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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Daß mitten im Anhören der Beichte ein anderer Geistlicher den Beichtsttzenden
anredet und dieser mit der Vielseitigkeit eines Julius Cäsar, hier Antwort
* gibt und dort fragt und lauscht, ist nach italienischer Auffassung durchaus nichts
Anstößiges. Ebensowenig sah man etwas Auffälliges in der Tasse Kaffee,
welche der Pater in S. S. Apostoli von Neapel im Beichtstuhl schlürfte.
Ebensowenig, glauben wir, fand jemand etwas Possierliches darin, daß der
wohlbeleibte Sakristan in der römischen Chiesa nuova auf das Dach deS
Beichtstuhls kletterte, um von dort aus die daneben angebrachten Kandelaber¬
kerzen anzuzünden.

Findet hier der Stift eines Leach, eines Cham, eines Daumier, eines
Hosemann manches ergötzliche Bildchen, so tritt in Klöstern, namentlich in
Nonnenklöstern, den mehr romantisch gestimmten Künstlernaturen eine Fülle von
malerischen Situationen entgegen, die kaum noch einer ordnenden Hand be¬
dürfen. Freilich, das ganze Innere der Nonnenklöster, namentlich der soge¬
nannten Sepolcri Vivi, ist nicht jedem zugänglich, doch gestatten schon das Sprech¬
zimmer, die Almosenhalle neben der Kirche und die Gittergalerie der Nonnen
in den Kirchen, interessante Einblicke. Das zwanglose Treiben der Halbnonnen
von Se. Gennajo degli Poveri in Mapel, namentlich in dem von guten
Freunden fleißig besuchten Sprechsaale, sollte kein Besucher der dortigen Kata¬
komben zu beobachten versäumen. Das reizende Costüm der schönen Abge¬
sperrten mit hochgelben Kopftüchern kommt ihrer Erscheinung nicht wenig zu
Statten. In der Galerie Correr in Venedig befindet sich ein Bild von
P. Longhi. Es stellt den Verkehr in einem Nonnenparloir dar. Die Be¬
sucher sind gepuderte Cavaliere; man reicht sich die Hände durchs Gitter und
erquickt sich neben anderm an Chocolade und an der Unterhaltung, welche ein
Policinellkasten bietet.

Die meisten Nonnen sieht man im Toledo; sie gehen zu Zweien und
fürchten sich eben nicht vor dem Gedränge der geräuschvollsten Straße der
Welt. Eine sahen wir in dem Wagen ihres Bruders durch den Toledo fahren.
Sein kleines Kind hielt sie im Arm. ES schien ihr eigen dabei ums Herz
zu sein.

Die Begräbnisse darf man bei Berücksichtigung der malerischen Seiten
Italiens nicht zuletzt nennen. Die Begleitung besteht ohne Ausnahme aus
Vermummter. Bei reicherer Ausstattung, kommen auch noch ganze Kloster¬
brüderschaften hinzu. Einem Leichenwagen in Rom, der Abends mit Fackel¬
beleuchtung zum Einsegnen nach dem Corso geschafft wurde, folgten nicht
' weniger als Kapuziner; außerdem 60 blau Vermummte, welche nur ein
Auge frei hatten. Die offenen Särge werden jetzt seltener. In Neapel sahen
wir noch einen Priester im offenen Sarge zur Ruhe tragen; Kindern, Jung¬
frauen und hohen Militärpersonen wird dieselbe Auszeichnung, doch auch nicht


Daß mitten im Anhören der Beichte ein anderer Geistlicher den Beichtsttzenden
anredet und dieser mit der Vielseitigkeit eines Julius Cäsar, hier Antwort
* gibt und dort fragt und lauscht, ist nach italienischer Auffassung durchaus nichts
Anstößiges. Ebensowenig sah man etwas Auffälliges in der Tasse Kaffee,
welche der Pater in S. S. Apostoli von Neapel im Beichtstuhl schlürfte.
Ebensowenig, glauben wir, fand jemand etwas Possierliches darin, daß der
wohlbeleibte Sakristan in der römischen Chiesa nuova auf das Dach deS
Beichtstuhls kletterte, um von dort aus die daneben angebrachten Kandelaber¬
kerzen anzuzünden.

Findet hier der Stift eines Leach, eines Cham, eines Daumier, eines
Hosemann manches ergötzliche Bildchen, so tritt in Klöstern, namentlich in
Nonnenklöstern, den mehr romantisch gestimmten Künstlernaturen eine Fülle von
malerischen Situationen entgegen, die kaum noch einer ordnenden Hand be¬
dürfen. Freilich, das ganze Innere der Nonnenklöster, namentlich der soge¬
nannten Sepolcri Vivi, ist nicht jedem zugänglich, doch gestatten schon das Sprech¬
zimmer, die Almosenhalle neben der Kirche und die Gittergalerie der Nonnen
in den Kirchen, interessante Einblicke. Das zwanglose Treiben der Halbnonnen
von Se. Gennajo degli Poveri in Mapel, namentlich in dem von guten
Freunden fleißig besuchten Sprechsaale, sollte kein Besucher der dortigen Kata¬
komben zu beobachten versäumen. Das reizende Costüm der schönen Abge¬
sperrten mit hochgelben Kopftüchern kommt ihrer Erscheinung nicht wenig zu
Statten. In der Galerie Correr in Venedig befindet sich ein Bild von
P. Longhi. Es stellt den Verkehr in einem Nonnenparloir dar. Die Be¬
sucher sind gepuderte Cavaliere; man reicht sich die Hände durchs Gitter und
erquickt sich neben anderm an Chocolade und an der Unterhaltung, welche ein
Policinellkasten bietet.

Die meisten Nonnen sieht man im Toledo; sie gehen zu Zweien und
fürchten sich eben nicht vor dem Gedränge der geräuschvollsten Straße der
Welt. Eine sahen wir in dem Wagen ihres Bruders durch den Toledo fahren.
Sein kleines Kind hielt sie im Arm. ES schien ihr eigen dabei ums Herz
zu sein.

Die Begräbnisse darf man bei Berücksichtigung der malerischen Seiten
Italiens nicht zuletzt nennen. Die Begleitung besteht ohne Ausnahme aus
Vermummter. Bei reicherer Ausstattung, kommen auch noch ganze Kloster¬
brüderschaften hinzu. Einem Leichenwagen in Rom, der Abends mit Fackel¬
beleuchtung zum Einsegnen nach dem Corso geschafft wurde, folgten nicht
' weniger als Kapuziner; außerdem 60 blau Vermummte, welche nur ein
Auge frei hatten. Die offenen Särge werden jetzt seltener. In Neapel sahen
wir noch einen Priester im offenen Sarge zur Ruhe tragen; Kindern, Jung¬
frauen und hohen Militärpersonen wird dieselbe Auszeichnung, doch auch nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/322>, abgerufen am 01.09.2024.