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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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nur oberflächlich zugedeckte Zerwürfniß aus im Schoße des Ministeriums; die
beiden Matadore, der Conseilpräsident Andrä und der Minister des Auswär¬
tigen v. Scheel, kämpfen abermals untereinander um die Alleinherrschaft und
die von sämmtlichen Ministern eingereichte Entlassung wird vom König zunächst
dem v. Scheel ertheilt, der sich zu seinen "pinneberger Bauern" zurückzieht. --

Lassen wir einstweilen diese Kennzeichen innerer Fäulniß weiter um sich
fressen und die von den Großmächten gestellte Frist zu Ende gehen. Inzwischen
wächst der mächtige Alliirte Deutschlands: die skandinavische Union in starken
Dimensionen; seine Vergangenheit wird mehr und mehr aus der Geschichte
entwickelt, seine Zukunft stellt als eine unfehlbare sich hin. -- DaS dänische
Cabinet selbst zieht den Gegner zum Niesen heran; v. Scheel hat in einer
officiellen Note vom 20. Februar d. I., die an sämmtliche Großmächte ge¬
richtet worden, den Skandinavismus bekämpft. Ein Monument sollte
Deutschland dem behutsamen Diplomaten setzen! DaS Signal zum Kampfe
hat Scharen schwer gewappneter Gegenkämpfer im ganzen Norden und sogar
in Frankreich auf den Platz gerufen und- dem Unionsgedanken eine Nahrung
gegeben, die ihn täglich mehr erstarken läßt. Das kaum Glaubliche ist gesche¬
hen, die herrschende freie Presse in Schweden und in Dänemark fordert in
Tageblättern und Flugschriften die Aufhebung deS londoner Protokolls und
Ausscheidung der btutschredenden Nationalität in den Herzogthümern aus dem
Gesammtstaate. Sehr beachtungswerth für die dänischen Zustände ist eine vor
kurzem in Kopenhagen erschienene Broschüre: Skandinavismen von Buren Finale,
mit dem Motto: ero^ez-vouL, M'on ki"88e la Uiiute politiaM sans impsrtia-
litv? Sie verwirft die Adoptionspläne des Baron und Schwagers des Protokoll¬
königs, als zu weitaussehend, erörtert, daß- Schweden und Norwegen zu viel
politische Klugheit besitze, um eine nordische Union unter Beibehaltung der
Verbindung mit den deutschen Herzogthümern erstreben zu können, da die Er¬
haltung der reinen nordischen Nationalität und die Abwehrung deutscher Ein¬
flüsse der einzig sichernde Stützpunkt der Union sei und bleiben müsse und be¬
zeichnet als den schnell zum Ziele , zur Ablösung der Herzogthümer, führenden
Weg, die Vernichtung des londoner Jntegrilätsprotokolls. -- Deutschland
hat denselben Weg einzuschlagen, vom deutschen Bunde ist das Protokoll nicht
ratificirt worden. --

Die scheelsche Depesche ist so instructiv und anregend, daß wir sie in
wortgetreuem Abdruck folgen lassen, um die Kritik derselben anzureihen.

"Herr......! Seitdem der pariser Friedensvertrag den allgemeinen
Besorgnissen ein Ende gemacht hat, in welche sämmtliche europäische Mächte
durch die Ungewißheit der Lage während des Krieges des Westens gegen den
Osten sich'versetzt, sahen, ist Dänemark, welches in dieser Zeit glücklicherweise
aufgehört hatte, eine besondere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sehr bald


nur oberflächlich zugedeckte Zerwürfniß aus im Schoße des Ministeriums; die
beiden Matadore, der Conseilpräsident Andrä und der Minister des Auswär¬
tigen v. Scheel, kämpfen abermals untereinander um die Alleinherrschaft und
die von sämmtlichen Ministern eingereichte Entlassung wird vom König zunächst
dem v. Scheel ertheilt, der sich zu seinen „pinneberger Bauern" zurückzieht. —

Lassen wir einstweilen diese Kennzeichen innerer Fäulniß weiter um sich
fressen und die von den Großmächten gestellte Frist zu Ende gehen. Inzwischen
wächst der mächtige Alliirte Deutschlands: die skandinavische Union in starken
Dimensionen; seine Vergangenheit wird mehr und mehr aus der Geschichte
entwickelt, seine Zukunft stellt als eine unfehlbare sich hin. — DaS dänische
Cabinet selbst zieht den Gegner zum Niesen heran; v. Scheel hat in einer
officiellen Note vom 20. Februar d. I., die an sämmtliche Großmächte ge¬
richtet worden, den Skandinavismus bekämpft. Ein Monument sollte
Deutschland dem behutsamen Diplomaten setzen! DaS Signal zum Kampfe
hat Scharen schwer gewappneter Gegenkämpfer im ganzen Norden und sogar
in Frankreich auf den Platz gerufen und- dem Unionsgedanken eine Nahrung
gegeben, die ihn täglich mehr erstarken läßt. Das kaum Glaubliche ist gesche¬
hen, die herrschende freie Presse in Schweden und in Dänemark fordert in
Tageblättern und Flugschriften die Aufhebung deS londoner Protokolls und
Ausscheidung der btutschredenden Nationalität in den Herzogthümern aus dem
Gesammtstaate. Sehr beachtungswerth für die dänischen Zustände ist eine vor
kurzem in Kopenhagen erschienene Broschüre: Skandinavismen von Buren Finale,
mit dem Motto: ero^ez-vouL, M'on ki»88e la Uiiute politiaM sans impsrtia-
litv? Sie verwirft die Adoptionspläne des Baron und Schwagers des Protokoll¬
königs, als zu weitaussehend, erörtert, daß- Schweden und Norwegen zu viel
politische Klugheit besitze, um eine nordische Union unter Beibehaltung der
Verbindung mit den deutschen Herzogthümern erstreben zu können, da die Er¬
haltung der reinen nordischen Nationalität und die Abwehrung deutscher Ein¬
flüsse der einzig sichernde Stützpunkt der Union sei und bleiben müsse und be¬
zeichnet als den schnell zum Ziele , zur Ablösung der Herzogthümer, führenden
Weg, die Vernichtung des londoner Jntegrilätsprotokolls. — Deutschland
hat denselben Weg einzuschlagen, vom deutschen Bunde ist das Protokoll nicht
ratificirt worden. —

