Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier den Preis erringen, hieß in der That, als der Erste seiner Kunst an¬
erkannt werden, nicht blos in Rom, sondern in der ganzen Welt. Aus weiter
Ferne, aus Asien und Aegypten kamen die Künstler, sich bei dieser Concur-
renz zu betheiligen; die alerandrinische Musik genoß, beiläufig gesagt, eines
besondern Rufs im kaiserlichen Rom. .Am berühmtesten war daS letzte von
Domitian zu Ehren deS capitolinischen Jupiter gestiftete Fest; die Sieger
wurden auf dem Capitol mit einem Kranz von Eichen und Oliven gekrönt.
Die Sitte der modernen Dichterkrönungen stammt übrigens von dieser Be¬
kränzung der Dichter auf dem Capitol. Bekanntlich empfing noch Petrarca
am ersten Ostertage 1340 unter dem Zuruf einer aus ganz Italien zusammen¬
geströmten Volksmenge auf dem Capitol den Lorbeerkranz aus den Händen
des Senates von Rom.

Man sieht, daß Rom im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit bereits einen
sehr günstigen Boden für musikalisches Virtuosenthum bot: und in der That
finden wir es mit allen seinen charakteristischen Eigenthümlichkeiten vollständig
entwickelt: mit langen, mühsamen (auch diätetischen) Vorbereitungen, Studien
und Uebungen, Kunstreisen, enormen Honoraren und Einnahmen, Künstler¬
insolenz und Caprice, dem obligaten Gefolge schwärmerischer Verehrer und
besonders Verehrerinnen, und -- der bezahlten und organistrten Claque, die
nun einmal in dem damaligen Rom ebensowenig zu entbehren war, wie in
dem jetzigen Paris. Schon in Cäsars Umgebung finden wir einen Virtuosen,
der in mehr als einer Hinsicht als Typus der ganzen Classe gelten darf: den
Tigellius Hcrmogenes aus Sardinien, den Cicero und Horaz erwähnen. Er
war ein guter Flötenspieler, aber seine Berühmtheit verdankte er seiner außer¬
ordentlich schönen Stimme, seiner Gesangkunst und Composition; ausübende
Künstler waren häufig (vielleicht in der Regel) auch Componisten. Nebenbei
dilettirte er in der Poesie (seine Gedichte hielt man ihm wegen der Schönheit
des Vortrags zu gut) und war ein guter Gesellschafter. An den Höfen Cäsars,
Cleopatras und Augusts war er gern gesehen, und wurde sogar zu den Ju¬
liner Cäsars gerechnet. Den leicht erworbenen Reichthum streute er mit vollen
Händen aus, und sammelte durch seine Freigebigkeit um sich einen Hofstaat
Von Quacksalbern, Bettlern, Tänzerinnen, Gassenmusikantinnen, Spaßmachern
und Dichterlingen. Cicero schildert ihn als reizbar und prahlerisch, Horaz
als den Typus der Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit. Er hatte den Fehler
aller Sänger sagt Horaz, niemals sich durch noch so dringende Bitten zum
Singen bewegen zu lassen, dagegen gar nicht aufzuhören, wenn es ihm
selbst beliebte, seine" Gesang zum Besten zu geben. War der eigensinnige
Künstler nicht oisponirt, so bat selbst August, der befehlen konnte, vergebens,
und dem ehemaligen Favoriten Cäsars wurde eine Ungezogenheit nachgesehen,
die sich ein anderer nicht so leicht erlauben durste. Fiel es ihm dagegen ein,


Hier den Preis erringen, hieß in der That, als der Erste seiner Kunst an¬
erkannt werden, nicht blos in Rom, sondern in der ganzen Welt. Aus weiter
Ferne, aus Asien und Aegypten kamen die Künstler, sich bei dieser Concur-
renz zu betheiligen; die alerandrinische Musik genoß, beiläufig gesagt, eines
besondern Rufs im kaiserlichen Rom. .Am berühmtesten war daS letzte von
Domitian zu Ehren deS capitolinischen Jupiter gestiftete Fest; die Sieger
wurden auf dem Capitol mit einem Kranz von Eichen und Oliven gekrönt.
Die Sitte der modernen Dichterkrönungen stammt übrigens von dieser Be¬
kränzung der Dichter auf dem Capitol. Bekanntlich empfing noch Petrarca
am ersten Ostertage 1340 unter dem Zuruf einer aus ganz Italien zusammen¬
geströmten Volksmenge auf dem Capitol den Lorbeerkranz aus den Händen
des Senates von Rom.

