Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auch gutgläubig durch den Anschein der Sachlage verlockt daraus ein, was
noch besser wirkte. Befördert ward dies Treiben dadurch, daß die Fondsbörse
an und sür sich geneigt ist, in neuen noch ungewisse Aussichten verheißenden
Papieren zu handeln, weil der damit verbundene rasche Courswechsel das
Spiel der Differenzen so sehr erleichtert. Waren nun die Zeichnungen unter
stetem Steigen des Courses der neuen Papiere geschlossen, so fanden sich im¬
mer noch Leute, die dem Zuge der Zeit folgend doch auch von den schönen
Actien haben wollten, oder noch mehr, die ein weiteres Steigen erwartend
mindestens von den Chancen dieser Coursdifferenz profitiren wollten. Dies
bis zum Beginn der weitern Einzahlungen war die Zeit, wo sich die Schafe
von den Böcken schieden. Mit aller Borsicht hatte sich die stehende Garde
bereits eines Theils der neuen Actien entledigt, um jedes Mal die Coursdifferenz
als reellen Gewinn in die Tasche zu stecken, und jetzt mußte auch der Rest
mit dem möglichst hohen Course an den Mann gebracht werden. Zunächst
ward die Reduction der Actienzeichnungen vorgenommen, aus 20, 30, 100
und mehr gezeichnete Actien kam nur eine einzige, und so weiter im Verhält¬
niß. Auch hier konnte der Cours noch steigen, wenn z. B. 5 oder 10 Procent
der gezeichneten Summe sofort baar hatte deponirt werden müssen, also unter
Umständen mehr niedergelegt war, als man zurücklassen mußte. Entweder
sparte man nun die Zinsen der angeliehenen Gelder, oder erhielt wieder Ca¬
pital flüssig, um neue Geschäfte zu machen.

Wir wollen diese Vorgänge nicht mehr im Einzelnen verfolgen; als Re¬
sultat ergibt sich folgendes: ein Theil der Actienzeichner war mit dem Cours¬
gewinne davon gegangen; aber das Geld, das sie auf den Actienmarkt ver¬
wandten, war Jahr aus Jahr ein zu diesem Zwecke bestimmt; noch andere
hatten vielleicht ähnliche Gewinne gemacht und sich damit gerettet, in den
meisten Fällen jedoch Geschmack an dieser leichten Art des Verdienenö gewon¬
nen -- das waren die Glücklichen, wer aber nun die Actien in Händen be¬
hielt, der verlor. Der künstlich empor getriebene Cours war nicht mehr zu halten,
sie mußten die Differenz ausbaden und für die weitern Einzahlungen Anstalt
treffen, sollte die Actie nicht als ein werthloses Papier in ihren Händen
verschwinden. Das war aber nicht der ganze Nachtheil. Das Geld, das sie
M die Actien gesteckt hatten, war den andern Theilen ihrer Erwerbsthätigkeit
entzogen und mußte hier in der mannigfachsten Weise entbehrt werden.

Hu-r haben wir die eine bedenkliche Seite der künstlichen Capitalanhäufung,
daß sie gradezu die Quellen des privaten und öffentlichen Wohlstands angreift.
An taufenden von Stellen werden zwar verhältnißmäßig kleine, aber für be¬
stimmte Betriebe unentbehrliche Capitalien entbehrt. Die Vertheidiger der
Credit-Mobiliers sagen nun zwar, daß sie kleinen Capitalien Gelegenheit
geben, ihre Gelder vortheilhaft zu placiren; aber es gibt gar keine bessere


auch gutgläubig durch den Anschein der Sachlage verlockt daraus ein, was
noch besser wirkte. Befördert ward dies Treiben dadurch, daß die Fondsbörse
an und sür sich geneigt ist, in neuen noch ungewisse Aussichten verheißenden
Papieren zu handeln, weil der damit verbundene rasche Courswechsel das
Spiel der Differenzen so sehr erleichtert. Waren nun die Zeichnungen unter
stetem Steigen des Courses der neuen Papiere geschlossen, so fanden sich im¬
mer noch Leute, die dem Zuge der Zeit folgend doch auch von den schönen
Actien haben wollten, oder noch mehr, die ein weiteres Steigen erwartend
mindestens von den Chancen dieser Coursdifferenz profitiren wollten. Dies
bis zum Beginn der weitern Einzahlungen war die Zeit, wo sich die Schafe
von den Böcken schieden. Mit aller Borsicht hatte sich die stehende Garde
bereits eines Theils der neuen Actien entledigt, um jedes Mal die Coursdifferenz
als reellen Gewinn in die Tasche zu stecken, und jetzt mußte auch der Rest
mit dem möglichst hohen Course an den Mann gebracht werden. Zunächst
ward die Reduction der Actienzeichnungen vorgenommen, aus 20, 30, 100
und mehr gezeichnete Actien kam nur eine einzige, und so weiter im Verhält¬
niß. Auch hier konnte der Cours noch steigen, wenn z. B. 5 oder 10 Procent
der gezeichneten Summe sofort baar hatte deponirt werden müssen, also unter
Umständen mehr niedergelegt war, als man zurücklassen mußte. Entweder
sparte man nun die Zinsen der angeliehenen Gelder, oder erhielt wieder Ca¬
pital flüssig, um neue Geschäfte zu machen.

