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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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schlesischen Weber) gehandelt hat, sind jene Behauptungen auch niemals gegen
die Commissionen geltend gemacht worden. -- Die zweite der erwähnten Be¬
stimmungen (Art. 84. ^liri. -I.) findet sich gleichfalls nur in wenigen Ver¬
fassungen so vorbehaltlos und klar ausgedrückt. Wir halten es nicht nur für
ein Glück, daß es, so lange dieser Artikel nicht gestrichen wird, unter allen
Umständen einen Ort in Preußen gibt, wo jede Ueberzeugung deutlich aus¬
gesprochen werden darf, wo die Wahrheit eine Freistätte und einen Wiederhall
im ganzen Lande finden kann; wir loben auch das an ihr, daß un¬
ter diesem sichern Schutz sich jeder leicht entschließt, die Maske fallen zu
lassen, und sich wie seine Partei im rechten Licht zu zeigen. Unwillkürlich
müssen wir dabei an die berühmten Enthüllungen des Grafen Pfeil den¬
ken. Wir wollen noch gar nicht annehmen, daß der edle Graf durch seine
Beispiele etwas anders habe erläutern wollen, als den alten Satz, daß strenges
Recht oft unbillig und zu hart sei. Aber daß er dabei so frei mit der Sprache
herausging, die milde Patrimonialherrschaft und ihr naives Prügelverfahren
als Heilmittel entgegensetzte, zugleich uns die Gewißheit gab, wie hoch einige
der kleinen Herrn das Gesetz achten würden, wenn sie jemals ihre Gelüste
stillen könnten, das haben wir wahrscheinlich dem ^lin. 1 des Art. 84 zu
verdanken.

Wir könnten noch von manchen guten Keimen in der Verfassung sprechen.
Daneben aber auch von so vielen Hindernissen und Verkümmerungen, daß es
fast scheint, in politischen Dingen gelte das Recht wenig und die Macht alles.
Aber wir wollen nicht vergessen, daß auch die öffentliche Meinung zu den
politischen Mächten zählt und einen um so höhern Rang unter ihnen ein¬
nimmt, je allgemeiner, ernster und tiefer sie begründet ist. Dazu wird das
roennesche Buch beitragen, wenn es die Verbreitung findet, welche wir ihm
wünschen. Schon jetzt halten wir es für unwahrscheinlich, daß jemals wieder
wie in frühern Jahren aus dem Schoß der Kammern ein Antrag hervorgehen
sollte, die Verfassung in Panhas und Bogen aufzuheben. Die Regierung stößt
bei ihren bisherigen Freunden auf ernsten Widerspruch, und wenn diese auch
nicht dieselbe Ansicht vertreten wie wir, vertheidigen sie doch eine eigne. Ein
solcher Kampf aber setzt nothwendig warmes Interesse für die Sache voraus.
Und wenn dieses sich mehr und mehr in den Kammern Bahn bricht, und
außerhalb derselben Theilnahme für öffentliche Angelegenheiten die träge
Gleichgiltigkeit verdrängt haben wird, dann wird auch die preußische Verfassung,
wie sie jeht ist, sich entwicklungsfähig zeigen und der Staat Friedrichs deS
Großen seine Bestimmung erfüllen. --




Ärenjbote" I. 1837.64

schlesischen Weber) gehandelt hat, sind jene Behauptungen auch niemals gegen
die Commissionen geltend gemacht worden. — Die zweite der erwähnten Be¬
stimmungen (Art. 84. ^liri. -I.) findet sich gleichfalls nur in wenigen Ver¬
fassungen so vorbehaltlos und klar ausgedrückt. Wir halten es nicht nur für
ein Glück, daß es, so lange dieser Artikel nicht gestrichen wird, unter allen
Umständen einen Ort in Preußen gibt, wo jede Ueberzeugung deutlich aus¬
gesprochen werden darf, wo die Wahrheit eine Freistätte und einen Wiederhall
im ganzen Lande finden kann; wir loben auch das an ihr, daß un¬
ter diesem sichern Schutz sich jeder leicht entschließt, die Maske fallen zu
lassen, und sich wie seine Partei im rechten Licht zu zeigen. Unwillkürlich
müssen wir dabei an die berühmten Enthüllungen des Grafen Pfeil den¬
ken. Wir wollen noch gar nicht annehmen, daß der edle Graf durch seine
Beispiele etwas anders habe erläutern wollen, als den alten Satz, daß strenges
Recht oft unbillig und zu hart sei. Aber daß er dabei so frei mit der Sprache
herausging, die milde Patrimonialherrschaft und ihr naives Prügelverfahren
als Heilmittel entgegensetzte, zugleich uns die Gewißheit gab, wie hoch einige
der kleinen Herrn das Gesetz achten würden, wenn sie jemals ihre Gelüste
stillen könnten, das haben wir wahrscheinlich dem ^lin. 1 des Art. 84 zu
verdanken.

