Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.Geltendmachung des Rechts seines Fürsten erwachsen würden, große Fehler be¬ So weit sind die Dinge gediehen. Wir "treiben einem Kriege entgegen," der Geltendmachung des Rechts seines Fürsten erwachsen würden, große Fehler be¬ So weit sind die Dinge gediehen. Wir „treiben einem Kriege entgegen," der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103217"/> <p xml:id="ID_247" prev="#ID_246"> Geltendmachung des Rechts seines Fürsten erwachsen würden, große Fehler be¬<lb/> gangen. Es ist natürlich, daß man bei Umänderung der Bundesverfassung 18i8<lb/> eine Umwälzung willkommen hieß, ohne welche Neuenburg unmöglich der regene-<lb/> rirten Schweiz angehören konnte, und daß man . nach Gründen suchte, um einen<lb/> thatsächlichen Zustand, den man unter die Garantie der neuen Bundesverfassung<lb/> gestellt, auch auf dem Boden des Rechts zu vertheidigen. Denn, daß ein Staat ^<lb/> sagen soll,' ich will diesen Thatbestand behaupten, erkenne jedoch an, daß ich kein<lb/> Recht dazu habe, heißt eine moralische Unmöglichkeit von ihm verlangen. Aber<lb/> ohne ihren Rechtsanspruch aufzugeben, konnte und mußte die Schweiz die ersten<lb/> Schritte thun, um die Anerkennung der factischen Zustände in Neuenburg seitens<lb/> des Königs von Preußen zu erlangen. Die vornehme Geringachtung der von<lb/> einem mächtigen Fürsten erhobenen Ansprüche war zugleich unberechtigt und un-<lb/> weise. Wären selbst diese Schritte fruchtlos geblieben, so dienten sie ihrer Sache<lb/> bei den europäischen Großmächten. Denn so allgemein die Ansicht ist, daß das<lb/> Recht des Königs von Preußen in Neuenburg gekränkt ist, so allgemein ist auch<lb/> die Ansicht, daß eine Ablösung dieses Rechts in passender Weise und eine Legali-<lb/> sirung des seit -1868 bestehenden Zustandes der wahre Vortheil aller in dieser<lb/> Frage Betheiligten ist. ° Hätte die Schweiz ihrerseits die Vermittlung der Gro߬<lb/> mächte nachgesucht, hätte sie derselben durch jedes thunliche Zugeständniß die Wege<lb/> geebnet, so glauben wir, daß der Scptemberausstaud entweder nicht stattgefunden,<lb/> oder hätte er stattgefunden, unter el» höchst ungünstiges Licht gefallen wäre. Jetzt<lb/> hat Preußen alle Vortheile auf dem diplomatischen Schachbret für sich. Es hat<lb/> Langmuth bewiesen, es hat für Geltendmachung des Rechts an die Großmächte<lb/> appellirt, und von ihnen eine unzweideutige Anerkennung desselben erhalten. Der<lb/> Zwischenfall des verunglückten Versuchs der Royalisten erlaubt ihm jetzt, die Kon¬<lb/> sequenzen daraus zu ziehen. Denn wer will es ihm wehren, für Männer einzu¬<lb/> schreiten, die sich für das von den Großmächten anerkannte Recht seines Königs<lb/> erhoben haben? Die Schweiz steht vor der Alternative, entweder eine Forderung<lb/> zu verweigern, deren Ablehnung sie allein und ohne Bundesgenossen dem Kampf mit<lb/> einer an Zahl und militärischer Organisation weit überlegenen Macht aussetzt, oder<lb/> durch Bewilligung dieser Forderung das Eingeständniß zu geben, daß der That¬<lb/> bestand in Neuenburg nicht zu Recht bestehe, ein Eingeständniß, in jedem Falle<lb/> peinlich, gefährlich, ja unmöglich, wenn es nicht den Verzicht auf Neuenburg seitens<lb/> des Königs von Preußen zur Folge hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_248" next="#ID_249"> So weit sind die Dinge gediehen. Wir „treiben einem Kriege entgegen," der<lb/> uns ungeheure Geldopfer, wahrscheinlich nicht geringe Blutvpfcr kosten muß, reelle<lb/> Vortheile aber niemals bringen, der vielleicht einen europäischen Conflict hervor¬<lb/> rufen kann, in dessen gefährlichste Mitte Preußen gestellt würde. Jedenfalls würde<lb/> der Krieg mit der Schweiz unsere Weltstellung sehr sichtbar und auf lange<lb/> Zeit beeinflussen. Alle Anzeichen verkünden, daß der Stern der englisch-französischen<lb/> Allianz im Sinken ist, daß das Gestirn eines andern Bündnisses sich drohend am<lb/> politischen Horizont erhebt. Niemand, dessen Urtheil nicht gänzlich durch Partet-<lb/> geist getrübt ist, kann zweifeln, auf welche Seite Preußen durch sein Interesse,<lb/> durch seine Pflichten gegen sich selbst und die deutsche Nation hingewiesen wird. Es<lb/> ist nicht die.Seite, die gegenwärtig unser. Vorgehen gegen die Eidgenossenschaft be-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