Man sieht, daß Rom im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit bereits einen
sehr günstigen Boden für musikalisches Virtuosenthum bot: und in der That
finden wir es mit allen seinen charakteristischen Eigenthümlichkeiten vollständig
entwickelt: mit langen, mühsamen (auch diätetischen) Vorbereitungen, Studien
und Uebungen, Kunstreisen, enormen Honoraren und Einnahmen, Künstler¬
insolenz und Caprice, dem obligaten Gefolge schwärmerischer Verehrer und
besonders Verehrerinnen, und — der bezahlten und organistrten Claque, die
nun einmal in dem damaligen Rom ebensowenig zu entbehren war, wie in
dem jetzigen Paris. Schon in Cäsars Umgebung finden wir einen Virtuosen,
der in mehr als einer Hinsicht als Typus der ganzen Classe gelten darf: den
Tigellius Hcrmogenes aus Sardinien, den Cicero und Horaz erwähnen. Er
war ein guter Flötenspieler, aber seine Berühmtheit verdankte er seiner außer¬
ordentlich schönen Stimme, seiner Gesangkunst und Composition; ausübende
Künstler waren häufig (vielleicht in der Regel) auch Componisten. Nebenbei
dilettirte er in der Poesie (seine Gedichte hielt man ihm wegen der Schönheit
des Vortrags zu gut) und war ein guter Gesellschafter. An den Höfen Cäsars,
Cleopatras und Augusts war er gern gesehen, und wurde sogar zu den Ju¬
liner Cäsars gerechnet. Den leicht erworbenen Reichthum streute er mit vollen
Händen aus, und sammelte durch seine Freigebigkeit um sich einen Hofstaat
Von Quacksalbern, Bettlern, Tänzerinnen, Gassenmusikantinnen, Spaßmachern
und Dichterlingen. Cicero schildert ihn als reizbar und prahlerisch, Horaz
als den Typus der Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit. Er hatte den Fehler
aller Sänger sagt Horaz, niemals sich durch noch so dringende Bitten zum
Singen bewegen zu lassen, dagegen gar nicht aufzuhören, wenn es ihm
selbst beliebte, seine» Gesang zum Besten zu geben. War der eigensinnige
Künstler nicht oisponirt, so bat selbst August, der befehlen konnte, vergebens,
und dem ehemaligen Favoriten Cäsars wurde eine Ungezogenheit nachgesehen,
die sich ein anderer nicht so leicht erlauben durste. Fiel es ihm dagegen ein,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104002"/>
          <p xml:id="ID_957" prev="#ID_956"> Hier den Preis erringen, hieß in der That, als der Erste seiner Kunst an¬<lb/>
erkannt werden, nicht blos in Rom, sondern in der ganzen Welt. Aus weiter<lb/>
Ferne, aus Asien und Aegypten kamen die Künstler, sich bei dieser Concur-<lb/>
renz zu betheiligen; die alerandrinische Musik genoß, beiläufig gesagt, eines<lb/>
besondern Rufs im kaiserlichen Rom. .Am berühmtesten war daS letzte von<lb/>
Domitian zu Ehren deS capitolinischen Jupiter gestiftete Fest; die Sieger<lb/>
wurden auf dem Capitol mit einem Kranz von Eichen und Oliven gekrönt.<lb/>
Die Sitte der modernen Dichterkrönungen stammt übrigens von dieser Be¬<lb/>
kränzung der Dichter auf dem Capitol. Bekanntlich empfing noch Petrarca<lb/>
am ersten Ostertage 1340 unter dem Zuruf einer aus ganz Italien zusammen¬<lb/>
geströmten Volksmenge auf dem Capitol den Lorbeerkranz aus den Händen<lb/>
des Senates von Rom.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_958" next="#ID_959"> Man sieht, daß Rom im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit bereits einen<lb/>
sehr günstigen Boden für musikalisches Virtuosenthum bot: und in der That<lb/>
finden wir es mit allen seinen charakteristischen Eigenthümlichkeiten vollständig<lb/>
entwickelt: mit langen, mühsamen (auch diätetischen) Vorbereitungen, Studien<lb/>
und Uebungen, Kunstreisen, enormen Honoraren und Einnahmen, Künstler¬<lb/>
insolenz und Caprice, dem obligaten Gefolge schwärmerischer Verehrer und<lb/>
besonders Verehrerinnen, und &#x2014; der bezahlten und organistrten Claque, die<lb/>
nun einmal in dem damaligen Rom ebensowenig zu entbehren war, wie in<lb/>
dem jetzigen Paris. Schon in Cäsars Umgebung finden wir einen Virtuosen,<lb/>
der in mehr als einer Hinsicht als Typus der ganzen Classe gelten darf: den<lb/>
Tigellius Hcrmogenes aus Sardinien, den Cicero und Horaz erwähnen. Er<lb/>
war ein guter Flötenspieler, aber seine Berühmtheit verdankte er seiner außer¬<lb/>
ordentlich schönen Stimme, seiner Gesangkunst und Composition; ausübende<lb/>
