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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Kriegsfall mit Oestreich endlich ist nicht abzusehen, wie die Marine eine
Rolle spielen könnte; sollten die Verhältnisse indeß dem Gebrauch von See¬
streitkräften günstig liegen, so ist keiner Frage unterworfen, daß die östreichische
Flotte ungeachtet der Vortrefflichkeit unserer norddeutschen Seeleute die Ostsee
reinfegen würde, da sie schon jetzt über ein mindestens dreifach so starkes
Material zu verfügen hat, als die preußische, und die Verstärkung ihrer Kräfte
in einem ziemlich großartigen Stile betrieben wird.

Das nächste Ziel, welches Preußen sich auf der See wol hätte stecken
können, wäre das, mindestens Dänemark überlegen zu sein. Man würde
dann der östreichischen Marine zugleich mehr als gewachsen und im Stande
sein, erforderlichen Falles die Blockade von Venedig, Trieft und Ragusa zu
wagen. Schwedens Kräfte vermöchte man nahezu zu balanciren, man könnte
im Frieden auf allen Meeren gleichzeitig seine Flagge zeigen und nur eines
mäßigen Zusatzes an Mitteln und Kräften würde es bedürfen, um die große
Combination einer Seeallianz zwischen Preußen und den skandinavischen
Staaten ausführbar zu machen, durch welche Rußlands Macht aus dem bal¬
tischen Meere ins Gleichgewicht mit den Nachbarn gestellt würde. Die Folgen
der dazu nöthigen, wie bemerkt, nicht übergroßen Anstrengungen würden nicht
verfehlen, in weitem Umfange, ja im ganzen großen Kreise des europäischen
Staatensystems empfunden zu werden. Im ganzen Norden würde Preußen
der führende Staat; dem Plane des größten Staatsmannes, den wir jemals
besessen, Herzbergs, wäre damit die nothwendige Basis gegeben. Was Preußen
als Großmacht an Umfang, an Massenhaftigkeit und Nachdruck der Kraft ab¬
geht, könnte es reichlich ersetzen, indem es sich, zur leitenden Mitte einer
großen Föderation machte, die von Belgien bis Schweden reichen würde, und
Politisch betrachtet mehr Sinn hätte wie der deutsche Bund, weil sie nur
eine Hauptmacht einschlösse.

Die, trotz der Erklärungen des Herrn von Manteuffel wol vorläufig
wieder ausgegebene Idee, Preußen aw der Nordsee (in der Jade) einen Kriegs-
hafen zu gewinnen, fußte vielleicht auf dergleichen Anschauungen von den Ge¬
staltungen der Zukunft. Hatte man dagegen im Sinne, die preußische Marine
auf der Stufe zu belassen, auf der sie sich seit ihrer Gründung befindet, so
waren die immerhin bedeutenden Kosten der versuchten Anlage allerdings un¬
nütz und man muß sich Glück dazu wünschen, sie erspart zu sehen.

Seit den letzten Kammererklärungen ist wieder die Rede davon, einen
Kriegshafen auf der Insel Rügen anzulegen. Um einen solchen Beschluß der
Regierung würdigen zu können, ist es nothwendig, auf die vorausgegangenen
Bemühungen für Beschaffung eines Kriegshafens an anderen Punkten der
Ostsee Bezug zu nehmen. Wie man sich erinnern wird, hatte der Gründer
und der zeitige Chef der preußischen Marine, Prinz Adelbert, bereits in seiner


Grenzboten. II. -I8L7. 12

Kriegsfall mit Oestreich endlich ist nicht abzusehen, wie die Marine eine
Rolle spielen könnte; sollten die Verhältnisse indeß dem Gebrauch von See¬
streitkräften günstig liegen, so ist keiner Frage unterworfen, daß die östreichische
Flotte ungeachtet der Vortrefflichkeit unserer norddeutschen Seeleute die Ostsee
reinfegen würde, da sie schon jetzt über ein mindestens dreifach so starkes
Material zu verfügen hat, als die preußische, und die Verstärkung ihrer Kräfte
in einem ziemlich großartigen Stile betrieben wird.

Das nächste Ziel, welches Preußen sich auf der See wol hätte stecken
können, wäre das, mindestens Dänemark überlegen zu sein. Man würde
dann der östreichischen Marine zugleich mehr als gewachsen und im Stande
sein, erforderlichen Falles die Blockade von Venedig, Trieft und Ragusa zu
wagen. Schwedens Kräfte vermöchte man nahezu zu balanciren, man könnte
im Frieden auf allen Meeren gleichzeitig seine Flagge zeigen und nur eines
mäßigen Zusatzes an Mitteln und Kräften würde es bedürfen, um die große
Combination einer Seeallianz zwischen Preußen und den skandinavischen
Staaten ausführbar zu machen, durch welche Rußlands Macht aus dem bal¬
tischen Meere ins Gleichgewicht mit den Nachbarn gestellt würde. Die Folgen
der dazu nöthigen, wie bemerkt, nicht übergroßen Anstrengungen würden nicht
verfehlen, in weitem Umfange, ja im ganzen großen Kreise des europäischen
Staatensystems empfunden zu werden. Im ganzen Norden würde Preußen
der führende Staat; dem Plane des größten Staatsmannes, den wir jemals
besessen, Herzbergs, wäre damit die nothwendige Basis gegeben. Was Preußen
als Großmacht an Umfang, an Massenhaftigkeit und Nachdruck der Kraft ab¬
geht, könnte es reichlich ersetzen, indem es sich, zur leitenden Mitte einer
großen Föderation machte, die von Belgien bis Schweden reichen würde, und
Politisch betrachtet mehr Sinn hätte wie der deutsche Bund, weil sie nur
eine Hauptmacht einschlösse.

