Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.Papstes, der Kirche sich unwiderstehlich aufdrängen. Sie ist die Grundbedingung 38*
Papstes, der Kirche sich unwiderstehlich aufdrängen. Sie ist die Grundbedingung 38*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103974"/> <p xml:id="ID_870" prev="#ID_869" next="#ID_871"> Papstes, der Kirche sich unwiderstehlich aufdrängen. Sie ist die Grundbedingung<lb/> der europäischen Föderation, die ich meine." (19. Sept. 1820.) — So meinte<lb/> es nun Fürst Metternich nicht ganz, und Gentz, der schon lange ungeduldig<lb/> geworden war, erhielt den Auftrag, seinen alten Waffenbruder wegen eines<lb/> Aufsatzes in Schlegels Concordia ernsthaft zurechtzuweisen (8. Oct. 1820.)<lb/> »Das Erste ist, daß in diesem Aufsatz eine theologisch-mystische Sprache herrscht,<lb/> welche man dem Charakter eines, zum Theil wenigstens politischen Journals<lb/> höchst unangemessen findet. Ihre Gegner halten den Gebrauch, den Sie von<lb/> dem heiligen Worte Dreifaltigkeit machen, an diesem Orte nicht allein für an¬<lb/> stößig, sondern meinen, es würde dadurch auf die Concordia überhaupt ein<lb/> Licht geworfen, welches ich nicht näher charakteristren mag---- Das zweite<lb/> Gravamen trifft die Art und Weise, wie Sie an mehren Stellen über Eigen¬<lb/> thum und Besitz gesprochen haben. Man beschuldigt Sie, sie hätten das<lb/> Eigenthum der Geistlichkeit nicht nur vorne an gesetzt, sondern als das einzige<lb/> wahre und vollständige geschildert. Man beschuldigt Sie, Sie hätten nicht nur<lb/> von allem Allodialbesitz, sondern selbst von dem Besttztitel der Eigenthümer<lb/> liegender Gründe in Ausdrücken gesprochen, welche alle Eigenthumsrechte er¬<lb/> schütterten, und wodurch Sie, obgleich von ganz entgegengesetzten Motiven<lb/> getrieben, den Revolutionsleuten selbst in die Hände arbeiteten____ Der<lb/> scharfe und schneidende Ton, womit Sie alle bisherigen Regierungs- und Ver-<lb/> waltungösysteme zu verdammen gewohnt sind, wurde nun zum ersten Male,<lb/> und selbst von nicht unwohlwollenden Richtern als etwas höchst BeklagenS-<lb/> wertheS gerügt, und mehr als einmal wurde die unter praktischen Menschen<lb/> immer natürliche Frage aufgeworfen: Was gewinnen wir denn mit Bundes¬<lb/> genossen, die in der Meinung, uns aufzuklären, unsern Feinden die glänzend¬<lb/> sten Waffen gegen uns liefern?____ Die Frage ist heute nicht, wie die<lb/> Gesellschaft nach einem besseren, gottgefälligeren Plane für die Zukunft zu<lb/> bilden sein wird; unser einziges Geschäft ist und muß sein, sie vor der von<lb/> bekannten und bestimmten Feinden ihr drohenden nahen Auflösung zu' be¬<lb/> wahren. In einem Ihrer Briefe habe ich zwar, nicht ohne geheimes Grauen,<lb/> eine Aeußerung gefunden, woraus ich schließe, daß Sie selbst aus dem Ab¬<lb/> grunde der Zerstörung gewisse (höchst chimärische) neue Formen erwecken, die<lb/> Ihnen lieber sein würden, als der ganze alte Wust, von welchem — wie ich<lb/> beständig bemerken muß, kein Jakobiner verächtlicher sprechen kann, als Sie----<lb/> Männer, wie Sie, dürfen keine Allotria mehr treiben, müssen denen, welche<lb/> die schrecklichen Ausgaben zu lösen haben, mit der ganzen concentrirten Kraft<lb/> ihrer Gedanken und ihrer Beredsamkeit beistehen. Das ist Ihr Beruf. Die<lb/> innern Krankheiten werden uns nicht von heute zu morgen tödten. DaS<lb/> Dringendste ist, zu leben. Mit denen, welche uns vernichten wollen, müssen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 38*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
Papstes, der Kirche sich unwiderstehlich aufdrängen. Sie ist die Grundbedingung
der europäischen Föderation, die ich meine." (19. Sept. 1820.) — So meinte
es nun Fürst Metternich nicht ganz, und Gentz, der schon lange ungeduldig
geworden war, erhielt den Auftrag, seinen alten Waffenbruder wegen eines
Aufsatzes in Schlegels Concordia ernsthaft zurechtzuweisen (8. Oct. 1820.)