Die scheelsche Depesche ist so instructiv und anregend, daß wir sie in
wortgetreuem Abdruck folgen lassen, um die Kritik derselben anzureihen.

„Herr......! Seitdem der pariser Friedensvertrag den allgemeinen
Besorgnissen ein Ende gemacht hat, in welche sämmtliche europäische Mächte
durch die Ungewißheit der Lage während des Krieges des Westens gegen den
Osten sich'versetzt, sahen, ist Dänemark, welches in dieser Zeit glücklicherweise
aufgehört hatte, eine besondere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sehr bald


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[0170] nur oberflächlich zugedeckte Zerwürfniß aus im Schoße des Ministeriums; die beiden Matadore, der Conseilpräsident Andrä und der Minister des Auswär¬ tigen v. Scheel, kämpfen abermals untereinander um die Alleinherrschaft und die von sämmtlichen Ministern eingereichte Entlassung wird vom König zunächst dem v. Scheel ertheilt, der sich zu seinen „pinneberger Bauern" zurückzieht. — Lassen wir einstweilen diese Kennzeichen innerer Fäulniß weiter um sich fressen und die von den Großmächten gestellte Frist zu Ende gehen. Inzwischen wächst der mächtige Alliirte Deutschlands: die skandinavische Union in starken Dimensionen; seine Vergangenheit wird mehr und mehr aus der Geschichte entwickelt, seine Zukunft stellt als eine unfehlbare sich hin. — DaS dänische Cabinet selbst zieht den Gegner zum Niesen heran; v. Scheel hat in einer officiellen Note vom 20. Februar d. I., die an sämmtliche Großmächte ge¬ richtet worden, den Skandinavismus bekämpft. Ein Monument sollte Deutschland dem behutsamen Diplomaten setzen! DaS Signal zum Kampfe hat Scharen schwer gewappneter Gegenkämpfer im ganzen Norden und sogar in Frankreich auf den Platz gerufen und- dem Unionsgedanken eine Nahrung gegeben, die ihn täglich mehr erstarken läßt. Das kaum Glaubliche ist gesche¬ hen, die herrschende freie Presse in Schweden und in Dänemark fordert in Tageblättern und Flugschriften die Aufhebung deS londoner Protokolls und Ausscheidung der btutschredenden Nationalität in den Herzogthümern aus dem Gesammtstaate. Sehr beachtungswerth für die dänischen Zustände ist eine vor kurzem in Kopenhagen erschienene Broschüre: Skandinavismen von Buren Finale, mit dem Motto: ero^ez-vouL, M'on ki»88e la Uiiute politiaM sans impsrtia- litv? Sie verwirft die Adoptionspläne des Baron und Schwagers des Protokoll¬ königs, als zu weitaussehend, erörtert, daß- Schweden und Norwegen zu viel politische Klugheit besitze, um eine nordische Union unter Beibehaltung der Verbindung mit den deutschen Herzogthümern erstreben zu können, da die Er¬ haltung der reinen nordischen Nationalität und die Abwehrung deutscher Ein¬ flüsse der einzig sichernde Stützpunkt der Union sei und bleiben müsse und be¬ zeichnet als den schnell zum Ziele , zur Ablösung der Herzogthümer, führenden Weg, die Vernichtung des londoner Jntegrilätsprotokolls. — Deutschland hat denselben Weg einzuschlagen, vom deutschen Bunde ist das Protokoll nicht ratificirt worden. — Die scheelsche Depesche ist so instructiv und anregend, daß wir sie in wortgetreuem Abdruck folgen lassen, um die Kritik derselben anzureihen. „Herr......! Seitdem der pariser Friedensvertrag den allgemeinen Besorgnissen ein Ende gemacht hat, in welche sämmtliche europäische Mächte durch die Ungewißheit der Lage während des Krieges des Westens gegen den Osten sich'versetzt, sahen, ist Dänemark, welches in dieser Zeit glücklicherweise aufgehört hatte, eine besondere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sehr bald

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/170>, abgerufen am 27.07.2024.