Die, trotz der Erklärungen des Herrn von Manteuffel wol vorläufig
wieder ausgegebene Idee, Preußen aw der Nordsee (in der Jade) einen Kriegs-
hafen zu gewinnen, fußte vielleicht auf dergleichen Anschauungen von den Ge¬
staltungen der Zukunft. Hatte man dagegen im Sinne, die preußische Marine
auf der Stufe zu belassen, auf der sie sich seit ihrer Gründung befindet, so
waren die immerhin bedeutenden Kosten der versuchten Anlage allerdings un¬
nütz und man muß sich Glück dazu wünschen, sie erspart zu sehen.

Seit den letzten Kammererklärungen ist wieder die Rede davon, einen
Kriegshafen auf der Insel Rügen anzulegen. Um einen solchen Beschluß der
Regierung würdigen zu können, ist es nothwendig, auf die vorausgegangenen
Bemühungen für Beschaffung eines Kriegshafens an anderen Punkten der
Ostsee Bezug zu nehmen. Wie man sich erinnern wird, hatte der Gründer
und der zeitige Chef der preußischen Marine, Prinz Adelbert, bereits in seiner


Grenzboten. II. -I8L7. 12
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[0097] Kriegsfall mit Oestreich endlich ist nicht abzusehen, wie die Marine eine Rolle spielen könnte; sollten die Verhältnisse indeß dem Gebrauch von See¬ streitkräften günstig liegen, so ist keiner Frage unterworfen, daß die östreichische Flotte ungeachtet der Vortrefflichkeit unserer norddeutschen Seeleute die Ostsee reinfegen würde, da sie schon jetzt über ein mindestens dreifach so starkes Material zu verfügen hat, als die preußische, und die Verstärkung ihrer Kräfte in einem ziemlich großartigen Stile betrieben wird. Das nächste Ziel, welches Preußen sich auf der See wol hätte stecken können, wäre das, mindestens Dänemark überlegen zu sein. Man würde dann der östreichischen Marine zugleich mehr als gewachsen und im Stande sein, erforderlichen Falles die Blockade von Venedig, Trieft und Ragusa zu wagen. Schwedens Kräfte vermöchte man nahezu zu balanciren, man könnte im Frieden auf allen Meeren gleichzeitig seine Flagge zeigen und nur eines mäßigen Zusatzes an Mitteln und Kräften würde es bedürfen, um die große Combination einer Seeallianz zwischen Preußen und den skandinavischen Staaten ausführbar zu machen, durch welche Rußlands Macht aus dem bal¬ tischen Meere ins Gleichgewicht mit den Nachbarn gestellt würde. Die Folgen der dazu nöthigen, wie bemerkt, nicht übergroßen Anstrengungen würden nicht verfehlen, in weitem Umfange, ja im ganzen großen Kreise des europäischen Staatensystems empfunden zu werden. Im ganzen Norden würde Preußen der führende Staat; dem Plane des größten Staatsmannes, den wir jemals besessen, Herzbergs, wäre damit die nothwendige Basis gegeben. Was Preußen als Großmacht an Umfang, an Massenhaftigkeit und Nachdruck der Kraft ab¬ geht, könnte es reichlich ersetzen, indem es sich, zur leitenden Mitte einer großen Föderation machte, die von Belgien bis Schweden reichen würde, und Politisch betrachtet mehr Sinn hätte wie der deutsche Bund, weil sie nur eine Hauptmacht einschlösse. Die, trotz der Erklärungen des Herrn von Manteuffel wol vorläufig wieder ausgegebene Idee, Preußen aw der Nordsee (in der Jade) einen Kriegs- hafen zu gewinnen, fußte vielleicht auf dergleichen Anschauungen von den Ge¬ staltungen der Zukunft. Hatte man dagegen im Sinne, die preußische Marine auf der Stufe zu belassen, auf der sie sich seit ihrer Gründung befindet, so waren die immerhin bedeutenden Kosten der versuchten Anlage allerdings un¬ nütz und man muß sich Glück dazu wünschen, sie erspart zu sehen. Seit den letzten Kammererklärungen ist wieder die Rede davon, einen Kriegshafen auf der Insel Rügen anzulegen. Um einen solchen Beschluß der Regierung würdigen zu können, ist es nothwendig, auf die vorausgegangenen Bemühungen für Beschaffung eines Kriegshafens an anderen Punkten der Ostsee Bezug zu nehmen. Wie man sich erinnern wird, hatte der Gründer und der zeitige Chef der preußischen Marine, Prinz Adelbert, bereits in seiner Grenzboten. II. -I8L7. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/97>, abgerufen am 28.07.2024.