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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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an jenem entlegenen Punkte der Monarchie concentrirt werden; in Swine-
münde dagegen können schon jetzt 30,000 M. in vier Tagen versammelt wer¬
den, und wenn die erwähnten Eisenbahnen, welche von rechts und links her¬
zustrebend dort münden werden, vollendet sind, wird eS dazu nur eines ein¬
zigen Tages bedürfen.

Die Regierung scheint nichtsdestoweniger den Gedanken, diese vielen Vor¬
theile durch Anlage eines großen Seeetablissements auszunutzen, kaum
ernstlich in Erwägung genommen zu haben. Schon der, (übrigens in seiner
beschränkten Art, welche ein gewisses Kostenquantum nicht übersteigen wollte,
meisterhafte,) aus den geschickten Händen des jetzigen Chefs deS preußischen
Jngenieurcorps, General von Brese, hervorgegangene Entwurf, zu der nun¬
mehr vollendeten Befestigung der Swinemündung, ließ es ahnen, daß von
jeder maritimen Anlage größeren Stiles hier im voraus Abstand genommen
werden solle, indem die Enceinte auf beiden Ufern durchaus flach an diese
herangelegt wurde, dergestalt daß zu Bassins u. s. w. kein ausreichender
innerer Raum verblieb.

Die Unmöglichkeit, Danzig zu einem brauchbaren Kriegshafen zu machen,
stellte sich bald heraus und das Gouvernement wendete darnach seine Haupt¬
aufmerksamkeit, in dieser Hinsicht, auf die Insel Rügen. Wie bekannt, wird
dieses größte preußische Eiland durch eine Meerenge, welche der Gellen heißt,
vom Festland geschieden. Es war dies nicht zu allen Zeiten der Fall. Die
jetzige Halbinsel Mönchguth hing vordem mit dem Continent, in der Richtung
aus Rüden zusammen, und wurde durch einen Sceeinbruch, der im Jahre 1309
erfolgte, von demselben geschieden. Desselben Ursprunges scheinen die tiefen
Meerbusen zu sein, welche sich weit in daS Innere der Insel hineinziehen,
zumal derjenige, dessen Haupttheil der große jasmunder Bodden benannt ist.

Auf den ersten Blick scheint die Idee, den Hauptkriegshafen des Landes
auf einer Insel, und mithin außerhalb des unmittelbaren Zusammenhanges
mit dem Gros des Staates zu etabliren keine glückliche zu sein. Aber die
Gefahr, welche aus einer solchen Lage erwächst, wird durch die geringe Ent¬
fernung der betreffenden Insel vom Festland" wesentlich vermindert. Nußland
dürfte wenig Bedenken tragen, Kronstäbe zum Sitz seiner Seemacht im bal¬
tischen Meere zu machen, wiewol es noch sicherer wäre, wenn seine dortigen
Etablissements unmittelbar an der Newa gelegen wären. Aber auf Aaland,
etwa bei Bomarsund, seine Hauptinsenale zu errichten würde ein Tollhäu¬
serwerk gewesen sein, und dieser Gedanke ist den Zaren auch wol nie
gekommen, wiewol sie die Insel ihrer sonstigen Bedeutung wegen, als
Stationspunkt für einen winterlichen Marsch quer über die gefrorene Ostsee
nach Schweden, wol zu schätzen wissen. Was Rügen angeht, so gehört
es zu den dem Festland nächstgerückten Inseln, mit anderen Worten: es


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an jenem entlegenen Punkte der Monarchie concentrirt werden; in Swine-
münde dagegen können schon jetzt 30,000 M. in vier Tagen versammelt wer¬
den, und wenn die erwähnten Eisenbahnen, welche von rechts und links her¬
zustrebend dort münden werden, vollendet sind, wird eS dazu nur eines ein¬
zigen Tages bedürfen.

Die Regierung scheint nichtsdestoweniger den Gedanken, diese vielen Vor¬
theile durch Anlage eines großen Seeetablissements auszunutzen, kaum
ernstlich in Erwägung genommen zu haben. Schon der, (übrigens in seiner
beschränkten Art, welche ein gewisses Kostenquantum nicht übersteigen wollte,
meisterhafte,) aus den geschickten Händen des jetzigen Chefs deS preußischen
Jngenieurcorps, General von Brese, hervorgegangene Entwurf, zu der nun¬
mehr vollendeten Befestigung der Swinemündung, ließ es ahnen, daß von
jeder maritimen Anlage größeren Stiles hier im voraus Abstand genommen
werden solle, indem die Enceinte auf beiden Ufern durchaus flach an diese
herangelegt wurde, dergestalt daß zu Bassins u. s. w. kein ausreichender
innerer Raum verblieb.