»Das Erste ist, daß in diesem Aufsatz eine theologisch-mystische Sprache herrscht,
welche man dem Charakter eines, zum Theil wenigstens politischen Journals
höchst unangemessen findet. Ihre Gegner halten den Gebrauch, den Sie von
dem heiligen Worte Dreifaltigkeit machen, an diesem Orte nicht allein für an¬
stößig, sondern meinen, es würde dadurch auf die Concordia überhaupt ein
Licht geworfen, welches ich nicht näher charakteristren mag---- Das zweite
Gravamen trifft die Art und Weise, wie Sie an mehren Stellen über Eigen¬
thum und Besitz gesprochen haben. Man beschuldigt Sie, sie hätten das
Eigenthum der Geistlichkeit nicht nur vorne an gesetzt, sondern als das einzige
wahre und vollständige geschildert. Man beschuldigt Sie, Sie hätten nicht nur
von allem Allodialbesitz, sondern selbst von dem Besttztitel der Eigenthümer
liegender Gründe in Ausdrücken gesprochen, welche alle Eigenthumsrechte er¬
schütterten, und wodurch Sie, obgleich von ganz entgegengesetzten Motiven
getrieben, den Revolutionsleuten selbst in die Hände arbeiteten____ Der
scharfe und schneidende Ton, womit Sie alle bisherigen Regierungs- und Ver-
waltungösysteme zu verdammen gewohnt sind, wurde nun zum ersten Male,
und selbst von nicht unwohlwollenden Richtern als etwas höchst BeklagenS-
wertheS gerügt, und mehr als einmal wurde die unter praktischen Menschen
immer natürliche Frage aufgeworfen: Was gewinnen wir denn mit Bundes¬
genossen, die in der Meinung, uns aufzuklären, unsern Feinden die glänzend¬
sten Waffen gegen uns liefern?____ Die Frage ist heute nicht, wie die
Gesellschaft nach einem besseren, gottgefälligeren Plane für die Zukunft zu
bilden sein wird; unser einziges Geschäft ist und muß sein, sie vor der von
bekannten und bestimmten Feinden ihr drohenden nahen Auflösung zu' be¬
wahren. In einem Ihrer Briefe habe ich zwar, nicht ohne geheimes Grauen,
eine Aeußerung gefunden, woraus ich schließe, daß Sie selbst aus dem Ab¬
grunde der Zerstörung gewisse (höchst chimärische) neue Formen erwecken, die
Ihnen lieber sein würden, als der ganze alte Wust, von welchem — wie ich
beständig bemerken muß, kein Jakobiner verächtlicher sprechen kann, als Sie----
Männer, wie Sie, dürfen keine Allotria mehr treiben, müssen denen, welche
die schrecklichen Ausgaben zu lösen haben, mit der ganzen concentrirten Kraft
ihrer Gedanken und ihrer Beredsamkeit beistehen. Das ist Ihr Beruf. Die
innern Krankheiten werden uns nicht von heute zu morgen tödten. DaS
Dringendste ist, zu leben. Mit denen, welche uns vernichten wollen, müssen
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