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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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über die Thronfolge in der dänischen Monarchie. Das Wesen dieser Orga¬
nisation ist die Integrität der dänischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen
territorialen Bestand; ein Grundsatz, dessen Aufrechterhaltung einerseits die
Theilung oder Schmälerung der Monarchie, andererseits deren Aufgehen in
einen andern politischen Körper ausschließt.

Sie sind ermächtigt, mein Herr, diese Depesche der Regierung mitzutheilen,
bei der Sie die Ehre haben, accreditirt zu sein.

Ich habe die Ehre zu sein u. s. w.


(unterzeichnet) von Scheele.

Der erste Angriff gegen diese Note und deren Verfasser, v. Scheel,
dem nebenbei vorgeworfen wird, daß er ein gesinnungsloser Aemter- und
Decorationsjäger sei, der in seiner unbegrenzten Habgier binnen kurzer Frist
18,000 Thlr. Remunerationen unter allerlei nichtigen Vorwänden aus der Staats¬
kasse erschwindelt habe -- wird von einem der ersten Theologen, dem bekannten
dänischen Patrioten Dr. Clausen unternommen.

Der Minister, heißt es, ist herausgetreten aus der mysteriösen Sphäre
der Diplomatie, jedermann herausfordernd und muß demnach jeden denkenden
Mann, jeden Vaterlandsfreund, als ebenbürtigen Gegner anerkennen. Mit
einem gewissen, herablassenden Hochmuth, einer mitleidigen Schonung im Tone
beginnt die Polemik gegen die "so poetische Idee", die "so oft heraufbeschwo¬
rene", aber man weiß, welchen Klang das Poetische in der diplomatischen
Sprache besitzt; so folgt denn auch in demselben Satze die Klage: "daß die
poetische Idee nicht, wie sich gebühre, für immer vor der Unmöglichkeit ihrer
praktischen Verwirklichung verschwunden sei, daß sie von neuem der Gemüther sich
bemächtigt habe." Bestand nun der feste Glaube an diese Unmöglichkeit, so
hätte alle weitere Anfechtung sich ersparen lassen. Die hochtrabende Trivialität
hört nicht aus trivial zu sein! Allein die Cabinetsnöte beruft sich auf zwei
Hauptgründe für die Unmöglichkeit. Die geringe Uebereinstimmung zwischen den
Verfassungen der drei nordischen Reiche, besonders zwischen Dänemarks und
Schwedens Verfassungen. Schon früher ist diese Betrachtung vorgebracht,
jedoch unter höchst verschiedenen Verhältnissen; der eingeschränkten schwedischen
Monarchie'stand 1809 und 1810, als König Friedrich VI. so eifrig auf die
nordische Union hinarbeitete, die dänisch-norwegische absolute RegierungöforM
entgegen; deshalb ward derzeit vom Staatsminister Friedrich Moltke, als das
einzige Mittel zur Vereinigung des Nordens und Ereichung der wohlthätigen
Folgen, die Einführung einer gemäßigten Konstitution für Dänemark und Nor¬
wegen in Vorschlag gebracht. Aber jetzt! -- Wie haben die Zustände seitdem
sich geändert! Welche Annäherung im Princip der Staatsverfassungen, un¬
geachtet der Abweichungen in der Form. Wie unbesonnen, solche Beweise für
die Unmöglichkeit vorzubringen, deren Widerlegung in jedermanns Hand sich be-


über die Thronfolge in der dänischen Monarchie. Das Wesen dieser Orga¬
nisation ist die Integrität der dänischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen
territorialen Bestand; ein Grundsatz, dessen Aufrechterhaltung einerseits die
Theilung oder Schmälerung der Monarchie, andererseits deren Aufgehen in
einen andern politischen Körper ausschließt.

Sie sind ermächtigt, mein Herr, diese Depesche der Regierung mitzutheilen,
bei der Sie die Ehre haben, accreditirt zu sein.

Ich habe die Ehre zu sein u. s. w.


(unterzeichnet) von Scheele.

Der erste Angriff gegen diese Note und deren Verfasser, v. Scheel,
dem nebenbei vorgeworfen wird, daß er ein gesinnungsloser Aemter- und
Decorationsjäger sei, der in seiner unbegrenzten Habgier binnen kurzer Frist
18,000 Thlr. Remunerationen unter allerlei nichtigen Vorwänden aus der Staats¬
kasse erschwindelt habe — wird von einem der ersten Theologen, dem bekannten
dänischen Patrioten Dr. Clausen unternommen.

