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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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nahmen. Die trimalchionische Nachäfferei solcher fürstlichen Velleitäten blieb
freilich mesquin genug.

Wie der Grundbesitz war auch der Sklavenbesitz in dieser Zeit inS Enorme
gewachsen; zum Theil war dieser ja durch jenen bedingt; wenn die Ländereien
die Ausdehnung von Provinzen gewonnen hatten, so werden die Sklaven-
fcharen mit Armeen, mit Nationen verglichen. Bei Petron kommt außer
den bereits mitgetheilten Uebertreibungen noch Folgendes vor. Trimalchio fragt
einen bei Tafel servirenden Koch: "Aus der wievielten Decurie (Abtheilung
von zehn) bist du? -- Aus der vierzigsten. -- Gelaufe oder im Hause ge¬
boren? -- Keins von beiden, sondern dir von Pansa im Testament hinter¬
lassen. -- Paß gut auf, daß du ordentlich servirst, sonst lasse ich dich in die
Abtheilung der Läufer degradiren."

Die lateinische Redensart zur Bezeichnung des höchsten Ueberflusses, für
die wir meines Wissens keine entsprechende haben, ist: bei dem ist selbst Hühner-
Milch zu finden.

Welche Menschenmassen die großen Güter zur Bebauung und Bewirth¬
schaftung erforderten, bedarf keiner Auseinandersetzung; dies waren zum aller¬
größten Theil Sklaven. Ein gewisser C. Claudius Isidorus, der im Jahr
8 vor Chr. starb, hinterließ, obwol er in den Bürgerkriegen viel verloren hatte,
außer einem baaren Vermögen von ungefähr vier Millionen Thaler, 3600 Joch
Ochsen, -237,000 Schafe und 4116 Sklaven; ja es ist von Besitzern die Rede,
die 10--20,000 Sklaven gehabt haben sollen. Noch einige andere Angaben mögen
eine Vorstellung von der Größe der Zahlen geben, über die Einzelne geboten.
Ein Gesetz Augusts schränkte die Freilassungen durch testamentarische Verfügung
ein: sie sollten auch bei den größten Sklavenfamilien ein Fünftel des Ganzen
Nicht übersteigen, im äußersten Fall aber nicht mehr als 100 Sklaven freige¬
lassen werden; woraus man steht, daß Familien von mehr als 300 Köpfen
nicht ungewöhnlich waren. Im letzten Jahr von Claudius Regierung wurde
Domitia Lepida, eine Muhme des Thronfolgers und Rivalin seiner Mutter in
seiner Gunst, auf Anstiften dieser in Anklagezustand versetzt: weil die Zü-
gellosigkeit der Sklavenschwärme, die sie in Calabrien unterhalte, die Sicher¬
heit Italiens störe. Unter Nero wurde der Stadtpräfect (Civilgouverneur) von
Rom von einem seiner Sklaven ermordet. Nach alter Sitte sollte die ganze,
!Mde im Hause befindliche Dienerschaft als mitschuldig angesehn und hinge¬
richtet werden. DaS Uebermaß der Strenge gegen so viele Schuldlose brachte
eine bedrohliche Aufregung in der Stadt hervor, die Menge rottete sich zu¬
sammen, der Senat wurde schwankend. Doch die Rücksicht auf die eigene
Sicherheit trug zuletzt den Sieg davon. "Seit wir ganze Nationen in unsern
Sklavenschasten haben, die verschiedene Bräuche, fremde oder gar keine Reli¬
gionen haben, ist dies Gesinde! einzig durch Furcht im Zaum zu halten", so


nahmen. Die trimalchionische Nachäfferei solcher fürstlichen Velleitäten blieb
freilich mesquin genug.

Wie der Grundbesitz war auch der Sklavenbesitz in dieser Zeit inS Enorme
gewachsen; zum Theil war dieser ja durch jenen bedingt; wenn die Ländereien
die Ausdehnung von Provinzen gewonnen hatten, so werden die Sklaven-
fcharen mit Armeen, mit Nationen verglichen. Bei Petron kommt außer
den bereits mitgetheilten Uebertreibungen noch Folgendes vor. Trimalchio fragt
einen bei Tafel servirenden Koch: „Aus der wievielten Decurie (Abtheilung
von zehn) bist du? — Aus der vierzigsten. — Gelaufe oder im Hause ge¬
boren? — Keins von beiden, sondern dir von Pansa im Testament hinter¬
lassen. — Paß gut auf, daß du ordentlich servirst, sonst lasse ich dich in die
Abtheilung der Läufer degradiren."

Die lateinische Redensart zur Bezeichnung des höchsten Ueberflusses, für
die wir meines Wissens keine entsprechende haben, ist: bei dem ist selbst Hühner-
Milch zu finden.

Welche Menschenmassen die großen Güter zur Bebauung und Bewirth¬
schaftung erforderten, bedarf keiner Auseinandersetzung; dies waren zum aller¬
größten Theil Sklaven. Ein gewisser C. Claudius Isidorus, der im Jahr
8 vor Chr. starb, hinterließ, obwol er in den Bürgerkriegen viel verloren hatte,
außer einem baaren Vermögen von ungefähr vier Millionen Thaler, 3600 Joch
Ochsen, -237,000 Schafe und 4116 Sklaven; ja es ist von Besitzern die Rede,
die 10—20,000 Sklaven gehabt haben sollen. Noch einige andere Angaben mögen
eine Vorstellung von der Größe der Zahlen geben, über die Einzelne geboten.
Ein Gesetz Augusts schränkte die Freilassungen durch testamentarische Verfügung
ein: sie sollten auch bei den größten Sklavenfamilien ein Fünftel des Ganzen
Nicht übersteigen, im äußersten Fall aber nicht mehr als 100 Sklaven freige¬
lassen werden; woraus man steht, daß Familien von mehr als 300 Köpfen
nicht ungewöhnlich waren. Im letzten Jahr von Claudius Regierung wurde
Domitia Lepida, eine Muhme des Thronfolgers und Rivalin seiner Mutter in
seiner Gunst, auf Anstiften dieser in Anklagezustand versetzt: weil die Zü-
gellosigkeit der Sklavenschwärme, die sie in Calabrien unterhalte, die Sicher¬
heit Italiens störe. Unter Nero wurde der Stadtpräfect (Civilgouverneur) von
Rom von einem seiner Sklaven ermordet. Nach alter Sitte sollte die ganze,
!Mde im Hause befindliche Dienerschaft als mitschuldig angesehn und hinge¬
richtet werden. DaS Uebermaß der Strenge gegen so viele Schuldlose brachte
eine bedrohliche Aufregung in der Stadt hervor, die Menge rottete sich zu¬
sammen, der Senat wurde schwankend. Doch die Rücksicht auf die eigene
Sicherheit trug zuletzt den Sieg davon. „Seit wir ganze Nationen in unsern
Sklavenschasten haben, die verschiedene Bräuche, fremde oder gar keine Reli¬
gionen haben, ist dies Gesinde! einzig durch Furcht im Zaum zu halten", so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/133>, abgerufen am 01.09.2024.