Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gefangen wird, auch wirklich. In Frankreich und Deutschland hat man aber
Gesellschaften gegründet ohne allen bestimmten Zweck, als den, welchen jeder
Geschäftsmann hat, in irgend einer Weise Geld zu verdienen. Das heißt das
Princip der vereinten Kraft zum Gespött machen. Man hat eben einfach den
Nutzen der Actiengesellschaften übertrieben, und es ist die Grenze, wo derselbe
aufhört, nach dem eben Gesagten kenntlich genug. Eine Actiengesellschaft darf
nur für einen einzelnen bestimmten Zweck errichtet werden, für den
die Mittel des Einzelnen nicht ausreichen, z. B. zur Erbauung der Eisenbah¬
nen, Kanäle u. s. w., nicht aber für ganz unbestimmte Zwecke, die man mit
der Laterne in der Hand erst aufsuchen muß. Es läuft zudem eine weitere
Täuschung mit unter. Gar nicht wahr ist es, daß große vereinte Capitalien
unter allen Umständen größere Zinsen geben; so wunderbar es auch Manchem
klingen mag, die Sache liegt fast genau umgekehrt. Der kleine Gewerbsmann
oder Höker muß mit seinen paar Thalern in der Tasche das Jahr über Hun¬
derte von Procenten verdienen; wie sollte er sonst eristiren;, die Schnelligkeit des
Umsatzes ersetzt die Größe des Capitals; um einige Thaler rasch umzusetzen,
dürfte es auch nur selten an Gelegenheit fehlen. Je größer daS Capital wird,
desto geringer der Procentverdienst; denn der Umsatz läßt sich nicht mehr so
wiederholt bewerkstelligen; aber ein gesundes Detailgeschäft mit einem Fonds
von etwa 10 bis 20,000 Thlr. wird noch seine 13 bis 20 Procent machen
können und -- müssen. Nicht so glücklich ist der Millionär situirt; wenn er
seine 5 Procent verdient, ist er sehr gut daran, und wer mehre Millionen in
sich vereint, wird verhältnißmäßig noch weniger haben. Freilich, freilich, der
gelegentliche Abfall vom Tische des Reiche" ist immer noch besser, als die
Menge Brotkrumen aus der Hand des Armen. Für die Millionen ist das
Gesetz aber ein unumstößliches und wenn jemand mit hundert Thalern an
einer Million varticipirt, so wird er doch nur die mit der Million gemachten'
Zinsen verdienen.

Man wird uns nun erwidern, daß diese Sätze ganz dem Princip der Ver¬
einigung widersprächen; sei es doch bekannt genug, welche Vortheile dadurch
erreicht worden wären, daß man sein bischen Geld zusammengethan. Ganz
gewiß, aber dies geschah immer nur zu einem bestimmten vorliegenden Zwecke,
dessen Rentabilität oder andere Vortheile man sich vorher verdeutlicht hatte.
Z. B. die Schuster errichten ein gemeinsames Lederlager, um ihre Bedürfnisse
ZU den Engrospreisen mit geringem Kostenausschlag zu erhalten, oder andere
eine Sparkasse, eine gemeinsame Werkstätte u. s. w., sie werden wahrscheinlich
gewiß ists noch nicht--Vortheile daraus ziehen; aber nun stelle man sich
vor, daß eine Million armer Teufel jeder einen Thaler einschießt, um so zu
sagen einen Gesammtmillionär herzustellen; wird irgend jemand unter ihnen
einen Genuß davon haben können, wenn nicht -- die Verwalter des Verus-


52*

gefangen wird, auch wirklich. In Frankreich und Deutschland hat man aber
Gesellschaften gegründet ohne allen bestimmten Zweck, als den, welchen jeder
Geschäftsmann hat, in irgend einer Weise Geld zu verdienen. Das heißt das
Princip der vereinten Kraft zum Gespött machen. Man hat eben einfach den
Nutzen der Actiengesellschaften übertrieben, und es ist die Grenze, wo derselbe
aufhört, nach dem eben Gesagten kenntlich genug. Eine Actiengesellschaft darf
nur für einen einzelnen bestimmten Zweck errichtet werden, für den
die Mittel des Einzelnen nicht ausreichen, z. B. zur Erbauung der Eisenbah¬
nen, Kanäle u. s. w., nicht aber für ganz unbestimmte Zwecke, die man mit
der Laterne in der Hand erst aufsuchen muß. Es läuft zudem eine weitere
Täuschung mit unter. Gar nicht wahr ist es, daß große vereinte Capitalien
unter allen Umständen größere Zinsen geben; so wunderbar es auch Manchem
klingen mag, die Sache liegt fast genau umgekehrt. Der kleine Gewerbsmann
oder Höker muß mit seinen paar Thalern in der Tasche das Jahr über Hun¬
derte von Procenten verdienen; wie sollte er sonst eristiren;, die Schnelligkeit des
Umsatzes ersetzt die Größe des Capitals; um einige Thaler rasch umzusetzen,
dürfte es auch nur selten an Gelegenheit fehlen. Je größer daS Capital wird,
desto geringer der Procentverdienst; denn der Umsatz läßt sich nicht mehr so
wiederholt bewerkstelligen; aber ein gesundes Detailgeschäft mit einem Fonds
von etwa 10 bis 20,000 Thlr. wird noch seine 13 bis 20 Procent machen
können und — müssen. Nicht so glücklich ist der Millionär situirt; wenn er
seine 5 Procent verdient, ist er sehr gut daran, und wer mehre Millionen in
sich vereint, wird verhältnißmäßig noch weniger haben. Freilich, freilich, der
gelegentliche Abfall vom Tische des Reiche« ist immer noch besser, als die
Menge Brotkrumen aus der Hand des Armen. Für die Millionen ist das
Gesetz aber ein unumstößliches und wenn jemand mit hundert Thalern an
einer Million varticipirt, so wird er doch nur die mit der Million gemachten'
Zinsen verdienen.

