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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Schmach, da solche doppelt mit uns verwandt sind, sondern meinen Kindern
zur Verwarnung und Vermahnung, daß sie ihre Kinder von Jugend auf in
geziemender Zucht und Zwang halten.

s.Jm Jahre ging meine Mutter schweren Fußes und wollte vor der
Entbindung noch scheuern und waschen lassen, wie eS die Frauen im Brauch
haben. Nun hatten meine Eltern dies Mal eine Magd, die vom bösen
Geist besessen war. Sie hatte sich bis dahin nicht hervorgethan, aber
jetzt, als sie das große Wandgerath zu scheuern hatte, Kessel und Tiegel
herunter zu nehmen, wars sie diese herab auf den Boden, sehr greulich, und
rief mit lauter Stimme: ich will heraus! AIS man nun den Grund merkte,
nahm ihre Mutter (die in der Patinenmacherstraße wohnte) die Magd zu sich
und sie wurde etliche Mal in die Kirche zu Se. Nicolaus in einem rigaischen
Schlitten geführt. Wenn die Predigt geendigt war, wurde der Geist be¬
schworen, und ergab sich aus seinem Bekenntniß: daß ihre Mutter einen
frischen sauern Käse gekauft und in den Schrank eingesetzt hatte, die Magd
war in Abwesenheit ihrer Mutter an den Schrank gekommen und hatte vom
Käse gegessen. Als nun die Mutter gesehen, daß jemand beim Käse gewesen
war, hatte sie dem den bösen Geist in den Leib geflucht; seitdem hatte er in
der Magd hausgehalten. Als er darauf gefragt wurde, wie er denn bei und
in der Magd hätte bleiben können, da sie in der Zeit zum Sacrament ge¬
gangen war, gab er die Antwort: "ES liegt wol ein Schelm unter der Brücke
und läßt einen frommen Mann über sich hingehen," er hätte mittlerweil ihr unter
der Zunge gesessen. Er wurde aber nicht allein gebannt und beschworen,
sondern eS ward auch von männiglich, so in der Kirche dabei- und umherstand,
auf den Knien fleißig und andächtig gebetet. Mit dem Erorcismo trieb er
sein lautes Gespött, denn als der Prediger ihn beschwor, daß er ausfahren
sollte, sagte er: "Ja, er wollte weichen, er müßte ja wol daS Feld räumen,
aber er forderte allerlei, was man ihm mitzunehmen erlauben sollte, wenn ihm
das eine Geforderte abgeschlagen würde, so stünde ihm das Bleiben frei." ES
stand einer unter den Anwesenden, welcher den Hut aufbehielt, alö diese beteten,
da begehrte er von den Predigern, ihm zu erlauben, daß er dem den Hut
vom Kopf nehmen dürfte, den Hut wolle er mit sich nehmen und weichen.
Ich trage Sorge, wäre es ihm von Gott gestattet worden, Haut und Haar
hatten mit dem Hute gehen müssen. -- Zuletzt, als er wußte, daß seine Zeit,
die Magd zu plagen, verflossen war, und vermerkte, daß unser Herr Gott daS
gläubige Gebet der gegenwärtigen Leute gnädiglich erhörte, forderte er gar
spöttisch eine Tafel Glas aus dem Fenster über der Thurmur, und als ihm
eine Raute aus demselben erlaubt wurde, hat sich dieselbe zusehends mit einem
Klänge abgelöst und ist davon geflogen. Nach der Zeit hat man nichts Böses


Schmach, da solche doppelt mit uns verwandt sind, sondern meinen Kindern
zur Verwarnung und Vermahnung, daß sie ihre Kinder von Jugend auf in
geziemender Zucht und Zwang halten.

s.Jm Jahre ging meine Mutter schweren Fußes und wollte vor der
Entbindung noch scheuern und waschen lassen, wie eS die Frauen im Brauch
haben. Nun hatten meine Eltern dies Mal eine Magd, die vom bösen
Geist besessen war. Sie hatte sich bis dahin nicht hervorgethan, aber
jetzt, als sie das große Wandgerath zu scheuern hatte, Kessel und Tiegel
herunter zu nehmen, wars sie diese herab auf den Boden, sehr greulich, und
rief mit lauter Stimme: ich will heraus! AIS man nun den Grund merkte,
nahm ihre Mutter (die in der Patinenmacherstraße wohnte) die Magd zu sich
und sie wurde etliche Mal in die Kirche zu Se. Nicolaus in einem rigaischen
Schlitten geführt. Wenn die Predigt geendigt war, wurde der Geist be¬
schworen, und ergab sich aus seinem Bekenntniß: daß ihre Mutter einen
frischen sauern Käse gekauft und in den Schrank eingesetzt hatte, die Magd
war in Abwesenheit ihrer Mutter an den Schrank gekommen und hatte vom
Käse gegessen. Als nun die Mutter gesehen, daß jemand beim Käse gewesen
war, hatte sie dem den bösen Geist in den Leib geflucht; seitdem hatte er in
der Magd hausgehalten. Als er darauf gefragt wurde, wie er denn bei und
in der Magd hätte bleiben können, da sie in der Zeit zum Sacrament ge¬
gangen war, gab er die Antwort: „ES liegt wol ein Schelm unter der Brücke
und läßt einen frommen Mann über sich hingehen," er hätte mittlerweil ihr unter
der Zunge gesessen. Er wurde aber nicht allein gebannt und beschworen,
sondern eS ward auch von männiglich, so in der Kirche dabei- und umherstand,
auf den Knien fleißig und andächtig gebetet. Mit dem Erorcismo trieb er
sein lautes Gespött, denn als der Prediger ihn beschwor, daß er ausfahren
sollte, sagte er: „Ja, er wollte weichen, er müßte ja wol daS Feld räumen,
aber er forderte allerlei, was man ihm mitzunehmen erlauben sollte, wenn ihm
das eine Geforderte abgeschlagen würde, so stünde ihm das Bleiben frei." ES
stand einer unter den Anwesenden, welcher den Hut aufbehielt, alö diese beteten,
da begehrte er von den Predigern, ihm zu erlauben, daß er dem den Hut
vom Kopf nehmen dürfte, den Hut wolle er mit sich nehmen und weichen.
Ich trage Sorge, wäre es ihm von Gott gestattet worden, Haut und Haar
hatten mit dem Hute gehen müssen. — Zuletzt, als er wußte, daß seine Zeit,
die Magd zu plagen, verflossen war, und vermerkte, daß unser Herr Gott daS
gläubige Gebet der gegenwärtigen Leute gnädiglich erhörte, forderte er gar
spöttisch eine Tafel Glas aus dem Fenster über der Thurmur, und als ihm
eine Raute aus demselben erlaubt wurde, hat sich dieselbe zusehends mit einem
Klänge abgelöst und ist davon geflogen. Nach der Zeit hat man nichts Böses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/21>, abgerufen am 25.08.2024.