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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Während wir diese Beobachtungen anstellten und uns von unserm Dra¬
goman, der selbst ein Derwisch, über anderes, was später mitzutheilen sein
wird, Auskunft geben ließen, wuchs allmälig die Zahl der Derwische im Hofe.
Einige kamen aus den Häusern des Klosters, andere zu Fuß, zu Esel ober zu
Pferde aus der Stadt. In gleichem Grade mehrten sich die Zuschauer. Die
letztern waren größtentheils Engländer auf der Reise nach Ostindien, an den
wunderlich geformten Helmen von Nanking, die sie trugen, und an den blon¬
den Hängelocken der Damen, die sie mitbrachten, leicht zu erkennen. Alle
Anwesenden wurden gastfrei mit Kaffee, die ziemlich zahlreich eintreffenden musel-
männischen Zuschauer auch mit Pfeifen tracrirt. Endlich war der Schech
angelangt, und auf ein Zeichen begab sich alles -- auffallenderweise ohne vor¬
her die Schuhe auszuziehen -- in die Moschee.

Das Innere derselben ist ein Raum, der unten viereckig, oben rund
und mit einer Kuppel überwölbt ist. Jede Seite des Vierecks mag zwan¬
zig Schritt lang sein. Der steinerne Fußboden war mit Strohmatten belegt.
Wände und Kuppel waren einfach weiß getüncht, letztere unten, wo die Run¬
dung begann, mit einem Kranze kleiner Nischen verziert und oben mit einigen
Fensterchen durchbrochen. In der einen Ecke befand sich ein Breterverschlag,
in der andern eine große Spitzbogennische, in welcher rostige Waffen, Streit¬
äxte, Partisanen, Spieße und Keulen von gewundner Form, wie sie unsre Hand¬
werksburschen bisweilen tragen, aufgehangen waren. An der Wand links vom
Eingange ist die kleine wagerecht weiß- und rothgestreifte Rundbogcnnische,
welche, den betenden Gläubigen die Richtung nach Mekka anzeigend, in keiner
Moschee fehlen darf. Im Hintergrunde hing eingerahmt ein Koransfpruch auf
grünem Grunde, darüber an einer Schnur daS kahnförmige Zinngeschirr, mit
welchen die wandernden Derwische Almosen zu sammeln pflegen. Zu beiden
Seiten der etwa mannshohen Nische standen große Fahnen, die eine grün und
an der Spitze in eine zweizackige Gabel auslaufend, die andere grün mit wei¬
ßer Schrift und breitem weißen Rande. Neben den Fahnen hingen zwe>
kleine Lampen und von der Mitte der Kuppel eine dritte herab. Endlich befan¬
den sich um der einen Wand mehre Handpauken und Tamburins.

Vor der Gebetsnische saßen auf den Fersen der Schech und ein andrer
Vorsteher des Ordens, dieser schwarz, jener weiß gekleidet, beide ohne die
charakteristische Mütze der Derwische. Vor ihnen war auf den Matte" des
Fußbodens mit Schafsellen und Pantherhäuten ein mit seinen beiden Enden
neben der Nische abschließendes Hufeisen bezeichnet, auf dem die eintretenden
Derwische, nachdem sie dem Schech kniend die Hand geküßt, dicht atteinander-
gedrängt mit untergeschlagnen Beinen sich niederließen, während die Zuschaun
sich außerhalb des Kreises an den Wänden aufstellten oder aus den Boden
setzten. Mehre von den Derwischen waren Greise, einige sehr junge Leute,


Während wir diese Beobachtungen anstellten und uns von unserm Dra¬
goman, der selbst ein Derwisch, über anderes, was später mitzutheilen sein
wird, Auskunft geben ließen, wuchs allmälig die Zahl der Derwische im Hofe.
Einige kamen aus den Häusern des Klosters, andere zu Fuß, zu Esel ober zu
Pferde aus der Stadt. In gleichem Grade mehrten sich die Zuschauer. Die
letztern waren größtentheils Engländer auf der Reise nach Ostindien, an den
wunderlich geformten Helmen von Nanking, die sie trugen, und an den blon¬
den Hängelocken der Damen, die sie mitbrachten, leicht zu erkennen. Alle
Anwesenden wurden gastfrei mit Kaffee, die ziemlich zahlreich eintreffenden musel-
männischen Zuschauer auch mit Pfeifen tracrirt. Endlich war der Schech
angelangt, und auf ein Zeichen begab sich alles — auffallenderweise ohne vor¬
her die Schuhe auszuziehen — in die Moschee.

Das Innere derselben ist ein Raum, der unten viereckig, oben rund
und mit einer Kuppel überwölbt ist. Jede Seite des Vierecks mag zwan¬
zig Schritt lang sein. Der steinerne Fußboden war mit Strohmatten belegt.
Wände und Kuppel waren einfach weiß getüncht, letztere unten, wo die Run¬
dung begann, mit einem Kranze kleiner Nischen verziert und oben mit einigen
Fensterchen durchbrochen. In der einen Ecke befand sich ein Breterverschlag,
in der andern eine große Spitzbogennische, in welcher rostige Waffen, Streit¬
äxte, Partisanen, Spieße und Keulen von gewundner Form, wie sie unsre Hand¬
werksburschen bisweilen tragen, aufgehangen waren. An der Wand links vom
Eingange ist die kleine wagerecht weiß- und rothgestreifte Rundbogcnnische,
welche, den betenden Gläubigen die Richtung nach Mekka anzeigend, in keiner
Moschee fehlen darf. Im Hintergrunde hing eingerahmt ein Koransfpruch auf
grünem Grunde, darüber an einer Schnur daS kahnförmige Zinngeschirr, mit
welchen die wandernden Derwische Almosen zu sammeln pflegen. Zu beiden
Seiten der etwa mannshohen Nische standen große Fahnen, die eine grün und
an der Spitze in eine zweizackige Gabel auslaufend, die andere grün mit wei¬
ßer Schrift und breitem weißen Rande. Neben den Fahnen hingen zwe>
kleine Lampen und von der Mitte der Kuppel eine dritte herab. Endlich befan¬
den sich um der einen Wand mehre Handpauken und Tamburins.

Vor der Gebetsnische saßen auf den Fersen der Schech und ein andrer
Vorsteher des Ordens, dieser schwarz, jener weiß gekleidet, beide ohne die
charakteristische Mütze der Derwische. Vor ihnen war auf den Matte« des
Fußbodens mit Schafsellen und Pantherhäuten ein mit seinen beiden Enden
neben der Nische abschließendes Hufeisen bezeichnet, auf dem die eintretenden
Derwische, nachdem sie dem Schech kniend die Hand geküßt, dicht atteinander-
gedrängt mit untergeschlagnen Beinen sich niederließen, während die Zuschaun
sich außerhalb des Kreises an den Wänden aufstellten oder aus den Boden
setzten. Mehre von den Derwischen waren Greise, einige sehr junge Leute,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/456>, abgerufen am 28.07.2024.