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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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und Schleswig-holsteinische Gesinnung vor vielen schleswigschen Städten ausgezeichnet;
vom Dänenthum wollte man dort nichts wissen; erst unter Christian VIII. trat
eine künstliche Reaction ein, die eine nicht unbeträchtliche Zahl der Einwohner zum
Theil Kaufleute, meistens aber Leute aus den niedrigsten Ständen zur dänischen Partei
hinüberzog und den neuaugezogenen dänischen Patriotismus zu nähren kein Mittel
verschmähte. Die flensburger Gelehrtenschule indessen blieb eine durchaus deutsche;
sie ist gegenwärtig eine dänische; zwar sollen beide Sprachen gleichberechtigt sein,
allein in der Wirklichkeit wird sür alle bedeutenden Lehrgegenstände, Religion,
Geschichte, Geographie, Lateinisch in. die zugleich mit den meisten Stunden bedacht
sind, die dänische Unterrichtssprache gewählt, sür die untergeordneten die deutsche.
"Weil," so heißt es im Schulprogramm, "in Zukunft wol die von der flensbnrger
Schule zur Universität Abgehenden, statt nach Kiel, nach Kopenhagen gehen werden,
so müssen sie schon deshalb des Dänischen gründlich mächtig sein." In keiner Rich¬
tung ist die dänische Propaganda, offen wie versteckt, so thätig als in dieser; kein
Mittel wird unversucht gelassen, Versprechung von Stipendien, Lobpreisung derLehr-
kräfte und Unterrichtsmittel Kopenhagens, Ueberredung und nöthigenfalls die Drohung
keine Anstellung zu erhalten, ja selbst die Androhung, in Flensburg nie zum juristi¬
schen und theologischen Amtsexamen zugelassen zu werden, all dergleichen wird an¬
gewendet, um der Landesuniversität Kiel die fchleswigfche Jugend zu entziehen und
sie Kopenhagen zuzuführen; dort werden die Kandidaten des Danismus schon beim
Aussteigen aus dem Dampfboote von unwissenden dänischen Manuducenten -- Ab-
richtungsmännern -- empfangen und in TH6s und Kaffüs mit allen möglichen
Caressen überhäuft. Die haderslebener Gelehrtenschule ist seit 1830 zu einer durch¬
aus dänischen umgestaltet und alle Lehrer sind von Dänemark herbeigerufen; sie
bestreben sich eine Verbrüderung mit der Schule zu Nipen in Jütland zu bewirken.
Daß in Hadersleben, neben dem Deutschen Dänisch, freilich Patois, gesprochen wird,
weiß jeder, und die Idee, Schleswig zu theilen, den deutschen Süden mit Holstein
zu verbinden, ist eine oft besprochene, die sich begründen läßt. Die deutschen Gro߬
mächte gehen jedoch viel weiter, grade so weit, wie die cnragirtcsten Eiderdänen
in ihren kühnsten Plänen. Die Deutschen geben Schleswig auf und die Dänen
verzehren es -- ein ärgeres Vergessen der Vergangenheit, eine kläglichere Lösung der
Frage, eine schlimmere Enttäuschung der Hoffnungen aller Patrioten ist nicht
denkbar.

Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei von Ein¬
führung des Christenthums bis aus die neueste Zeit. Herausgegeben von Ernst
Förster. Erste Lieferung. Leipzig, T. O. Weigel. -- Dieses geistvolle Werk,
welches wir bei seinem frühern Erscheinen charakterisirt haben, erscheint in der
neuen Ausgabe getrennt, indem die Mittheilungen aus der Baukunst ein Werk sür
sich bilden.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

und Schleswig-holsteinische Gesinnung vor vielen schleswigschen Städten ausgezeichnet;
vom Dänenthum wollte man dort nichts wissen; erst unter Christian VIII. trat
eine künstliche Reaction ein, die eine nicht unbeträchtliche Zahl der Einwohner zum
Theil Kaufleute, meistens aber Leute aus den niedrigsten Ständen zur dänischen Partei
hinüberzog und den neuaugezogenen dänischen Patriotismus zu nähren kein Mittel
verschmähte. Die flensburger Gelehrtenschule indessen blieb eine durchaus deutsche;
sie ist gegenwärtig eine dänische; zwar sollen beide Sprachen gleichberechtigt sein,
allein in der Wirklichkeit wird sür alle bedeutenden Lehrgegenstände, Religion,
Geschichte, Geographie, Lateinisch in. die zugleich mit den meisten Stunden bedacht
sind, die dänische Unterrichtssprache gewählt, sür die untergeordneten die deutsche.
„Weil," so heißt es im Schulprogramm, „in Zukunft wol die von der flensbnrger
Schule zur Universität Abgehenden, statt nach Kiel, nach Kopenhagen gehen werden,
so müssen sie schon deshalb des Dänischen gründlich mächtig sein." In keiner Rich¬
tung ist die dänische Propaganda, offen wie versteckt, so thätig als in dieser; kein
Mittel wird unversucht gelassen, Versprechung von Stipendien, Lobpreisung derLehr-
kräfte und Unterrichtsmittel Kopenhagens, Ueberredung und nöthigenfalls die Drohung
keine Anstellung zu erhalten, ja selbst die Androhung, in Flensburg nie zum juristi¬
schen und theologischen Amtsexamen zugelassen zu werden, all dergleichen wird an¬
gewendet, um der Landesuniversität Kiel die fchleswigfche Jugend zu entziehen und
sie Kopenhagen zuzuführen; dort werden die Kandidaten des Danismus schon beim
Aussteigen aus dem Dampfboote von unwissenden dänischen Manuducenten — Ab-
richtungsmännern — empfangen und in TH6s und Kaffüs mit allen möglichen
Caressen überhäuft. Die haderslebener Gelehrtenschule ist seit 1830 zu einer durch¬
aus dänischen umgestaltet und alle Lehrer sind von Dänemark herbeigerufen; sie
bestreben sich eine Verbrüderung mit der Schule zu Nipen in Jütland zu bewirken.
Daß in Hadersleben, neben dem Deutschen Dänisch, freilich Patois, gesprochen wird,
weiß jeder, und die Idee, Schleswig zu theilen, den deutschen Süden mit Holstein
zu verbinden, ist eine oft besprochene, die sich begründen läßt. Die deutschen Gro߬
mächte gehen jedoch viel weiter, grade so weit, wie die cnragirtcsten Eiderdänen
in ihren kühnsten Plänen. Die Deutschen geben Schleswig auf und die Dänen
verzehren es — ein ärgeres Vergessen der Vergangenheit, eine kläglichere Lösung der
Frage, eine schlimmere Enttäuschung der Hoffnungen aller Patrioten ist nicht
denkbar.

Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei von Ein¬
führung des Christenthums bis aus die neueste Zeit. Herausgegeben von Ernst
Förster. Erste Lieferung. Leipzig, T. O. Weigel. — Dieses geistvolle Werk,
welches wir bei seinem frühern Erscheinen charakterisirt haben, erscheint in der
neuen Ausgabe getrennt, indem die Mittheilungen aus der Baukunst ein Werk sür
sich bilden.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0128] und Schleswig-holsteinische Gesinnung vor vielen schleswigschen Städten ausgezeichnet; vom Dänenthum wollte man dort nichts wissen; erst unter Christian VIII. trat eine künstliche Reaction ein, die eine nicht unbeträchtliche Zahl der Einwohner zum Theil Kaufleute, meistens aber Leute aus den niedrigsten Ständen zur dänischen Partei hinüberzog und den neuaugezogenen dänischen Patriotismus zu nähren kein Mittel verschmähte. Die flensburger Gelehrtenschule indessen blieb eine durchaus deutsche; sie ist gegenwärtig eine dänische; zwar sollen beide Sprachen gleichberechtigt sein, allein in der Wirklichkeit wird sür alle bedeutenden Lehrgegenstände, Religion, Geschichte, Geographie, Lateinisch in. die zugleich mit den meisten Stunden bedacht sind, die dänische Unterrichtssprache gewählt, sür die untergeordneten die deutsche. „Weil," so heißt es im Schulprogramm, „in Zukunft wol die von der flensbnrger Schule zur Universität Abgehenden, statt nach Kiel, nach Kopenhagen gehen werden, so müssen sie schon deshalb des Dänischen gründlich mächtig sein." In keiner Rich¬ tung ist die dänische Propaganda, offen wie versteckt, so thätig als in dieser; kein Mittel wird unversucht gelassen, Versprechung von Stipendien, Lobpreisung derLehr- kräfte und Unterrichtsmittel Kopenhagens, Ueberredung und nöthigenfalls die Drohung keine Anstellung zu erhalten, ja selbst die Androhung, in Flensburg nie zum juristi¬ schen und theologischen Amtsexamen zugelassen zu werden, all dergleichen wird an¬ gewendet, um der Landesuniversität Kiel die fchleswigfche Jugend zu entziehen und sie Kopenhagen zuzuführen; dort werden die Kandidaten des Danismus schon beim Aussteigen aus dem Dampfboote von unwissenden dänischen Manuducenten — Ab- richtungsmännern — empfangen und in TH6s und Kaffüs mit allen möglichen Caressen überhäuft. Die haderslebener Gelehrtenschule ist seit 1830 zu einer durch¬ aus dänischen umgestaltet und alle Lehrer sind von Dänemark herbeigerufen; sie bestreben sich eine Verbrüderung mit der Schule zu Nipen in Jütland zu bewirken. Daß in Hadersleben, neben dem Deutschen Dänisch, freilich Patois, gesprochen wird, weiß jeder, und die Idee, Schleswig zu theilen, den deutschen Süden mit Holstein zu verbinden, ist eine oft besprochene, die sich begründen läßt. Die deutschen Gro߬ mächte gehen jedoch viel weiter, grade so weit, wie die cnragirtcsten Eiderdänen in ihren kühnsten Plänen. Die Deutschen geben Schleswig auf und die Dänen verzehren es — ein ärgeres Vergessen der Vergangenheit, eine kläglichere Lösung der Frage, eine schlimmere Enttäuschung der Hoffnungen aller Patrioten ist nicht denkbar. Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei von Ein¬ führung des Christenthums bis aus die neueste Zeit. Herausgegeben von Ernst Förster. Erste Lieferung. Leipzig, T. O. Weigel. — Dieses geistvolle Werk, welches wir bei seinem frühern Erscheinen charakterisirt haben, erscheint in der neuen Ausgabe getrennt, indem die Mittheilungen aus der Baukunst ein Werk sür sich bilden. Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/128>, abgerufen am 22.07.2024.