Wir wollen diese Vorgänge nicht mehr im Einzelnen verfolgen; als Re¬
sultat ergibt sich folgendes: ein Theil der Actienzeichner war mit dem Cours¬
gewinne davon gegangen; aber das Geld, das sie auf den Actienmarkt ver¬
wandten, war Jahr aus Jahr ein zu diesem Zwecke bestimmt; noch andere
hatten vielleicht ähnliche Gewinne gemacht und sich damit gerettet, in den
meisten Fällen jedoch Geschmack an dieser leichten Art des Verdienenö gewon¬
nen — das waren die Glücklichen, wer aber nun die Actien in Händen be¬
hielt, der verlor. Der künstlich empor getriebene Cours war nicht mehr zu halten,
sie mußten die Differenz ausbaden und für die weitern Einzahlungen Anstalt
treffen, sollte die Actie nicht als ein werthloses Papier in ihren Händen
verschwinden. Das war aber nicht der ganze Nachtheil. Das Geld, das sie
M die Actien gesteckt hatten, war den andern Theilen ihrer Erwerbsthätigkeit
entzogen und mußte hier in der mannigfachsten Weise entbehrt werden.

Hu-r haben wir die eine bedenkliche Seite der künstlichen Capitalanhäufung,
daß sie gradezu die Quellen des privaten und öffentlichen Wohlstands angreift.
An taufenden von Stellen werden zwar verhältnißmäßig kleine, aber für be¬
stimmte Betriebe unentbehrliche Capitalien entbehrt. Die Vertheidiger der
Credit-Mobiliers sagen nun zwar, daß sie kleinen Capitalien Gelegenheit
geben, ihre Gelder vortheilhaft zu placiren; aber es gibt gar keine bessere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104082"/>
            <p xml:id="ID_1180" prev="#ID_1179"> auch gutgläubig durch den Anschein der Sachlage verlockt daraus ein, was<lb/>
noch besser wirkte. Befördert ward dies Treiben dadurch, daß die Fondsbörse<lb/>
an und sür sich geneigt ist, in neuen noch ungewisse Aussichten verheißenden<lb/>
Papieren zu handeln, weil der damit verbundene rasche Courswechsel das<lb/>
Spiel der Differenzen so sehr erleichtert. Waren nun die Zeichnungen unter<lb/>
stetem Steigen des Courses der neuen Papiere geschlossen, so fanden sich im¬<lb/>
mer noch Leute, die dem Zuge der Zeit folgend doch auch von den schönen<lb/>
Actien haben wollten, oder noch mehr, die ein weiteres Steigen erwartend<lb/>
mindestens von den Chancen dieser Coursdifferenz profitiren wollten. Dies<lb/>
bis zum Beginn der weitern Einzahlungen war die Zeit, wo sich die Schafe<lb/>
von den Böcken schieden. Mit aller Borsicht hatte sich die stehende Garde<lb/>
bereits eines Theils der neuen Actien entledigt, um jedes Mal die Coursdifferenz<lb/>
als reellen Gewinn in die Tasche zu stecken, und jetzt mußte auch der Rest<lb/>
mit dem möglichst hohen Course an den Mann gebracht werden. Zunächst<lb/>
ward die Reduction der Actienzeichnungen vorgenommen, aus 20, 30, 100<lb/>
und mehr gezeichnete Actien kam nur eine einzige, und so weiter im Verhält¬<lb/>
niß. Auch hier konnte der Cours noch steigen, wenn z. B. 5 oder 10 Procent<lb/>
der gezeichneten Summe sofort baar hatte deponirt werden müssen, also unter<lb/>
Umständen mehr niedergelegt war, als man zurücklassen mußte. Entweder<lb/>
sparte man nun die Zinsen der angeliehenen Gelder, oder erhielt wieder Ca¬<lb/>
pital flüssig, um neue Geschäfte zu machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1181"> Wir wollen diese Vorgänge nicht mehr im Einzelnen verfolgen; als Re¬<lb/>
sultat ergibt sich folgendes: ein Theil der Actienzeichner war mit dem Cours¬<lb/>
gewinne davon gegangen; aber das Geld, das sie auf den Actienmarkt ver¬<lb/>
wandten, war Jahr aus Jahr ein zu diesem Zwecke bestimmt; noch andere<lb/>
hatten vielleicht ähnliche Gewinne gemacht und sich damit gerettet, in den<lb/>
meisten Fällen jedoch Geschmack an dieser leichten Art des Verdienenö gewon¬<lb/>
nen &#x2014; das waren die Glücklichen, wer aber nun die Actien in Händen be¬<lb/>
hielt, der verlor. Der künstlich empor getriebene Cours war nicht mehr zu halten,<lb/>
sie mußten die Differenz ausbaden und für die weitern Einzahlungen Anstalt<lb/>