Geltendmachung des Rechts seines Fürsten erwachsen würden, große Fehler be¬
gangen. Es ist natürlich, daß man bei Umänderung der Bundesverfassung 18i8
eine Umwälzung willkommen hieß, ohne welche Neuenburg unmöglich der regene-
rirten Schweiz angehören konnte, und daß man . nach Gründen suchte, um einen
thatsächlichen Zustand, den man unter die Garantie der neuen Bundesverfassung
gestellt, auch auf dem Boden des Rechts zu vertheidigen. Denn, daß ein Staat ^
sagen soll,' ich will diesen Thatbestand behaupten, erkenne jedoch an, daß ich kein
Recht dazu habe, heißt eine moralische Unmöglichkeit von ihm verlangen. Aber
ohne ihren Rechtsanspruch aufzugeben, konnte und mußte die Schweiz die ersten
Schritte thun, um die Anerkennung der factischen Zustände in Neuenburg seitens
des Königs von Preußen zu erlangen. Die vornehme Geringachtung der von
einem mächtigen Fürsten erhobenen Ansprüche war zugleich unberechtigt und un-
weise. Wären selbst diese Schritte fruchtlos geblieben, so dienten sie ihrer Sache
bei den europäischen Großmächten. Denn so allgemein die Ansicht ist, daß das
Recht des Königs von Preußen in Neuenburg gekränkt ist, so allgemein ist auch
die Ansicht, daß eine Ablösung dieses Rechts in passender Weise und eine Legali-
sirung des seit -1868 bestehenden Zustandes der wahre Vortheil aller in dieser
Frage Betheiligten ist. ° Hätte die Schweiz ihrerseits die Vermittlung der Gro߬
mächte nachgesucht, hätte sie derselben durch jedes thunliche Zugeständniß die Wege
geebnet, so glauben wir, daß der Scptemberausstaud entweder nicht stattgefunden,
oder hätte er stattgefunden, unter el» höchst ungünstiges Licht gefallen wäre. Jetzt
hat Preußen alle Vortheile auf dem diplomatischen Schachbret für sich. Es hat
Langmuth bewiesen, es hat für Geltendmachung des Rechts an die Großmächte
appellirt, und von ihnen eine unzweideutige Anerkennung desselben erhalten. Der
Zwischenfall des verunglückten Versuchs der Royalisten erlaubt ihm jetzt, die Kon¬
sequenzen daraus zu ziehen. Denn wer will es ihm wehren, für Männer einzu¬
schreiten, die sich für das von den Großmächten anerkannte Recht seines Königs
erhoben haben? Die Schweiz steht vor der Alternative, entweder eine Forderung
zu verweigern, deren Ablehnung sie allein und ohne Bundesgenossen dem Kampf mit
einer an Zahl und militärischer Organisation weit überlegenen Macht aussetzt, oder
durch Bewilligung dieser Forderung das Eingeständniß zu geben, daß der That¬
bestand in Neuenburg nicht zu Recht bestehe, ein Eingeständniß, in jedem Falle
peinlich, gefährlich, ja unmöglich, wenn es nicht den Verzicht auf Neuenburg seitens
des Königs von Preußen zur Folge hat.
So weit sind die Dinge gediehen. Wir „treiben einem Kriege entgegen," der
uns ungeheure Geldopfer, wahrscheinlich nicht geringe Blutvpfcr kosten muß, reelle
Vortheile aber niemals bringen, der vielleicht einen europäischen Conflict hervor¬
rufen kann, in dessen gefährlichste Mitte Preußen gestellt würde. Jedenfalls würde
der Krieg mit der Schweiz unsere Weltstellung sehr sichtbar und auf lange
Zeit beeinflussen. Alle Anzeichen verkünden, daß der Stern der englisch-französischen
Allianz im Sinken ist, daß das Gestirn eines andern Bündnisses sich drohend am
politischen Horizont erhebt. Niemand, dessen Urtheil nicht gänzlich durch Partet-
geist getrübt ist, kann zweifeln, auf welche Seite Preußen durch sein Interesse,
durch seine Pflichten gegen sich selbst und die deutsche Nation hingewiesen wird. Es
ist nicht die.Seite, die gegenwärtig unser. Vorgehen gegen die Eidgenossenschaft be-
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