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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Zeit, neben den gezwungenen Leistungen noch für Geld zu arbeiten. Auf
Gütern, wo man die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen weiß, ist es frei¬
lich anders, und es ist daher nothwendig, die Unabhängigkeit der Dorfbe¬
wohner in einer Weise zu erhöhen, die Ungerechtigkeiten unmöglich macht.

Eigentliche Frohndienste thut also der moldauische Bauer für seine Herr¬
schaft nicht -- wol aber sür die Regierung, die daher wol den meisten Theil
der Schuld trägt, wenn eS ihm unmöglich wird, seine Lage zu verbessern.
Er baut unentgeldlich an den Landstraßen, wozu er grade in der wichtigsten
Zeit der Feldarbeiten hinaus muß, oft auf eine Entfernung von 10--12
Meilen von seinem Dorfe; ein jeder soll dabei freilich nur drei Tage Dienst
leisten, aber die Hin- und Herreise raubt dem armen Fußgänger mehr Zeit,
und geht ihm das Mehl aus, das er auf dem Rücken mit sich schleppt, so
bleibt ihm nichts übrig als zu betteln^ um sein Leben zu fristen. Ebenso
kann man es nur als Frohndienst betrachten, wenn zum Behuf von Getreide¬
oder Salztrausporten die Regierung den Preis festsetzt und dann die
Bezahlung dem Dorfrichter mit dem Befehl auf den Tisch wirft, die nö¬
thigen Fuhren zu stellen. Für den festgesetzten Preis kann niemand den
Transport unternehmen, wenn er nicht zu Grunde gehen soll, und die armen
Bauern treten zusammen und legen ihre paar Groschen dazu, um eine annehm¬
bare Zahlung zu Stande zu bringen. Besonders ins Auge fallend war dies
noch in den letzten Jahren der Regierung deö im vorigen Jahre zurückgetrete¬
nen Hospodar Gregor Ghika; die Salzgruben in Okna waren verpachtet worden
mit der Bedingung, dem Pächter die nöthigen Fuhren zum Salztransport
nach Galatz zu stellen! Nun mußte natürlich alles gezwungen mithelfen dem
Contracte gerecht zu werden, ganz arme Dörfer, die auch nicht einen Zug¬
ochsen besaßen, wurden nicht ausgenommen und mußten verkaufen, was nur
irgend zu entbehren war, um anderswo die ihnen vorgeschriebenen Fuhren
für daS Dreifache der erhaltenen Zahlung zu miethen!

Ist also eine Regelung der Verhältnisse des Bauernstandes dem Guts^
besitzer gegenüber ohne Liebäugeln mit dem Communismus, mit gehöriger Be¬
achtung der Eigenthumsrechte eines jeden, wünschenswert!), so muß eine voll¬
ständige Umgestaltung der Beziehungen desselben zu der Regierung als durch¬
aus nothwendig erscheinen. Bis jetzt trägt der Bauer alle Lasten. Einige
derselben haben wir bezeichnet. Dazu kommt noch, daß je 69 Familien einen
Recruten stellen müssen, wozu der Bauer sich sehr ungern hergibt, obgleich
die Dienstzeit nur sechs Jahre dauert, der Zurückgekehrte von dem Dorfe ein
Paar Ochsen und eine Kuh erhalten muß, sür den Rest seines Lebens abga¬
benfrei ist, und die politische Lage des Landes ihm die Aussicht auf einen
Heldentod auf dem Schlachtfelde nie darbietet. Die Hauptlast aber ist die
Kopfsteuer, die alle drei Monate mit uiinachsichtlicher Strenge beigetrieben


Zeit, neben den gezwungenen Leistungen noch für Geld zu arbeiten. Auf
Gütern, wo man die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen weiß, ist es frei¬
lich anders, und es ist daher nothwendig, die Unabhängigkeit der Dorfbe¬
wohner in einer Weise zu erhöhen, die Ungerechtigkeiten unmöglich macht.

Eigentliche Frohndienste thut also der moldauische Bauer für seine Herr¬
schaft nicht — wol aber sür die Regierung, die daher wol den meisten Theil
der Schuld trägt, wenn eS ihm unmöglich wird, seine Lage zu verbessern.
Er baut unentgeldlich an den Landstraßen, wozu er grade in der wichtigsten
Zeit der Feldarbeiten hinaus muß, oft auf eine Entfernung von 10—12
Meilen von seinem Dorfe; ein jeder soll dabei freilich nur drei Tage Dienst
leisten, aber die Hin- und Herreise raubt dem armen Fußgänger mehr Zeit,
und geht ihm das Mehl aus, das er auf dem Rücken mit sich schleppt, so
bleibt ihm nichts übrig als zu betteln^ um sein Leben zu fristen. Ebenso
kann man es nur als Frohndienst betrachten, wenn zum Behuf von Getreide¬
oder Salztrausporten die Regierung den Preis festsetzt und dann die
Bezahlung dem Dorfrichter mit dem Befehl auf den Tisch wirft, die nö¬
thigen Fuhren zu stellen. Für den festgesetzten Preis kann niemand den
Transport unternehmen, wenn er nicht zu Grunde gehen soll, und die armen
Bauern treten zusammen und legen ihre paar Groschen dazu, um eine annehm¬
bare Zahlung zu Stande zu bringen. Besonders ins Auge fallend war dies
noch in den letzten Jahren der Regierung deö im vorigen Jahre zurückgetrete¬
nen Hospodar Gregor Ghika; die Salzgruben in Okna waren verpachtet worden
mit der Bedingung, dem Pächter die nöthigen Fuhren zum Salztransport
nach Galatz zu stellen! Nun mußte natürlich alles gezwungen mithelfen dem
Contracte gerecht zu werden, ganz arme Dörfer, die auch nicht einen Zug¬
ochsen besaßen, wurden nicht ausgenommen und mußten verkaufen, was nur
irgend zu entbehren war, um anderswo die ihnen vorgeschriebenen Fuhren
für daS Dreifache der erhaltenen Zahlung zu miethen!