treffen, sollte die Actie nicht als ein werthloses Papier in ihren Händen<lb/>
verschwinden. Das war aber nicht der ganze Nachtheil. Das Geld, das sie<lb/>
M die Actien gesteckt hatten, war den andern Theilen ihrer Erwerbsthätigkeit<lb/>
entzogen und mußte hier in der mannigfachsten Weise entbehrt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1182" next="#ID_1183"> Hu-r haben wir die eine bedenkliche Seite der künstlichen Capitalanhäufung,<lb/>
daß sie gradezu die Quellen des privaten und öffentlichen Wohlstands angreift.<lb/>
An taufenden von Stellen werden zwar verhältnißmäßig kleine, aber für be¬<lb/>
stimmte Betriebe unentbehrliche Capitalien entbehrt. Die Vertheidiger der<lb/>
Credit-Mobiliers sagen nun zwar, daß sie kleinen Capitalien Gelegenheit<lb/>
geben, ihre Gelder vortheilhaft zu placiren; aber es gibt gar keine bessere</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0415] auch gutgläubig durch den Anschein der Sachlage verlockt daraus ein, was noch besser wirkte. Befördert ward dies Treiben dadurch, daß die Fondsbörse an und sür sich geneigt ist, in neuen noch ungewisse Aussichten verheißenden Papieren zu handeln, weil der damit verbundene rasche Courswechsel das Spiel der Differenzen so sehr erleichtert. Waren nun die Zeichnungen unter stetem Steigen des Courses der neuen Papiere geschlossen, so fanden sich im¬ mer noch Leute, die dem Zuge der Zeit folgend doch auch von den schönen Actien haben wollten, oder noch mehr, die ein weiteres Steigen erwartend mindestens von den Chancen dieser Coursdifferenz profitiren wollten. Dies bis zum Beginn der weitern Einzahlungen war die Zeit, wo sich die Schafe von den Böcken schieden. Mit aller Borsicht hatte sich die stehende Garde bereits eines Theils der neuen Actien entledigt, um jedes Mal die Coursdifferenz als reellen Gewinn in die Tasche zu stecken, und jetzt mußte auch der Rest mit dem möglichst hohen Course an den Mann gebracht werden. Zunächst ward die Reduction der Actienzeichnungen vorgenommen, aus 20, 30, 100 und mehr gezeichnete Actien kam nur eine einzige, und so weiter im Verhält¬ niß. Auch hier konnte der Cours noch steigen, wenn z. B. 5 oder 10 Procent der gezeichneten Summe sofort baar hatte deponirt werden müssen, also unter Umständen mehr niedergelegt war, als man zurücklassen mußte. Entweder sparte man nun die Zinsen der angeliehenen Gelder, oder erhielt wieder Ca¬ pital flüssig, um neue Geschäfte zu machen. Wir wollen diese Vorgänge nicht mehr im Einzelnen verfolgen; als Re¬ sultat ergibt sich folgendes: ein Theil der Actienzeichner war mit dem Cours¬ gewinne davon gegangen; aber das Geld, das sie auf den Actienmarkt ver¬ wandten, war Jahr aus Jahr ein zu diesem Zwecke bestimmt; noch andere hatten vielleicht ähnliche Gewinne gemacht und sich damit gerettet, in den meisten Fällen jedoch Geschmack an dieser leichten Art des Verdienenö gewon¬ nen — das waren die Glücklichen, wer aber nun die Actien in Händen be¬ hielt, der verlor. Der künstlich empor getriebene Cours war nicht mehr zu halten, sie mußten die Differenz ausbaden und für die weitern Einzahlungen Anstalt treffen, sollte die Actie nicht als ein werthloses Papier in ihren Händen verschwinden. Das war aber nicht der ganze Nachtheil. Das Geld, das sie M die Actien gesteckt hatten, war den andern Theilen ihrer Erwerbsthätigkeit entzogen und mußte hier in der mannigfachsten Weise entbehrt werden. Hu-r haben wir die eine bedenkliche Seite der künstlichen Capitalanhäufung, daß sie gradezu die Quellen des privaten und öffentlichen Wohlstands angreift. An taufenden von Stellen werden zwar verhältnißmäßig kleine, aber für be¬ stimmte Betriebe unentbehrliche Capitalien entbehrt. Die Vertheidiger der Credit-Mobiliers sagen nun zwar, daß sie kleinen Capitalien Gelegenheit geben, ihre Gelder vortheilhaft zu placiren; aber es gibt gar keine bessere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/415
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/415>, abgerufen am 28.07.2024.