Der Minister, heißt es, ist herausgetreten aus der mysteriösen Sphäre
der Diplomatie, jedermann herausfordernd und muß demnach jeden denkenden
Mann, jeden Vaterlandsfreund, als ebenbürtigen Gegner anerkennen. Mit
einem gewissen, herablassenden Hochmuth, einer mitleidigen Schonung im Tone
beginnt die Polemik gegen die „so poetische Idee", die „so oft heraufbeschwo¬
rene", aber man weiß, welchen Klang das Poetische in der diplomatischen
Sprache besitzt; so folgt denn auch in demselben Satze die Klage: „daß die
poetische Idee nicht, wie sich gebühre, für immer vor der Unmöglichkeit ihrer
praktischen Verwirklichung verschwunden sei, daß sie von neuem der Gemüther sich
bemächtigt habe." Bestand nun der feste Glaube an diese Unmöglichkeit, so
hätte alle weitere Anfechtung sich ersparen lassen. Die hochtrabende Trivialität
hört nicht aus trivial zu sein! Allein die Cabinetsnöte beruft sich auf zwei
Hauptgründe für die Unmöglichkeit. Die geringe Uebereinstimmung zwischen den
Verfassungen der drei nordischen Reiche, besonders zwischen Dänemarks und
Schwedens Verfassungen. Schon früher ist diese Betrachtung vorgebracht,
jedoch unter höchst verschiedenen Verhältnissen; der eingeschränkten schwedischen
Monarchie'stand 1809 und 1810, als König Friedrich VI. so eifrig auf die
nordische Union hinarbeitete, die dänisch-norwegische absolute RegierungöforM
entgegen; deshalb ward derzeit vom Staatsminister Friedrich Moltke, als das
einzige Mittel zur Vereinigung des Nordens und Ereichung der wohlthätigen
Folgen, die Einführung einer gemäßigten Konstitution für Dänemark und Nor¬
wegen in Vorschlag gebracht. Aber jetzt! — Wie haben die Zustände seitdem
sich geändert! Welche Annäherung im Princip der Staatsverfassungen, un¬
geachtet der Abweichungen in der Form. Wie unbesonnen, solche Beweise für
die Unmöglichkeit vorzubringen, deren Widerlegung in jedermanns Hand sich be-


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[0174] über die Thronfolge in der dänischen Monarchie. Das Wesen dieser Orga¬ nisation ist die Integrität der dänischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen territorialen Bestand; ein Grundsatz, dessen Aufrechterhaltung einerseits die Theilung oder Schmälerung der Monarchie, andererseits deren Aufgehen in einen andern politischen Körper ausschließt. Sie sind ermächtigt, mein Herr, diese Depesche der Regierung mitzutheilen, bei der Sie die Ehre haben, accreditirt zu sein. Ich habe die Ehre zu sein u. s. w. (unterzeichnet) von Scheele. Der erste Angriff gegen diese Note und deren Verfasser, v. Scheel, dem nebenbei vorgeworfen wird, daß er ein gesinnungsloser Aemter- und Decorationsjäger sei, der in seiner unbegrenzten Habgier binnen kurzer Frist 18,000 Thlr. Remunerationen unter allerlei nichtigen Vorwänden aus der Staats¬ kasse erschwindelt habe — wird von einem der ersten Theologen, dem bekannten dänischen Patrioten Dr. Clausen unternommen. Der Minister, heißt es, ist herausgetreten aus der mysteriösen Sphäre der Diplomatie, jedermann herausfordernd und muß demnach jeden denkenden Mann, jeden Vaterlandsfreund, als ebenbürtigen Gegner anerkennen. Mit einem gewissen, herablassenden Hochmuth, einer mitleidigen Schonung im Tone beginnt die Polemik gegen die „so poetische Idee", die „so oft heraufbeschwo¬ rene", aber man weiß, welchen Klang das Poetische in der diplomatischen Sprache besitzt; so folgt denn auch in demselben Satze die Klage: „daß die poetische Idee nicht, wie sich gebühre, für immer vor der Unmöglichkeit ihrer praktischen Verwirklichung verschwunden sei, daß sie von neuem der Gemüther sich bemächtigt habe." Bestand nun der feste Glaube an diese Unmöglichkeit, so hätte alle weitere Anfechtung sich ersparen lassen. Die hochtrabende Trivialität hört nicht aus trivial zu sein! Allein die Cabinetsnöte beruft sich auf zwei Hauptgründe für die Unmöglichkeit. Die geringe Uebereinstimmung zwischen den Verfassungen der drei nordischen Reiche, besonders zwischen Dänemarks und Schwedens Verfassungen. Schon früher ist diese Betrachtung vorgebracht, jedoch unter höchst verschiedenen Verhältnissen; der eingeschränkten schwedischen Monarchie'stand 1809 und 1810, als König Friedrich VI. so eifrig auf die nordische Union hinarbeitete, die dänisch-norwegische absolute RegierungöforM entgegen; deshalb ward derzeit vom Staatsminister Friedrich Moltke, als das einzige Mittel zur Vereinigung des Nordens und Ereichung der wohlthätigen Folgen, die Einführung einer gemäßigten Konstitution für Dänemark und Nor¬ wegen in Vorschlag gebracht. Aber jetzt! — Wie haben die Zustände seitdem sich geändert! Welche Annäherung im Princip der Staatsverfassungen, un¬ geachtet der Abweichungen in der Form. Wie unbesonnen, solche Beweise für die Unmöglichkeit vorzubringen, deren Widerlegung in jedermanns Hand sich be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/174>, abgerufen am 28.07.2024.