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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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können, ja im regelmäßigen Geschäftsgang auch gewinnen müssen. DaS
Waarengeschäft bewegt sich in der Vermittlung von der einfachsten Production,
über deren Verarbeitung zu Fabrikaten oder sonstigen Umarbeitungen hinaus bis
Zur schließlichen Consumtion. Wer sich nur bei dem einfachsten Verzehrungs¬
oder Verbrauchsgegenstand alle Verhältnisse vergegenwärtigt, die er durchläuft,
damit er für seinen Zweck, der Vernichtung für menschliche Bedürfnisse, reif
werde, und wie ein jeder, der dabei thätig ist, dies nicht umsonst gethan haben
will, der wird begreifen, daß jeder Uebergang von einer der Consumtion zu¬
führenden Stufe zur andern mit Gewinn für beide dabei thätige Theile verknüpft
'se und sein muß, wenn nicht die ganze Bewegung ins Stocken gerathen soll und
dies zwar zum augenscheinlichsten Nachtheil der Consumenten. Darin liegt denn
auch der Grund, daß jede nicht durch Zwang erzeugte Vermittlung zwischen
Production und Consumtion den schließlichen Preis der Waaren billiger, nicht
theurer macht, wenn überhaupt der Konsument nicht ohne solche fortgesetzte
Vermittlung ganz auf deren Erlangung verzichten mußte. Daß freilich eine
Börse nicht grade der Ort ist, wo man einen Profit auf Kosten seines Näch¬
sten verschmäht, versteht sich von selbst; aber jedes Geschäft und jeder Verdienst
wüßte aufhören, wenn das die Regel und nicht die seltene Ausnahme wäre.
Wie groß auch nur im Durchschnitt' der alltägliche Umsatz an der Hamburger
Börse ist, dürste schwer in Zahlen anzugeben sein, da das Börsengeschäft nicht
etwas sür sich Bestehendes, vielmehr nur die Ergänzung des gesammten Ge¬
schäftsbetriebs in Hamburg ist. Wir wollen es jedoch nicht verhehlen, man
treibt an der Börse nicht blos Geschäfte. Auch der Stadtklatsch wird da eifrig
cultivirt, es wird da politisire und speciell auch in hamburgischer Politik ge¬
wacht, und endlich, wenn man sich nach dem Wohlbefinden von Frau und
Kindern erkundigt, werden da sogar Lhombre- und Whistpartien für den Abend
arrangirt. Das sind die von jeder großen Existenz unzertrennlichen Schwächen
der menschlichen Natur!

Es ist sogar einmal geschehen, daß die Börse zur wirklichen Volksver¬
sammlung wurde, freilich erst nach Schluß der Börsensperre. Es galt damals
Abgeordnete nach Frankfurt zu schicken, und da gab es denn natürlich auch soge¬
nannte Candidaten der Börse. Wie eifrig sprach man in jener Zeit von der
Galerie herab von deutscher Freiheit und von deutschem Recht, aber auch von
Hamburgs Handel und von Hamburgs Interessen. Du lieber Gott, die Zeit
ist längst verklungen, und die Männer, die damals gesprochen und die, welche
Man empfahl und wählte, gedenken derselben wol kaum noch anders, als eines
Wüsten Traums aus den Jahren ihrer politischen Kindheit. Es waren zudem
schlechte Geschäftsjahre.

Welch ein Anblick, das volle Börsengetümmel von der Galerie herab zu
betrachten!- Zur Sommerszeit, wenn die Eisenbahnen reichliche Fremdenzüge


können, ja im regelmäßigen Geschäftsgang auch gewinnen müssen. DaS
Waarengeschäft bewegt sich in der Vermittlung von der einfachsten Production,
über deren Verarbeitung zu Fabrikaten oder sonstigen Umarbeitungen hinaus bis
Zur schließlichen Consumtion. Wer sich nur bei dem einfachsten Verzehrungs¬
oder Verbrauchsgegenstand alle Verhältnisse vergegenwärtigt, die er durchläuft,
damit er für seinen Zweck, der Vernichtung für menschliche Bedürfnisse, reif
werde, und wie ein jeder, der dabei thätig ist, dies nicht umsonst gethan haben
will, der wird begreifen, daß jeder Uebergang von einer der Consumtion zu¬
führenden Stufe zur andern mit Gewinn für beide dabei thätige Theile verknüpft
'se und sein muß, wenn nicht die ganze Bewegung ins Stocken gerathen soll und
dies zwar zum augenscheinlichsten Nachtheil der Consumenten. Darin liegt denn
auch der Grund, daß jede nicht durch Zwang erzeugte Vermittlung zwischen
Production und Consumtion den schließlichen Preis der Waaren billiger, nicht
theurer macht, wenn überhaupt der Konsument nicht ohne solche fortgesetzte
Vermittlung ganz auf deren Erlangung verzichten mußte. Daß freilich eine
Börse nicht grade der Ort ist, wo man einen Profit auf Kosten seines Näch¬
sten verschmäht, versteht sich von selbst; aber jedes Geschäft und jeder Verdienst
wüßte aufhören, wenn das die Regel und nicht die seltene Ausnahme wäre.
Wie groß auch nur im Durchschnitt' der alltägliche Umsatz an der Hamburger
Börse ist, dürste schwer in Zahlen anzugeben sein, da das Börsengeschäft nicht
etwas sür sich Bestehendes, vielmehr nur die Ergänzung des gesammten Ge¬
schäftsbetriebs in Hamburg ist. Wir wollen es jedoch nicht verhehlen, man
treibt an der Börse nicht blos Geschäfte. Auch der Stadtklatsch wird da eifrig
cultivirt, es wird da politisire und speciell auch in hamburgischer Politik ge¬
wacht, und endlich, wenn man sich nach dem Wohlbefinden von Frau und
Kindern erkundigt, werden da sogar Lhombre- und Whistpartien für den Abend
arrangirt. Das sind die von jeder großen Existenz unzertrennlichen Schwächen
der menschlichen Natur!

Es ist sogar einmal geschehen, daß die Börse zur wirklichen Volksver¬
sammlung wurde, freilich erst nach Schluß der Börsensperre. Es galt damals
Abgeordnete nach Frankfurt zu schicken, und da gab es denn natürlich auch soge¬
nannte Candidaten der Börse. Wie eifrig sprach man in jener Zeit von der
Galerie herab von deutscher Freiheit und von deutschem Recht, aber auch von
Hamburgs Handel und von Hamburgs Interessen. Du lieber Gott, die Zeit
ist längst verklungen, und die Männer, die damals gesprochen und die, welche
Man empfahl und wählte, gedenken derselben wol kaum noch anders, als eines
Wüsten Traums aus den Jahren ihrer politischen Kindheit. Es waren zudem
schlechte Geschäftsjahre.

Welch ein Anblick, das volle Börsengetümmel von der Galerie herab zu
betrachten!- Zur Sommerszeit, wenn die Eisenbahnen reichliche Fremdenzüge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/199>, abgerufen am 28.07.2024.