zollvereins¬
pfund, welches sich durch seine Schwere von S00 Grammen dem französischen
Gewichtsystem anschließt. Aus dem Zollpfunde feinen Silbers sollen fortan
von den Thalerstaaten je 30 Thaler, von den Staaten des rheinischen Gul¬
dens je 32V» Gulden, von Oestreich je Gulden geprägt werden. Nach dieser
Bestimmung behalten die sämmtlichen Zollvereinsstaaten, sowol die, welche bis
jetzt nach dem 14 Thalerfuß, als die süddeutschen, welche nach dem 24Vs Gul¬
denfuß prägten, ihre alten Münzen, das alte Schrot und Korn bei, Oestreich
aber verläßt den bisherigen Conventionsfuß, und nimmt factisch 'den nord¬
deutschen Thalerfuß an, indem es fortan statt 20 Gulden, 21 aus der kölni¬
schen Mark schlägt, oder nach dem neuen Münzgewicht ausgedrückt: is Gul¬
den — 30 Thalern aus einem Zollvereinspfund.

Dazu kommt folgende Bestimmung:

Alle Staaten prägen außer ihren Landesmünzen einfache und doppelte
VereinSthaler, welche in allen Kassen der Landesmünze gleich geachtet werden
sollen. Ganz denselben Vorzug erhalten die bisherigen Zweithalerstücke, so wie
sämmtliche Thaler, die nach dem bisherigen 1i Thalersuß aus¬
geprägt sind. Durch diese Bestimmung ist die Herrschaft des Thalers als
maßgebender Verkehrseinheit entschieden. Die östreichischen Gulden zu ^/z Tha¬
lern und die Münzen der süddeutschen Währung werden dadurch mit der Zeit


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[0210] nen Grafenschlosses oder in der geborstenen Kapelle eines liederlichen Klosters dieselben Gewichte mit weniger Respect auf die Wagschale, wenn ihm in stiller Nacht seine Spießgesellen schwere Säcke mit guter Münze aus dem Nachbar¬ lande über die Grenze brachten, die er in schlechtes Geld mit fahnden Gepräge umschlug, sich und seinem kleinen Landesherrn, dem Edelmann oder Abte zum großen Vortheil, den armen Bauersleuten aber zum Schaden. Manchen Banke- rot ehrsamer Städte und stolzer Fürsten hat die kölnische Mark erlebt, mit ihr hat z. B. 1622 unsere gute Stadt Leipzig Bankerott gemacht, mit ihr hat Friedrich der Große in der Kriegsnoth sein schlechtes Geld geschlagen, mit ihr hat Oestreich die ganze lange Misere seines Kupfer- und Scheingeldes und die Zettelwirthschaft seiner Nevolutionsjahre erlebt. Unter ihrer, tausendjährigen Herr¬ schaft hat fast immer die tollste Münzverwirrung bestanden, und immer ist sie der Regulator gewesen, auf welchen sich die zahlreichen Bemühungen zur Con- solidirung deS deutschen Munzwesens fruchtlos beriefen. Jetzt, da wir von ihr scheiden, soll ihr rühmend nachgesagt werden, daß Deutschland unter ihrer Herrschaft zwar jede Art von Geldnoth und Münzgaunerei erlebthat, daß aber auch aus ihr seit mehr als hundert Jahren der jetzige preußische Thaler ge¬ schlagen worden ist, die harte, dauerhafte, klingende Münze, welche mit ihrem ehrlichen Schrot und Korn allmälig die herrschende Münzeinheit geworden ist in den meisten deutschen Staaten, jetzt auch in dem neuen Vertrag. — Als Münzgewicht tritt an die Stelle der kölnischen Mark das Zollvereins¬ pfund, welches sich durch seine Schwere von S00 Grammen dem französischen Gewichtsystem anschließt. Aus dem Zollpfunde feinen Silbers sollen fortan von den Thalerstaaten je 30 Thaler, von den Staaten des rheinischen Gul¬ dens je 32V» Gulden, von Oestreich je Gulden geprägt werden. Nach dieser Bestimmung behalten die sämmtlichen Zollvereinsstaaten, sowol die, welche bis jetzt nach dem 14 Thalerfuß, als die süddeutschen, welche nach dem 24Vs Gul¬ denfuß prägten, ihre alten Münzen, das alte Schrot und Korn bei, Oestreich aber verläßt den bisherigen Conventionsfuß, und nimmt factisch 'den nord¬ deutschen Thalerfuß an, indem es fortan statt 20 Gulden, 21 aus der kölni¬ schen Mark schlägt, oder nach dem neuen Münzgewicht ausgedrückt: is Gul¬ den — 30 Thalern aus einem Zollvereinspfund. Dazu kommt folgende Bestimmung: Alle Staaten prägen außer ihren Landesmünzen einfache und doppelte VereinSthaler, welche in allen Kassen der Landesmünze gleich geachtet werden sollen. Ganz denselben Vorzug erhalten die bisherigen Zweithalerstücke, so wie sämmtliche Thaler, die nach dem bisherigen 1i Thalersuß aus¬ geprägt sind. Durch diese Bestimmung ist die Herrschaft des Thalers als maßgebender Verkehrseinheit entschieden. Die östreichischen Gulden zu ^/z Tha¬ lern und die Münzen der süddeutschen Währung werden dadurch mit der Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/210>, abgerufen am 26.06.2024.