Die Unmöglichkeit, Danzig zu einem brauchbaren Kriegshafen zu machen,
stellte sich bald heraus und das Gouvernement wendete darnach seine Haupt¬
aufmerksamkeit, in dieser Hinsicht, auf die Insel Rügen. Wie bekannt, wird
dieses größte preußische Eiland durch eine Meerenge, welche der Gellen heißt,
vom Festland geschieden. Es war dies nicht zu allen Zeiten der Fall. Die
jetzige Halbinsel Mönchguth hing vordem mit dem Continent, in der Richtung
aus Rüden zusammen, und wurde durch einen Sceeinbruch, der im Jahre 1309
erfolgte, von demselben geschieden. Desselben Ursprunges scheinen die tiefen
Meerbusen zu sein, welche sich weit in daS Innere der Insel hineinziehen,
zumal derjenige, dessen Haupttheil der große jasmunder Bodden benannt ist.

Auf den ersten Blick scheint die Idee, den Hauptkriegshafen des Landes
auf einer Insel, und mithin außerhalb des unmittelbaren Zusammenhanges
mit dem Gros des Staates zu etabliren keine glückliche zu sein. Aber die
Gefahr, welche aus einer solchen Lage erwächst, wird durch die geringe Ent¬
fernung der betreffenden Insel vom Festland« wesentlich vermindert. Nußland
dürfte wenig Bedenken tragen, Kronstäbe zum Sitz seiner Seemacht im bal¬
tischen Meere zu machen, wiewol es noch sicherer wäre, wenn seine dortigen
Etablissements unmittelbar an der Newa gelegen wären. Aber auf Aaland,
etwa bei Bomarsund, seine Hauptinsenale zu errichten würde ein Tollhäu¬
serwerk gewesen sein, und dieser Gedanke ist den Zaren auch wol nie
gekommen, wiewol sie die Insel ihrer sonstigen Bedeutung wegen, als
Stationspunkt für einen winterlichen Marsch quer über die gefrorene Ostsee
nach Schweden, wol zu schätzen wissen. Was Rügen angeht, so gehört
es zu den dem Festland nächstgerückten Inseln, mit anderen Worten: es


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[0099] an jenem entlegenen Punkte der Monarchie concentrirt werden; in Swine- münde dagegen können schon jetzt 30,000 M. in vier Tagen versammelt wer¬ den, und wenn die erwähnten Eisenbahnen, welche von rechts und links her¬ zustrebend dort münden werden, vollendet sind, wird eS dazu nur eines ein¬ zigen Tages bedürfen. Die Regierung scheint nichtsdestoweniger den Gedanken, diese vielen Vor¬ theile durch Anlage eines großen Seeetablissements auszunutzen, kaum ernstlich in Erwägung genommen zu haben. Schon der, (übrigens in seiner beschränkten Art, welche ein gewisses Kostenquantum nicht übersteigen wollte, meisterhafte,) aus den geschickten Händen des jetzigen Chefs deS preußischen Jngenieurcorps, General von Brese, hervorgegangene Entwurf, zu der nun¬ mehr vollendeten Befestigung der Swinemündung, ließ es ahnen, daß von jeder maritimen Anlage größeren Stiles hier im voraus Abstand genommen werden solle, indem die Enceinte auf beiden Ufern durchaus flach an diese herangelegt wurde, dergestalt daß zu Bassins u. s. w. kein ausreichender innerer Raum verblieb. Die Unmöglichkeit, Danzig zu einem brauchbaren Kriegshafen zu machen, stellte sich bald heraus und das Gouvernement wendete darnach seine Haupt¬ aufmerksamkeit, in dieser Hinsicht, auf die Insel Rügen. Wie bekannt, wird dieses größte preußische Eiland durch eine Meerenge, welche der Gellen heißt, vom Festland geschieden. Es war dies nicht zu allen Zeiten der Fall. Die jetzige Halbinsel Mönchguth hing vordem mit dem Continent, in der Richtung aus Rüden zusammen, und wurde durch einen Sceeinbruch, der im Jahre 1309 erfolgte, von demselben geschieden. Desselben Ursprunges scheinen die tiefen Meerbusen zu sein, welche sich weit in daS Innere der Insel hineinziehen, zumal derjenige, dessen Haupttheil der große jasmunder Bodden benannt ist. Auf den ersten Blick scheint die Idee, den Hauptkriegshafen des Landes auf einer Insel, und mithin außerhalb des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Gros des Staates zu etabliren keine glückliche zu sein. Aber die Gefahr, welche aus einer solchen Lage erwächst, wird durch die geringe Ent¬ fernung der betreffenden Insel vom Festland« wesentlich vermindert. Nußland dürfte wenig Bedenken tragen, Kronstäbe zum Sitz seiner Seemacht im bal¬ tischen Meere zu machen, wiewol es noch sicherer wäre, wenn seine dortigen Etablissements unmittelbar an der Newa gelegen wären. Aber auf Aaland, etwa bei Bomarsund, seine Hauptinsenale zu errichten würde ein Tollhäu¬ serwerk gewesen sein, und dieser Gedanke ist den Zaren auch wol nie gekommen, wiewol sie die Insel ihrer sonstigen Bedeutung wegen, als Stationspunkt für einen winterlichen Marsch quer über die gefrorene Ostsee nach Schweden, wol zu schätzen wissen. Was Rügen angeht, so gehört es zu den dem Festland nächstgerückten Inseln, mit anderen Worten: es 12*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/99>, abgerufen am 28.07.2024.