Künstler waren häufig (vielleicht in der Regel) auch Componisten. Nebenbei<lb/>
dilettirte er in der Poesie (seine Gedichte hielt man ihm wegen der Schönheit<lb/>
des Vortrags zu gut) und war ein guter Gesellschafter. An den Höfen Cäsars,<lb/>
Cleopatras und Augusts war er gern gesehen, und wurde sogar zu den Ju¬<lb/>
liner Cäsars gerechnet. Den leicht erworbenen Reichthum streute er mit vollen<lb/>
Händen aus, und sammelte durch seine Freigebigkeit um sich einen Hofstaat<lb/>
Von Quacksalbern, Bettlern, Tänzerinnen, Gassenmusikantinnen, Spaßmachern<lb/>
und Dichterlingen. Cicero schildert ihn als reizbar und prahlerisch, Horaz<lb/>
als den Typus der Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit. Er hatte den Fehler<lb/>
aller Sänger sagt Horaz, niemals sich durch noch so dringende Bitten zum<lb/>
Singen bewegen zu lassen, dagegen gar nicht aufzuhören, wenn es ihm<lb/>
selbst beliebte, seine» Gesang zum Besten zu geben. War der eigensinnige<lb/>
Künstler nicht oisponirt, so bat selbst August, der befehlen konnte, vergebens,<lb/>
und dem ehemaligen Favoriten Cäsars wurde eine Ungezogenheit nachgesehen,<lb/>
die sich ein anderer nicht so leicht erlauben durste.  Fiel es ihm dagegen ein,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Hier den Preis erringen, hieß in der That, als der Erste seiner Kunst an¬ erkannt werden, nicht blos in Rom, sondern in der ganzen Welt. Aus weiter Ferne, aus Asien und Aegypten kamen die Künstler, sich bei dieser Concur- renz zu betheiligen; die alerandrinische Musik genoß, beiläufig gesagt, eines besondern Rufs im kaiserlichen Rom. .Am berühmtesten war daS letzte von Domitian zu Ehren deS capitolinischen Jupiter gestiftete Fest; die Sieger wurden auf dem Capitol mit einem Kranz von Eichen und Oliven gekrönt. Die Sitte der modernen Dichterkrönungen stammt übrigens von dieser Be¬ kränzung der Dichter auf dem Capitol. Bekanntlich empfing noch Petrarca am ersten Ostertage 1340 unter dem Zuruf einer aus ganz Italien zusammen¬ geströmten Volksmenge auf dem Capitol den Lorbeerkranz aus den Händen des Senates von Rom. Man sieht, daß Rom im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit bereits einen sehr günstigen Boden für musikalisches Virtuosenthum bot: und in der That finden wir es mit allen seinen charakteristischen Eigenthümlichkeiten vollständig entwickelt: mit langen, mühsamen (auch diätetischen) Vorbereitungen, Studien und Uebungen, Kunstreisen, enormen Honoraren und Einnahmen, Künstler¬ insolenz und Caprice, dem obligaten Gefolge schwärmerischer Verehrer und besonders Verehrerinnen, und — der bezahlten und organistrten Claque, die nun einmal in dem damaligen Rom ebensowenig zu entbehren war, wie in dem jetzigen Paris. Schon in Cäsars Umgebung finden wir einen Virtuosen, der in mehr als einer Hinsicht als Typus der ganzen Classe gelten darf: den Tigellius Hcrmogenes aus Sardinien, den Cicero und Horaz erwähnen. Er war ein guter Flötenspieler, aber seine Berühmtheit verdankte er seiner außer¬ ordentlich schönen Stimme, seiner Gesangkunst und Composition; ausübende Künstler waren häufig (vielleicht in der Regel) auch Componisten. Nebenbei dilettirte er in der Poesie (seine Gedichte hielt man ihm wegen der Schönheit des Vortrags zu gut) und war ein guter Gesellschafter. An den Höfen Cäsars, Cleopatras und Augusts war er gern gesehen, und wurde sogar zu den Ju¬ liner Cäsars gerechnet. Den leicht erworbenen Reichthum streute er mit vollen Händen aus, und sammelte durch seine Freigebigkeit um sich einen Hofstaat Von Quacksalbern, Bettlern, Tänzerinnen, Gassenmusikantinnen, Spaßmachern und Dichterlingen. Cicero schildert ihn als reizbar und prahlerisch, Horaz als den Typus der Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit. Er hatte den Fehler aller Sänger sagt Horaz, niemals sich durch noch so dringende Bitten zum Singen bewegen zu lassen, dagegen gar nicht aufzuhören, wenn es ihm selbst beliebte, seine» Gesang zum Besten zu geben. War der eigensinnige Künstler nicht oisponirt, so bat selbst August, der befehlen konnte, vergebens, und dem ehemaligen Favoriten Cäsars wurde eine Ungezogenheit nachgesehen, die sich ein anderer nicht so leicht erlauben durste. Fiel es ihm dagegen ein,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/335>, abgerufen am 01.09.2024.