Wir könnten noch von manchen guten Keimen in der Verfassung sprechen.
Daneben aber auch von so vielen Hindernissen und Verkümmerungen, daß es
fast scheint, in politischen Dingen gelte das Recht wenig und die Macht alles.
Aber wir wollen nicht vergessen, daß auch die öffentliche Meinung zu den
politischen Mächten zählt und einen um so höhern Rang unter ihnen ein¬
nimmt, je allgemeiner, ernster und tiefer sie begründet ist. Dazu wird das
roennesche Buch beitragen, wenn es die Verbreitung findet, welche wir ihm
wünschen. Schon jetzt halten wir es für unwahrscheinlich, daß jemals wieder
wie in frühern Jahren aus dem Schoß der Kammern ein Antrag hervorgehen
sollte, die Verfassung in Panhas und Bogen aufzuheben. Die Regierung stößt
bei ihren bisherigen Freunden auf ernsten Widerspruch, und wenn diese auch
nicht dieselbe Ansicht vertreten wie wir, vertheidigen sie doch eine eigne. Ein
solcher Kampf aber setzt nothwendig warmes Interesse für die Sache voraus.
Und wenn dieses sich mehr und mehr in den Kammern Bahn bricht, und
außerhalb derselben Theilnahme für öffentliche Angelegenheiten die träge
Gleichgiltigkeit verdrängt haben wird, dann wird auch die preußische Verfassung,
wie sie jeht ist, sich entwicklungsfähig zeigen und der Staat Friedrichs deS
Großen seine Bestimmung erfüllen. —




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[0513] schlesischen Weber) gehandelt hat, sind jene Behauptungen auch niemals gegen die Commissionen geltend gemacht worden. — Die zweite der erwähnten Be¬ stimmungen (Art. 84. ^liri. -I.) findet sich gleichfalls nur in wenigen Ver¬ fassungen so vorbehaltlos und klar ausgedrückt. Wir halten es nicht nur für ein Glück, daß es, so lange dieser Artikel nicht gestrichen wird, unter allen Umständen einen Ort in Preußen gibt, wo jede Ueberzeugung deutlich aus¬ gesprochen werden darf, wo die Wahrheit eine Freistätte und einen Wiederhall im ganzen Lande finden kann; wir loben auch das an ihr, daß un¬ ter diesem sichern Schutz sich jeder leicht entschließt, die Maske fallen zu lassen, und sich wie seine Partei im rechten Licht zu zeigen. Unwillkürlich müssen wir dabei an die berühmten Enthüllungen des Grafen Pfeil den¬ ken. Wir wollen noch gar nicht annehmen, daß der edle Graf durch seine Beispiele etwas anders habe erläutern wollen, als den alten Satz, daß strenges Recht oft unbillig und zu hart sei. Aber daß er dabei so frei mit der Sprache herausging, die milde Patrimonialherrschaft und ihr naives Prügelverfahren als Heilmittel entgegensetzte, zugleich uns die Gewißheit gab, wie hoch einige der kleinen Herrn das Gesetz achten würden, wenn sie jemals ihre Gelüste stillen könnten, das haben wir wahrscheinlich dem ^lin. 1 des Art. 84 zu verdanken. Wir könnten noch von manchen guten Keimen in der Verfassung sprechen. Daneben aber auch von so vielen Hindernissen und Verkümmerungen, daß es fast scheint, in politischen Dingen gelte das Recht wenig und die Macht alles. Aber wir wollen nicht vergessen, daß auch die öffentliche Meinung zu den politischen Mächten zählt und einen um so höhern Rang unter ihnen ein¬ nimmt, je allgemeiner, ernster und tiefer sie begründet ist. Dazu wird das roennesche Buch beitragen, wenn es die Verbreitung findet, welche wir ihm wünschen. Schon jetzt halten wir es für unwahrscheinlich, daß jemals wieder wie in frühern Jahren aus dem Schoß der Kammern ein Antrag hervorgehen sollte, die Verfassung in Panhas und Bogen aufzuheben. Die Regierung stößt bei ihren bisherigen Freunden auf ernsten Widerspruch, und wenn diese auch nicht dieselbe Ansicht vertreten wie wir, vertheidigen sie doch eine eigne. Ein solcher Kampf aber setzt nothwendig warmes Interesse für die Sache voraus. Und wenn dieses sich mehr und mehr in den Kammern Bahn bricht, und außerhalb derselben Theilnahme für öffentliche Angelegenheiten die träge Gleichgiltigkeit verdrängt haben wird, dann wird auch die preußische Verfassung, wie sie jeht ist, sich entwicklungsfähig zeigen und der Staat Friedrichs deS Großen seine Bestimmung erfüllen. — Ärenjbote» I. 1837.64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/513>, abgerufen am 22.12.2024.