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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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A6. Juli. Geboren auf Trimalchios Landgut bei Cumä dreißig Knaben, vier¬
zig Mädchen; von der Tenne auf den Speicher gebracht achtundsiebzigtausend
Scheffel Weizen; fünfhundert Ochsen eingefahren. An demselben Tage ist ein
Brand in den Gärten bei Pompeji ausgebrochen, das Feuer ist ausgekommen
im Hause deS Verwalters Raster." Wie, unterbricht Trimalchio hier, wann
sind denn die Garten bei Pompeji für mich gekauft? Voriges Jahr, antwortet
der Berichterstatter, deshalb sind sie noch nicht in den Büchern mit aufgeführt
worden. Trimalchio gerieth in Harnisch: "Wenn irgend ein Grundstück für
mich gekauft wird, und ich habe eS nicht innerhalb eines halben Jahres er¬
fahren, so verbiete ich hiermit, daß eS überhaupt in die Bücher eingetragen
wird." Die Lächerlichkeit liegt hier wie überall weniger in der Größe, als
in der Ungeschicklichkeit der Uebertreibung. Daß große Besitzer von manchen
Gütern, die ihre Agenten gekauft hatten, dies erst lange nachher erfuhren, wird
nicht unerhört gewesen sein; daß sie auf manches ihrer Besitzthümer nie hin¬
gekommen waren, liegt in der Natur der Sache, und kommt ja auch heut¬
zutage vor, nur daß grade ein Gut vor dem Thor ist, daS der Eigenthümer
noch nie gesehen hat, ist in Trimalchios Manier. Einer von den Habituvs
an seiner Tafel, offenbar eingeladen, um den fremden Gästen die richtige
Meinung von der Bedeutung des Wirths beizubringen, sagt: "Trimalchio
hat Güter, so weit die Vögel fliegen, und Geld wie Heu; in der Loge seines
Portiers ist mehr Silber als irgend wer im Vermögen hat. Aber erst seine
Sklaven! Ach du meine Güte! Ich glaube wahrhaftig, da ist nicht der zehnte
Theil, der seinen Herrn nur einmal gesehen hat. Und dabei muß man nicht
glauben, daß er nöthig hat, irgend etwas zu lausen; alles wächst auf seinem
Grund und Boden: Wolle, Wachs, Pfeffer, bei dem werfen selbst die Ochsen
Kälber. Als zum Exempel, die Wolle in seinen Schäfereien war nicht fein genug;
was thut er? er kauft Zuchtwidder von Tarent. Er wollte veritabeln attischen
Honig in seinen Stöcken haben: gleich hat er Bienen von Athen bringen
lassen. Nur in diesen Tagen hat er sich Samen von Champignons aus In¬
dien verschrieben. Unter seinen Maulthieren ist nicht eins, das nicht von der
feinsten asiatischen Race wäre. In allen Polsterkissen ist die Füllung mit
Scharlach oder echtem Purpur gefärbt." Aus diesen Anpreisungen, in denen
übrigens mit Unbedeutenden ebenso geprahlt wird wie mit dem Unglaublichsten,
hört man heraus, was das Ideal der damaligen sürstenähnlichen Gruno-
eigenthümer war. Ihre Ländereien sollten unter allen Himmelsstrichen, in
allen Provinzen ein Abbild des römischen Weltreichs im Kleinen sein; es
sollte alles auf ihrem Grund und Boden wachsen, sie wollten nicht nöthig
haben, etwas zu kaufen. Daß Unterthanen diese Idee bis zu einem gewissen
Grade verwirklichen konnten, gehört zu den charakteristischen Eigenthümlichkeiten
deS Kaiserreichs, wo alle Erscheinungen so leicht kolossale Dimensionen an-


A6. Juli. Geboren auf Trimalchios Landgut bei Cumä dreißig Knaben, vier¬
zig Mädchen; von der Tenne auf den Speicher gebracht achtundsiebzigtausend
Scheffel Weizen; fünfhundert Ochsen eingefahren. An demselben Tage ist ein
Brand in den Gärten bei Pompeji ausgebrochen, das Feuer ist ausgekommen
im Hause deS Verwalters Raster." Wie, unterbricht Trimalchio hier, wann
sind denn die Garten bei Pompeji für mich gekauft? Voriges Jahr, antwortet
der Berichterstatter, deshalb sind sie noch nicht in den Büchern mit aufgeführt
worden. Trimalchio gerieth in Harnisch: „Wenn irgend ein Grundstück für
mich gekauft wird, und ich habe eS nicht innerhalb eines halben Jahres er¬
fahren, so verbiete ich hiermit, daß eS überhaupt in die Bücher eingetragen
wird." Die Lächerlichkeit liegt hier wie überall weniger in der Größe, als
in der Ungeschicklichkeit der Uebertreibung. Daß große Besitzer von manchen
Gütern, die ihre Agenten gekauft hatten, dies erst lange nachher erfuhren, wird
nicht unerhört gewesen sein; daß sie auf manches ihrer Besitzthümer nie hin¬
gekommen waren, liegt in der Natur der Sache, und kommt ja auch heut¬
zutage vor, nur daß grade ein Gut vor dem Thor ist, daS der Eigenthümer
noch nie gesehen hat, ist in Trimalchios Manier. Einer von den Habituvs
an seiner Tafel, offenbar eingeladen, um den fremden Gästen die richtige
Meinung von der Bedeutung des Wirths beizubringen, sagt: „Trimalchio
hat Güter, so weit die Vögel fliegen, und Geld wie Heu; in der Loge seines
Portiers ist mehr Silber als irgend wer im Vermögen hat. Aber erst seine
Sklaven! Ach du meine Güte! Ich glaube wahrhaftig, da ist nicht der zehnte
Theil, der seinen Herrn nur einmal gesehen hat. Und dabei muß man nicht
glauben, daß er nöthig hat, irgend etwas zu lausen; alles wächst auf seinem
Grund und Boden: Wolle, Wachs, Pfeffer, bei dem werfen selbst die Ochsen
Kälber. Als zum Exempel, die Wolle in seinen Schäfereien war nicht fein genug;
was thut er? er kauft Zuchtwidder von Tarent. Er wollte veritabeln attischen
Honig in seinen Stöcken haben: gleich hat er Bienen von Athen bringen
lassen. Nur in diesen Tagen hat er sich Samen von Champignons aus In¬
dien verschrieben. Unter seinen Maulthieren ist nicht eins, das nicht von der
feinsten asiatischen Race wäre. In allen Polsterkissen ist die Füllung mit
Scharlach oder echtem Purpur gefärbt." Aus diesen Anpreisungen, in denen
übrigens mit Unbedeutenden ebenso geprahlt wird wie mit dem Unglaublichsten,
hört man heraus, was das Ideal der damaligen sürstenähnlichen Gruno-
eigenthümer war. Ihre Ländereien sollten unter allen Himmelsstrichen, in
allen Provinzen ein Abbild des römischen Weltreichs im Kleinen sein; es
sollte alles auf ihrem Grund und Boden wachsen, sie wollten nicht nöthig
haben, etwas zu kaufen. Daß Unterthanen diese Idee bis zu einem gewissen
Grade verwirklichen konnten, gehört zu den charakteristischen Eigenthümlichkeiten
deS Kaiserreichs, wo alle Erscheinungen so leicht kolossale Dimensionen an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/132>, abgerufen am 01.09.2024.