Ist also eine Regelung der Verhältnisse des Bauernstandes dem Guts^
besitzer gegenüber ohne Liebäugeln mit dem Communismus, mit gehöriger Be¬
achtung der Eigenthumsrechte eines jeden, wünschenswert!), so muß eine voll¬
ständige Umgestaltung der Beziehungen desselben zu der Regierung als durch¬
aus nothwendig erscheinen. Bis jetzt trägt der Bauer alle Lasten. Einige
derselben haben wir bezeichnet. Dazu kommt noch, daß je 69 Familien einen
Recruten stellen müssen, wozu der Bauer sich sehr ungern hergibt, obgleich
die Dienstzeit nur sechs Jahre dauert, der Zurückgekehrte von dem Dorfe ein
Paar Ochsen und eine Kuh erhalten muß, sür den Rest seines Lebens abga¬
benfrei ist, und die politische Lage des Landes ihm die Aussicht auf einen
Heldentod auf dem Schlachtfelde nie darbietet. Die Hauptlast aber ist die
Kopfsteuer, die alle drei Monate mit uiinachsichtlicher Strenge beigetrieben


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[0514] Zeit, neben den gezwungenen Leistungen noch für Geld zu arbeiten. Auf Gütern, wo man die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen weiß, ist es frei¬ lich anders, und es ist daher nothwendig, die Unabhängigkeit der Dorfbe¬ wohner in einer Weise zu erhöhen, die Ungerechtigkeiten unmöglich macht. Eigentliche Frohndienste thut also der moldauische Bauer für seine Herr¬ schaft nicht — wol aber sür die Regierung, die daher wol den meisten Theil der Schuld trägt, wenn eS ihm unmöglich wird, seine Lage zu verbessern. Er baut unentgeldlich an den Landstraßen, wozu er grade in der wichtigsten Zeit der Feldarbeiten hinaus muß, oft auf eine Entfernung von 10—12 Meilen von seinem Dorfe; ein jeder soll dabei freilich nur drei Tage Dienst leisten, aber die Hin- und Herreise raubt dem armen Fußgänger mehr Zeit, und geht ihm das Mehl aus, das er auf dem Rücken mit sich schleppt, so bleibt ihm nichts übrig als zu betteln^ um sein Leben zu fristen. Ebenso kann man es nur als Frohndienst betrachten, wenn zum Behuf von Getreide¬ oder Salztrausporten die Regierung den Preis festsetzt und dann die Bezahlung dem Dorfrichter mit dem Befehl auf den Tisch wirft, die nö¬ thigen Fuhren zu stellen. Für den festgesetzten Preis kann niemand den Transport unternehmen, wenn er nicht zu Grunde gehen soll, und die armen Bauern treten zusammen und legen ihre paar Groschen dazu, um eine annehm¬ bare Zahlung zu Stande zu bringen. Besonders ins Auge fallend war dies noch in den letzten Jahren der Regierung deö im vorigen Jahre zurückgetrete¬ nen Hospodar Gregor Ghika; die Salzgruben in Okna waren verpachtet worden mit der Bedingung, dem Pächter die nöthigen Fuhren zum Salztransport nach Galatz zu stellen! Nun mußte natürlich alles gezwungen mithelfen dem Contracte gerecht zu werden, ganz arme Dörfer, die auch nicht einen Zug¬ ochsen besaßen, wurden nicht ausgenommen und mußten verkaufen, was nur irgend zu entbehren war, um anderswo die ihnen vorgeschriebenen Fuhren für daS Dreifache der erhaltenen Zahlung zu miethen! Ist also eine Regelung der Verhältnisse des Bauernstandes dem Guts^ besitzer gegenüber ohne Liebäugeln mit dem Communismus, mit gehöriger Be¬ achtung der Eigenthumsrechte eines jeden, wünschenswert!), so muß eine voll¬ ständige Umgestaltung der Beziehungen desselben zu der Regierung als durch¬ aus nothwendig erscheinen. Bis jetzt trägt der Bauer alle Lasten. Einige derselben haben wir bezeichnet. Dazu kommt noch, daß je 69 Familien einen Recruten stellen müssen, wozu der Bauer sich sehr ungern hergibt, obgleich die Dienstzeit nur sechs Jahre dauert, der Zurückgekehrte von dem Dorfe ein Paar Ochsen und eine Kuh erhalten muß, sür den Rest seines Lebens abga¬ benfrei ist, und die politische Lage des Landes ihm die Aussicht auf einen Heldentod auf dem Schlachtfelde nie darbietet. Die Hauptlast aber ist die Kopfsteuer, die alle drei Monate mit uiinachsichtlicher Strenge beigetrieben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/514>, abgerufen am 01.09.2024.