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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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kirchlichen Standpunkte aus bei Schilderung des höchst verwerflichen und an¬
stößigen Privatlebens der rationalistischen dänischen Geistlichen Gelegenheit nimmt,
gegen die freiere Denkweise überhaupt zu Felde zu ziehen, oder wo er sich in eine
etwas salbungsreiche Besprechung der amtlichen Functionen des Geistlichen verliert,
die füglich beim Lesen Übergängen werden dürfen, so können wir die Schrift allen,
welche ein Herz für die Sache der Herzogthümer haben, aufs wärmste empfehlen.
Wem das dänische Nationallied, welches in der Kriegszeit neben anderem Geistigen den
Muth der Soldaten und den Haß des Volkes gegen alles, was deutsch heißt, zu entflam¬
men im Stande war und welches seitdem von dänischen Schulmeistern, welche den deutsch-
vedcndcn Gemeinden Angelus octroyirt wurden, mit wahrhaft anerkennungswerthen
Eifer der Dorfjugend eingebaut wird -- uoch nicht aus den "Schleswig-holstei¬
nischen Briefen" von Moritz Busch bekannt sein sollte, der wird vielleicht folgendem
Passus, welchen wir der Schilderung der Gefangenschaft des Verfassers entnehmen,
einiges Interesse abgewinnen: --

"Täglich gingen wir ein bis zwei Mal spazieren, aber was waren das für
Spaziergänge? Wir mußten einsame Feld- und Waldwege aussuche", weil wir auf
anderen Wegen verhöhnt wurden. Besonders war es die liebe Jugend, welche sich
an uns zum Ritter schlug. Wo wir uns blicken ließen, da tönte uns ein Spott -
lieb oder - Wort entgegen. Besonders war es ein Vers aus dem damaligen Na-
tionallicdc: der tapfere Landsoldat, der uns fortwährend in die Ohren gellte und
darum sich meinem Gedächtnisse unauslöschlich eingeprägt hat. Jede Nation hat
ihr Volkslied, das in Zeiten politischer Bewegung wie.eine Woge über Land braust.
Wie ein Volk in solchen Zeiten singt, so ist es. Deutschland hat sein: Was ist
des Deutschen Vaterland; die Herzogthümer ihr: Schleswig-Holstein meerumschlun-
Sen; Dänemark war nun von seinen besseren nationalen Liedern abgefallen und
dem tapferen sinnlosen Landsoldaten zugefallen. Dichter und Komponist dieses
Liedes sind mit einem dänischen Orden dafür gekrönt worden. Der Komponist hat
den Orden nicht verdient, denn er hat eine alte preußische Melodie des Liedes:
'Das zwölfte Regiment", zu einer dänischen Volksmelodie gemacht. Wie weit der
Dichter den Orden verdient hatte, davon möge ein Vers zeugen. Das Lied selbst
'se übrigens von einem naturalisirten Dänen, Pastor Carstesen zu Düppel. in ein
dänisches Gesangbuch aufgenommen. das man dort (in Nordschleswig) in Kirchen
und Schulen einzuführen bemüht ist. So schändet man auch diese Stätten. Der
Vers nun, welcher uns immer in die Ohren gellte, lautet in getreuer Uebersetzung:


Wenn der Deutsche hier kömmt,
Beklage ich jede";
Zu Peter und zu Paul
Spricht er: du bis faul,')
Und antwortet man ihm
Wieder auf dänisch,
So spricht er: Halt'S Maul.
Ilnd darum will ich schlagen
Wie ein tapfrer Landsoldat.
Hurrah!


") Dänisch: ha" Siam du bis faul.

kirchlichen Standpunkte aus bei Schilderung des höchst verwerflichen und an¬
stößigen Privatlebens der rationalistischen dänischen Geistlichen Gelegenheit nimmt,
gegen die freiere Denkweise überhaupt zu Felde zu ziehen, oder wo er sich in eine
etwas salbungsreiche Besprechung der amtlichen Functionen des Geistlichen verliert,
die füglich beim Lesen Übergängen werden dürfen, so können wir die Schrift allen,
welche ein Herz für die Sache der Herzogthümer haben, aufs wärmste empfehlen.
Wem das dänische Nationallied, welches in der Kriegszeit neben anderem Geistigen den
Muth der Soldaten und den Haß des Volkes gegen alles, was deutsch heißt, zu entflam¬
men im Stande war und welches seitdem von dänischen Schulmeistern, welche den deutsch-
vedcndcn Gemeinden Angelus octroyirt wurden, mit wahrhaft anerkennungswerthen
Eifer der Dorfjugend eingebaut wird — uoch nicht aus den „Schleswig-holstei¬
nischen Briefen" von Moritz Busch bekannt sein sollte, der wird vielleicht folgendem
Passus, welchen wir der Schilderung der Gefangenschaft des Verfassers entnehmen,
einiges Interesse abgewinnen: —