Man wird uns nun erwidern, daß diese Sätze ganz dem Princip der Ver¬
einigung widersprächen; sei es doch bekannt genug, welche Vortheile dadurch
erreicht worden wären, daß man sein bischen Geld zusammengethan. Ganz
gewiß, aber dies geschah immer nur zu einem bestimmten vorliegenden Zwecke,
dessen Rentabilität oder andere Vortheile man sich vorher verdeutlicht hatte.
Z. B. die Schuster errichten ein gemeinsames Lederlager, um ihre Bedürfnisse
ZU den Engrospreisen mit geringem Kostenausschlag zu erhalten, oder andere
eine Sparkasse, eine gemeinsame Werkstätte u. s. w., sie werden wahrscheinlich
gewiß ists noch nicht—Vortheile daraus ziehen; aber nun stelle man sich
vor, daß eine Million armer Teufel jeder einen Thaler einschießt, um so zu
sagen einen Gesammtmillionär herzustellen; wird irgend jemand unter ihnen
einen Genuß davon haben können, wenn nicht — die Verwalter des Verus-


52*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104086"/>
            <p xml:id="ID_1191" prev="#ID_1190"> gefangen wird, auch wirklich. In Frankreich und Deutschland hat man aber<lb/>
Gesellschaften gegründet ohne allen bestimmten Zweck, als den, welchen jeder<lb/>
Geschäftsmann hat, in irgend einer Weise Geld zu verdienen. Das heißt das<lb/>
Princip der vereinten Kraft zum Gespött machen. Man hat eben einfach den<lb/>
Nutzen der Actiengesellschaften übertrieben, und es ist die Grenze, wo derselbe<lb/>
aufhört, nach dem eben Gesagten kenntlich genug. Eine Actiengesellschaft darf<lb/>
nur für einen einzelnen bestimmten Zweck errichtet werden, für den<lb/>
die Mittel des Einzelnen nicht ausreichen, z. B. zur Erbauung der Eisenbah¬<lb/>
nen, Kanäle u. s. w., nicht aber für ganz unbestimmte Zwecke, die man mit<lb/>
der Laterne in der Hand erst aufsuchen muß. Es läuft zudem eine weitere<lb/>
Täuschung mit unter. Gar nicht wahr ist es, daß große vereinte Capitalien<lb/>
unter allen Umständen größere Zinsen geben; so wunderbar es auch Manchem<lb/>
klingen mag, die Sache liegt fast genau umgekehrt. Der kleine Gewerbsmann<lb/>
oder Höker muß mit seinen paar Thalern in der Tasche das Jahr über Hun¬<lb/>
derte von Procenten verdienen; wie sollte er sonst eristiren;, die Schnelligkeit des<lb/>
Umsatzes ersetzt die Größe des Capitals; um einige Thaler rasch umzusetzen,<lb/>
dürfte es auch nur selten an Gelegenheit fehlen. Je größer daS Capital wird,<lb/>
desto geringer der Procentverdienst; denn der Umsatz läßt sich nicht mehr so<lb/>
wiederholt bewerkstelligen; aber ein gesundes Detailgeschäft mit einem Fonds<lb/>
von etwa 10 bis 20,000 Thlr. wird noch seine 13 bis 20 Procent machen<lb/>
können und &#x2014; müssen. Nicht so glücklich ist der Millionär situirt; wenn er<lb/>
seine 5 Procent verdient, ist er sehr gut daran, und wer mehre Millionen in<lb/>
sich vereint, wird verhältnißmäßig noch weniger haben. Freilich, freilich, der<lb/>
gelegentliche Abfall vom Tische des Reiche« ist immer noch besser, als die<lb/>
Menge Brotkrumen aus der Hand des Armen. Für die Millionen ist das<lb/>
Gesetz aber ein unumstößliches und wenn jemand mit hundert Thalern an<lb/>
einer Million varticipirt, so wird er doch nur die mit der Million gemachten'<lb/>
Zinsen verdienen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1192" next="#ID_1193"> Man wird uns nun erwidern, daß diese Sätze ganz dem Princip der Ver¬<lb/>
einigung widersprächen; sei es doch bekannt genug, welche Vortheile dadurch<lb/>
erreicht worden wären, daß man sein bischen Geld zusammengethan. Ganz<lb/>
gewiß, aber dies geschah immer nur zu einem bestimmten vorliegenden Zwecke,<lb/>
dessen Rentabilität oder andere Vortheile man sich vorher verdeutlicht hatte.<lb/>
Z. B. die Schuster errichten ein gemeinsames Lederlager, um ihre Bedürfnisse<lb/>
