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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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einzelnen Falle mit dem zehnten Theile ausreicht, und den Rest nur an einer
andern Stelle entbehrt, so ist es auch mit dem Zusammenlegen von Capitalien.
Wir wollen, um dies zu erläutern, an bekannte Vorgänge anknüpfen.

Ein Credit-Mobilier war ausgeschrieben d.h. in allen Zeitungen war gro߬
gedruckt neben dem Statut zu lesen, daß man an dem und dem Tage die
Zeichnungen der Actionäre entgegennehme. Die Statuten selbst enthielten
massenhafte reglementarische Bestimmungen über Verwaltung, Generalversamm¬
lung u. dergl. mehr, aber nur in einem einzigen Paragraphen den Zweck der,
neuen Actiengesellschaft, wie oben angegeben. Bei der Actienzeichnung sind
nun verschiedene Momente zu unterscheiden. Als im vorigen Jahr Credit-
Mobilier auf Credit-Mobilier eröffnet wurde, da hatte sich eine stehende Garde
herangebildet, deren ^wohlbekannte Gesichter man bei jeder neu eröffneten Actien¬
zeichnung erblickte. Sie recognoscirten in hellen Haufen den Platz und die
Conjuncturen, und unterzeichneten je nach der Sachlage nicht einmal, nein,
zehn und hundert und mehre hundert Male die Summe, die sie an Actien
haben wollten. Das geschah zu doppeltem Zwecke. Als die Welt noch un¬
schuldig war und Actien deS industriellen, nicht deS Coursgewinnes willen
nahm, da war es mitunter vorgekommen, daß größere Summen gezeichnet als
verlangt waren, sobald man sich nämlich Hoffnung auf besonders günstige
Erträge gemacht hatte. Natürlich wurden die gezeichneten Beträge in einem
solchen Falle unter die einzelnen Unterzeichner bis zum Belaufe der gefor¬
derten Summe reducirt. Dieser einfache Vorgang wurde nun in ein förm¬
liches System gebracht und die Mehrzeichnung zur Regel erhoben, die bei
jeder neuen Anwendung immer umfangreichere Dimensionen erhielt. Zehn¬
uno zwanzigfache Beträge genügten bald nicht mehr, und man rückte schritt¬
weise zu dem vielhundertfachen dessen vor, was man wirklich beabsichtigte, so
daß gar mancher mehr als einmal Summen als versprochene Einlage gezeichnet
hat, deren Besitz über seine kühnste Phantasie hinausging. Das war das
Publicum, welches die thatsächlichen Chancen nicht der beabsichtigten Unter¬
nehmung, sondern deS zu erwartende" Actiengewinnes aus Gewohnheit und
Erfahrung zu berechnen vermochte. Sie wußten, daß sie Nachfolger haben
würden, welche durch den ungeheuren Betrag der Zeichnungen verlockt an
diesem Gewinne in gleicher Weise, wenn auch nicht mit so feiner Berechnung
der Chancen Theil nehmen wollten. Dies beides zusammen erweckte nun eine
"günstige Meinung" für das neue Unternehmen, an dem man sich so stark
betheiligte, die Jnterimsactien stiegen um erkleckliche Procente. Damit war
der erste Schritt zur Erreichung des weitern und hauptsächlichen Zweckes ge¬
than , und galt es nun, demselben nachzuhelfen. Entweder waro durch Mittels¬
personen ein künstlicher Begehr nach den n>euer Actien geschaffen mit der
unfehlbaren Wirkung einer neuen Procentsteigerung, oder einzelne ließen sich


einzelnen Falle mit dem zehnten Theile ausreicht, und den Rest nur an einer
andern Stelle entbehrt, so ist es auch mit dem Zusammenlegen von Capitalien.
Wir wollen, um dies zu erläutern, an bekannte Vorgänge anknüpfen.

Ein Credit-Mobilier war ausgeschrieben d.h. in allen Zeitungen war gro߬
gedruckt neben dem Statut zu lesen, daß man an dem und dem Tage die
Zeichnungen der Actionäre entgegennehme. Die Statuten selbst enthielten
massenhafte reglementarische Bestimmungen über Verwaltung, Generalversamm¬
lung u. dergl. mehr, aber nur in einem einzigen Paragraphen den Zweck der,
neuen Actiengesellschaft, wie oben angegeben. Bei der Actienzeichnung sind
nun verschiedene Momente zu unterscheiden. Als im vorigen Jahr Credit-
Mobilier auf Credit-Mobilier eröffnet wurde, da hatte sich eine stehende Garde
herangebildet, deren ^wohlbekannte Gesichter man bei jeder neu eröffneten Actien¬
zeichnung erblickte. Sie recognoscirten in hellen Haufen den Platz und die
Conjuncturen, und unterzeichneten je nach der Sachlage nicht einmal, nein,
zehn und hundert und mehre hundert Male die Summe, die sie an Actien
haben wollten. Das geschah zu doppeltem Zwecke. Als die Welt noch un¬
schuldig war und Actien deS industriellen, nicht deS Coursgewinnes willen
nahm, da war es mitunter vorgekommen, daß größere Summen gezeichnet als
verlangt waren, sobald man sich nämlich Hoffnung auf besonders günstige
Erträge gemacht hatte. Natürlich wurden die gezeichneten Beträge in einem
solchen Falle unter die einzelnen Unterzeichner bis zum Belaufe der gefor¬
derten Summe reducirt. Dieser einfache Vorgang wurde nun in ein förm¬
liches System gebracht und die Mehrzeichnung zur Regel erhoben, die bei
jeder neuen Anwendung immer umfangreichere Dimensionen erhielt. Zehn¬
uno zwanzigfache Beträge genügten bald nicht mehr, und man rückte schritt¬
weise zu dem vielhundertfachen dessen vor, was man wirklich beabsichtigte, so
daß gar mancher mehr als einmal Summen als versprochene Einlage gezeichnet
hat, deren Besitz über seine kühnste Phantasie hinausging. Das war das
Publicum, welches die thatsächlichen Chancen nicht der beabsichtigten Unter¬
nehmung, sondern deS zu erwartende« Actiengewinnes aus Gewohnheit und
Erfahrung zu berechnen vermochte. Sie wußten, daß sie Nachfolger haben
würden, welche durch den ungeheuren Betrag der Zeichnungen verlockt an
diesem Gewinne in gleicher Weise, wenn auch nicht mit so feiner Berechnung
der Chancen Theil nehmen wollten. Dies beides zusammen erweckte nun eine
„günstige Meinung" für das neue Unternehmen, an dem man sich so stark
betheiligte, die Jnterimsactien stiegen um erkleckliche Procente. Damit war
der erste Schritt zur Erreichung des weitern und hauptsächlichen Zweckes ge¬
than , und galt es nun, demselben nachzuhelfen. Entweder waro durch Mittels¬
personen ein künstlicher Begehr nach den n>euer Actien geschaffen mit der
unfehlbaren Wirkung einer neuen Procentsteigerung, oder einzelne ließen sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/414>, abgerufen am 28.07.2024.