„Täglich gingen wir ein bis zwei Mal spazieren, aber was waren das für
Spaziergänge? Wir mußten einsame Feld- und Waldwege aussuche», weil wir auf
anderen Wegen verhöhnt wurden. Besonders war es die liebe Jugend, welche sich
an uns zum Ritter schlug. Wo wir uns blicken ließen, da tönte uns ein Spott -
lieb oder - Wort entgegen. Besonders war es ein Vers aus dem damaligen Na-
tionallicdc: der tapfere Landsoldat, der uns fortwährend in die Ohren gellte und
darum sich meinem Gedächtnisse unauslöschlich eingeprägt hat. Jede Nation hat
ihr Volkslied, das in Zeiten politischer Bewegung wie.eine Woge über Land braust.
Wie ein Volk in solchen Zeiten singt, so ist es. Deutschland hat sein: Was ist
des Deutschen Vaterland; die Herzogthümer ihr: Schleswig-Holstein meerumschlun-
Sen; Dänemark war nun von seinen besseren nationalen Liedern abgefallen und
dem tapferen sinnlosen Landsoldaten zugefallen. Dichter und Komponist dieses
Liedes sind mit einem dänischen Orden dafür gekrönt worden. Der Komponist hat
den Orden nicht verdient, denn er hat eine alte preußische Melodie des Liedes:
'Das zwölfte Regiment", zu einer dänischen Volksmelodie gemacht. Wie weit der
Dichter den Orden verdient hatte, davon möge ein Vers zeugen. Das Lied selbst
'se übrigens von einem naturalisirten Dänen, Pastor Carstesen zu Düppel. in ein
dänisches Gesangbuch aufgenommen. das man dort (in Nordschleswig) in Kirchen
und Schulen einzuführen bemüht ist. So schändet man auch diese Stätten. Der
Vers nun, welcher uns immer in die Ohren gellte, lautet in getreuer Uebersetzung:


Wenn der Deutsche hier kömmt,
Beklage ich jede»;
Zu Peter und zu Paul
Spricht er: du bis faul,')
Und antwortet man ihm
Wieder auf dänisch,
So spricht er: Halt'S Maul.
Ilnd darum will ich schlagen
Wie ein tapfrer Landsoldat.
Hurrah!


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[0045] kirchlichen Standpunkte aus bei Schilderung des höchst verwerflichen und an¬ stößigen Privatlebens der rationalistischen dänischen Geistlichen Gelegenheit nimmt, gegen die freiere Denkweise überhaupt zu Felde zu ziehen, oder wo er sich in eine etwas salbungsreiche Besprechung der amtlichen Functionen des Geistlichen verliert, die füglich beim Lesen Übergängen werden dürfen, so können wir die Schrift allen, welche ein Herz für die Sache der Herzogthümer haben, aufs wärmste empfehlen. Wem das dänische Nationallied, welches in der Kriegszeit neben anderem Geistigen den Muth der Soldaten und den Haß des Volkes gegen alles, was deutsch heißt, zu entflam¬ men im Stande war und welches seitdem von dänischen Schulmeistern, welche den deutsch- vedcndcn Gemeinden Angelus octroyirt wurden, mit wahrhaft anerkennungswerthen Eifer der Dorfjugend eingebaut wird — uoch nicht aus den „Schleswig-holstei¬ nischen Briefen" von Moritz Busch bekannt sein sollte, der wird vielleicht folgendem Passus, welchen wir der Schilderung der Gefangenschaft des Verfassers entnehmen, einiges Interesse abgewinnen: — „Täglich gingen wir ein bis zwei Mal spazieren, aber was waren das für Spaziergänge? Wir mußten einsame Feld- und Waldwege aussuche», weil wir auf anderen Wegen verhöhnt wurden. Besonders war es die liebe Jugend, welche sich an uns zum Ritter schlug. Wo wir uns blicken ließen, da tönte uns ein Spott - lieb oder - Wort entgegen. Besonders war es ein Vers aus dem damaligen Na- tionallicdc: der tapfere Landsoldat, der uns fortwährend in die Ohren gellte und darum sich meinem Gedächtnisse unauslöschlich eingeprägt hat. Jede Nation hat ihr Volkslied, das in Zeiten politischer Bewegung wie.eine Woge über Land braust. Wie ein Volk in solchen Zeiten singt, so ist es. Deutschland hat sein: Was ist des Deutschen Vaterland; die Herzogthümer ihr: Schleswig-Holstein meerumschlun- Sen; Dänemark war nun von seinen besseren nationalen Liedern abgefallen und dem tapferen sinnlosen Landsoldaten zugefallen. Dichter und Komponist dieses Liedes sind mit einem dänischen Orden dafür gekrönt worden. Der Komponist hat den Orden nicht verdient, denn er hat eine alte preußische Melodie des Liedes: 'Das zwölfte Regiment", zu einer dänischen Volksmelodie gemacht. Wie weit der Dichter den Orden verdient hatte, davon möge ein Vers zeugen. Das Lied selbst 'se übrigens von einem naturalisirten Dänen, Pastor Carstesen zu Düppel. in ein dänisches Gesangbuch aufgenommen. das man dort (in Nordschleswig) in Kirchen und Schulen einzuführen bemüht ist. So schändet man auch diese Stätten. Der Vers nun, welcher uns immer in die Ohren gellte, lautet in getreuer Uebersetzung: Wenn der Deutsche hier kömmt, Beklage ich jede»; Zu Peter und zu Paul Spricht er: du bis faul,') Und antwortet man ihm Wieder auf dänisch, So spricht er: Halt'S Maul. Ilnd darum will ich schlagen Wie ein tapfrer Landsoldat. Hurrah! ") Dänisch: ha» Siam du bis faul.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/45>, abgerufen am 27.07.2024.