ZU den Engrospreisen mit geringem Kostenausschlag zu erhalten, oder andere<lb/>
eine Sparkasse, eine gemeinsame Werkstätte u. s. w., sie werden wahrscheinlich<lb/>
gewiß ists noch nicht&#x2014;Vortheile daraus ziehen; aber nun stelle man sich<lb/>
vor, daß eine Million armer Teufel jeder einen Thaler einschießt, um so zu<lb/>
sagen einen Gesammtmillionär herzustellen; wird irgend jemand unter ihnen<lb/>
einen Genuß davon haben können, wenn nicht &#x2014; die Verwalter des Verus-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 52*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0419] gefangen wird, auch wirklich. In Frankreich und Deutschland hat man aber Gesellschaften gegründet ohne allen bestimmten Zweck, als den, welchen jeder Geschäftsmann hat, in irgend einer Weise Geld zu verdienen. Das heißt das Princip der vereinten Kraft zum Gespött machen. Man hat eben einfach den Nutzen der Actiengesellschaften übertrieben, und es ist die Grenze, wo derselbe aufhört, nach dem eben Gesagten kenntlich genug. Eine Actiengesellschaft darf nur für einen einzelnen bestimmten Zweck errichtet werden, für den die Mittel des Einzelnen nicht ausreichen, z. B. zur Erbauung der Eisenbah¬ nen, Kanäle u. s. w., nicht aber für ganz unbestimmte Zwecke, die man mit der Laterne in der Hand erst aufsuchen muß. Es läuft zudem eine weitere Täuschung mit unter. Gar nicht wahr ist es, daß große vereinte Capitalien unter allen Umständen größere Zinsen geben; so wunderbar es auch Manchem klingen mag, die Sache liegt fast genau umgekehrt. Der kleine Gewerbsmann oder Höker muß mit seinen paar Thalern in der Tasche das Jahr über Hun¬ derte von Procenten verdienen; wie sollte er sonst eristiren;, die Schnelligkeit des Umsatzes ersetzt die Größe des Capitals; um einige Thaler rasch umzusetzen, dürfte es auch nur selten an Gelegenheit fehlen. Je größer daS Capital wird, desto geringer der Procentverdienst; denn der Umsatz läßt sich nicht mehr so wiederholt bewerkstelligen; aber ein gesundes Detailgeschäft mit einem Fonds von etwa 10 bis 20,000 Thlr. wird noch seine 13 bis 20 Procent machen können und — müssen. Nicht so glücklich ist der Millionär situirt; wenn er seine 5 Procent verdient, ist er sehr gut daran, und wer mehre Millionen in sich vereint, wird verhältnißmäßig noch weniger haben. Freilich, freilich, der gelegentliche Abfall vom Tische des Reiche« ist immer noch besser, als die Menge Brotkrumen aus der Hand des Armen. Für die Millionen ist das Gesetz aber ein unumstößliches und wenn jemand mit hundert Thalern an einer Million varticipirt, so wird er doch nur die mit der Million gemachten' Zinsen verdienen. Man wird uns nun erwidern, daß diese Sätze ganz dem Princip der Ver¬ einigung widersprächen; sei es doch bekannt genug, welche Vortheile dadurch erreicht worden wären, daß man sein bischen Geld zusammengethan. Ganz gewiß, aber dies geschah immer nur zu einem bestimmten vorliegenden Zwecke, dessen Rentabilität oder andere Vortheile man sich vorher verdeutlicht hatte. Z. B. die Schuster errichten ein gemeinsames Lederlager, um ihre Bedürfnisse ZU den Engrospreisen mit geringem Kostenausschlag zu erhalten, oder andere eine Sparkasse, eine gemeinsame Werkstätte u. s. w., sie werden wahrscheinlich gewiß ists noch nicht—Vortheile daraus ziehen; aber nun stelle man sich vor, daß eine Million armer Teufel jeder einen Thaler einschießt, um so zu sagen einen Gesammtmillionär herzustellen; wird irgend jemand unter ihnen einen Genuß davon haben können, wenn nicht — die Verwalter des Verus- 52*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/419
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/419>, abgerufen am 27.07.2024.